Unterm Herdenstein (eine Tiermenschen Geschichte) - Des Dramas Zweiter Teil

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    Kapitel 97 - Instinkte



    Eben noch hatte Gurlak an seine Späher gedacht, da kamen ihm zwei von ihnen aus dem Dickicht heraus entgegen. Sie waren auf vorgelagertem Posten gewesen und berichteten, dass sich voraus eine Straße der Menschen und zudem eine Siedlung befände. Die Befestigung sei zwar zu gut, um mit ihrer derzeitigen Schlagkraft einen direkten Angriff wagen zu können, aber man könne in einem nächtlichen Überfall auf die äußeren Ausläufer sicher dennoch die schwindenden Vorräte der Herde wieder auffüllen. Gurlak nickte und gab Befehl die Ortschaft sowie die Verkehrswege weiter auszukundschaften, bis er mit seinem Zug heran sei. Dann würde er, auf den Erkenntnissen der Späher basierend, einen Trupp zusammenstellen und der möglichen Durchführung eines Überfalls selbst beiwohnen. Die Ungors nickten und machten sich umgehend wieder auf den Weg voraus nach Norden.


    Merrhok sah wie seine Schädelräuber im Unterholz verschwanden und entschloss sich dazu, es ihnen gleichzutun. So lange der Alte noch beschäftigt wäre, wusste er sowieso nicht was er hier tun sollte. Mit anderen zu sprechen, war ihm noch immer nicht möglich. Mehr als ein paar Laute konnte er noch nicht artikulieren. Und so nahm er sich einen der Speere, von der Ladefläche des Wagens welcher Shargahs Habseligkeiten transportierte, sah das Säckchen in seiner Hand noch für einen Moment an und warf es dann zu dem restlichen Plunder auf dem Karren. Er schaute sich noch einmal nach dem Alten um und verschwand dann, seitlich des Pfades, im Dickicht.


    Unmittelbar war Merrhok von dichtem Grün umgeben und seine Sinne schärften sich, als er die kühle, frische Waldluft durch seine Nüstern einatmete. Seine Hufe huschten über den feuchten, mit Moosen und Gräsern bedeckten Waldboden und man hätte kaum glauben wollen, dass er vor kurzem noch in einer miserablen körperlichen Verfassung gewesen war. Seine Ohren spitzten sich und seine Nase versuchte jeden nur ansatzweise zu witternden Geruch aufzunehmen und zuzuordnen. Uralte Instinkte waren geweckt worden und für einen Moment vergaß der junge Häuptling, dass er als Späher hier war und nicht nur um zu jagen.


    Dann machten seine Ohren vorn links von ihm eine Bewegung aus. Sofort erstarrte er in seiner Bewegung, um genauer hinzuhören und sich selbst nicht zu verraten. Die feuchtigkeitsschwangere Luft trug ihm den markanten Duft eines Waldtieres zu, eines natürlichen Wesens. Merrhok beugte die Knie und versuchte sich lautlos zu nähern, um einen Blick zu riskieren. Nach einigen, wie in Zeitlupe geführten, Schritten sah er ihn durch die Farne und Gräser hindurch. Ein prächtiger Rehbock graste friedlich etwa 70 Fuß vor ihm. Noch hatte das Tier nichts bemerkt und die Jagdinstinkte des Gors gewannen den Kampf in seinem Unterbewusstsein. Die Haare an seinen Ohren sagten ihm, dass der Wind zwar nur schwach aber durchaus zu seinen Gunsten wehte. Er konnte selbst schwache Gerüche und Geräusche an Nasen und Ohren von Jäger und Beute tragen. Heute jedoch, wehte der Wind Merrhok entgegen und somit von der Beute weg.


    Er machte einen leichten Bogen um den Bock. So stellte er sicher, nicht aus Versehen in dessen Sichtfeld zu geraten. Dann war er in der idealen Position. Er schloss seine Hand fest um den Schaft des geschulterten Speers, Spitze nach vorn und pirschte sich erneut in aller Ruhe und mit bis aufs Äußerste geschärften Sinnen an das Tier heran. Dann kam er an eine Stelle, welche etwas lichter war und ihm genügend Raum gab, um sich frei zu bewegen. Er nahm Geschwindigkeit auf, holte Schwung und warf. Just in diesem Moment schreckte der Rehbock auf. Sein gesamter Körper stand mit einem Mal unter Spannung und er sackte erschrocken in sich zusammen. Dann gewann der Fluchtreflex die Kontrolle und er wollte davonjagen, doch es war bereits zu spät. Der Speer traf unterhalb seines Schulterblattes und durchbohrte den Bock mit tödlicher Kraft. Die Beine des Tieres gaben nach und er sackte, erst mit den Vorder- dann mit den Hinterläufen, zusammen. Merrhok atmete tief durch und starrte wie gebannt auf das sterbende Tier. Dann kam er zügig näher, sein Messer in der Hand.


    Als er über dem dahindämmernden Tier stand, welches noch flach atmete, sah Merrhok, dass der Rehbock von den Dunklen Mächten berührt worden war. Das Tier besaß ein drittes Auge, direkt auf der Stirn und gerade als der Gor sich anschicken wollte dem Tier die Kehle durchzuschneiden, zögerte er. Der Bock sah ihn an. Bis eben hatte er seine Beute nur als seelenloses Futter auf Beinen betrachtet, aber die Berührung durch das Chaos veränderte irgendwie alles. Er konnte sich nicht erklären warum. Es schien, als hätte er etwas entdeckt was sie miteinander verband. Schließlich überwand er diesen Gedanken, atmete tief durch und schnitt dem sterbenden Tier die Kehle durch. Es war unmittelbar vorbei und Merrhok hatte das Gefühl, dass es in diesem Moment das Richtige war. Das Einzige, was er für dem Rehbock hatte tun können. Dann drehte er das Tier zur Seite, öffnete es mit Hilfe seines Dolches unterhalb des Brustbeines und weidete es aus. Er fraß Herz und Leber auf der Stelle. Der Geschmack der Organe und des heißen Blutes jagten ihm Schauer über den Rücken und es war, als ob in ihm uralte Instinkte wachgerufen würden. Er hatte das Gefühl einen Teil der Persönlichkeit des Tieres in sich aufzunehmen, sie zu spüren. Es hatte etwas zutiefst zeremonielles und zudem sehr intimes.


    Dann zog Merrhok unter Einsatz großer Kraft den Speer aus der Flanke des Bockes, warf sich das schwere Tier über die Schulter und lief zurück in die Richtung, in der er den Herdenzug mittlerweile vermutete.

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    Kapitel 98 - Bewegung im Unterholz



    Als Merrhok zum Herdenzug zurückkehrte, waren die zwei Ungor Späher der Nachhut gerade damit beschäftigt Gurlak Bericht über ihre Beobachtungen zu erstatten. Dass sie noch mehr Norsen im Rücken und möglicherweise gar auf den Fersen hatten, galt also beinahe als sicher. Wie gut diese sich jedoch in diesem Teil des Waldes auskennen mochten, ob sie die Pfade der Jagdgründe kannten und somit die Herde womöglich umrunden und in der Front angreifen würden, das waren unweigerlich die nächsten Fragen, welche dem Häuptling durch seinen gehörnten Schädel geisterten. Er wies seine Krieger an äußerste Vorsicht walten zu lassen und unnötigen Lärm zu vermeiden. Sie sollten den Befehl weitergeben und wachsam bleiben. Daraufhin kehrten auch die beiden Späher auf ihren Posten zurück. Merrhok hatte alles mitbekommen, während er den toten Bock auf einem der Wagen ablud. Er fragte sich, ob es nicht vielleicht besser sei, sich schleunigst wieder den Schädelräubern in der Vorhut anzuschließen und die Augen offen zu halten. Dann machte er sich kurzentschlossen wieder auf den Weg.


    Er hatte bereits ein kleines Stück des Weges zurückgelegt, da schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. "Warte." Er wurde langsamer, zögerte. Bei den Worten, "Warte und nimm ihn mit", wurde Merrhok klar, dass die Stimme in seinem Kopf nicht die eigene war. Er blieb stehen. Stirnrunzelnd drehte er sich um und sah einen Gor auf sich zu laufen. Es war jener Behufte, den er bei Shargah hatten laufen sehen und jetzt war ihm auch klar, dass es sein Schamane war, der da in seinem Kopf herumgespukt hatte. Merrhok atmete hörbar aus. Nun gut. Wenn der Alte dachte, dass es besser sei diesen Gor mitzunehmen, so würde er es nicht lange hinterfragen. Seine Ratschläge hatten sich in der Vergangenheit früher oder später immer als gerechtfertigt herausgestellt und so wartete er bis der andere aufgeschlossen hatte. Dann liefen sie gemeinsam weiter. "Ich bin Brak", sagte der Gor mit der wuchtigen Axt und dem mitgenommen wirkenden Äußeren. Merrhok blieb stumm und lief zügig weiter.


    Andernorts musterte Runor die Reiter unter seinem Kommando. Dann wandte er sich an Ivar, welcher zwei Einheiten von Kriegern zu Fuß befehligte. Er ließ ihn wissen in welche Richtung sie sich durch den Wald kämmen sollten, um sich letztendlich mit Runors Reitern auf einer der Straßen im Norden zu vereinigen. Dort würden sie jene Bestien in einem Zweifrontenangriff stellen, welche es gewagt hatten seine Späher niederzumachen. Im Anschluss würden sie sich einer nahegelegenen Siedlung widmen. Aber das stand hinten an, bis die Angelegenheit mit den Tiermenschen erledigt wäre. Ivar nickte nur, gab kurz darauf Befehle und die mit Schilden und Handäxten bewaffneten Barbaren sickerten zügigen Schrittes ins Dickicht der Wälder ein.


    Die Bewegungen der Nordmänner blieben selbstverständlich nicht unbemerkt und so waren schon kurze Zeit nach deren Aufbruch mehrere Späher auf dem Rückweg zum Herdenzug, um dort Alarm zu schlagen. Drei der Ungors erreichten die Herde völlig außer Atem und erstatteten Gurlak Bericht. Schnell war klar, dass die Menschen vorhatten sein Gefolge in einer Zangenbewegung auseinanderzunehmen. Die von den Spähern genannten Zahlen, der auf dem Vormarsch befindlichen Feinde, ließen auf eine mehr als ernstzunehmende Bedrohung schließen und Gurlak musste nun handeln, bevor er dazu keine Gelegenheit mehr hätte.

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    Kapitel 99 - Der Plan



    <Wenn eine wilde Bestie droht sich in dir zu verbeißen, weiche nicht zurück. Versuch nicht deinen Arm aus ihrem Maul zu ziehen. Denn ihre Zähne sind dafür geschaffen dich zu zerfetzen. Du würdest unweigerlich Arm und Leben verlieren. Stattdessen solltest Du dem Tier deinen Arm tief in den Rachen treiben, um es an dem ersticken zu lassen, was es so sehr begehrt.>


    Gurlak erinnerte sich an diesen Rat, den ihm ein Schamane einst gab. Viele Monde hatten ihre Bahnen gezogen, seitdem ihm dies eingeflüstert worden war und doch hatte er es nie vergessen. Heute schien es geradezu so, als könne dieser Sinnspruch zur Lösung seiner Probleme beitragen. Wenn der Feind mit seiner Bewegung rechnete und ihn unter Berücksichtigung dieser zwischen Amboss und Hammer treiben wollte, dann blieb ihm nur das zu tun, was der Feind ganz und gar nicht ahnen oder gebrauchen konnte. Er musste den Hammer jetzt in seinem Fall stoppen, bevor er wirklich gefährlich werden konnte.


    Augenblicklich rief Gurlak seine Vertrauten zu sich und gab unmittelbar Befehle zur Umkehr. Sie würden nach Süden vorstoßen und die Reiter aufhalten. Einige wenige sollten direkt auf dem Pfad bleiben und den Feind blockieren, während weitere schnelle und bewegliche Einheiten durch das Unterholz kommen und den Feind einkreisen würden. Die Norsen sollten weder ihre Geschwindigkeit ausspielen können, noch eine Chance zum Rückzug haben. Die Falle müsste schnell, effizient und tödlich zuschnappen. Gurlak spürte wie das Blut in seinen Adern zu rauschen und zu kochen begann. Seine Sinne wurden schärfer. Auch seine Krieger kamen angesichts der bevorstehenden Kampfhandlungen in Rage und der starke Moschusgestank der Gors stieg ihm in die Nüstern. Ein Verlangen nach Blut überkam ihn... rotem, warmem Menschenblut.


    Gurlak ließ Streitwagen auf dem Pfad in Stellung gehen. Sie nahmen beinahe die gesamte Breite bis zu den Baumreihen auf beiden Seiten ein. An den kruden Rädern angebrachte Sensenklingen ragten bedrohlich nach Links und Rechts. Wer den Wagen ausweichen wollte, müsste einen Weg um sie herum finden und würde somit ins Dickicht ausweichen müssen oder sich unweigerlich vor der Blockade aus Gepäckkarren und anderem aufgetürmten Unrat wiederfinden. Im Unterholz schwärmten Gors und Ungors in einer weiten Zangenbewegung aus. Dabei gaben sie Acht darauf, nicht den Weg der Barbaren zu kreuzen, deren Vormarsch ihnen östlich des Pfades gemeldet worden war. Der Großteil der Ungors war mit Speeren bewaffnet, um die feindliche Reiterei effektiv bekämpfen zu können. Bogenschützen würden jene unter Beschuss nehmen, welche versuchen mochten auf Distanz zu bleiben oder zu flüchten. Keiner der Nordmänner sollte lebend aus dem Kessel entweichen. Und so warteten sie ungeduldig, verborgen im Dickicht und hinter Bäumen, bis der Klang der Hörner ihrer Brüder sie rufen würde, um endlich blutiges Mordwerk zu verrichten.


    Ivars Männer waren zügig unterwegs. Sie hatten einen relativ langen Marsch zurückzulegen, um zur rechten Zeit auf der Straße im Norden einzutreffen. Ihr einziger Vorteil war, dass sie selbst keinen Umweg in Kauf nehmen müssten und sich zu Fuß rasch durch das dicht bewachsene Unterholz bewegen konnten. Die Reiter hätten hingegen nicht die Möglichkeit, sich auf diese Art durch die unwegsamen Wälder zu bewegen. Sie waren auf den verborgenen Bestien Pfad angewiesen – welchen Runor noch von früheren Expeditionen sehr gut kannte – und würden auf diesem einen Bogen nach Westen und dann wieder nach Nordosten reiten. Die Fußtruppen hingegen, konnten mehr oder minder den direkten Weg nach Norden einschlagen, um ihr Ziel zu erreichen und unter schwerem Atem sehnten sie sich bereits dem Gemetzel im Namen ihrer Götter entgegen.


    Runor wusste aus Erfahrung, dass er nicht allzu schnell auf dem Pfad reiten durfte. Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen war der geheime Pfad bei Weitem nicht so sicher und befestigt wie ein von Menschen angelegter Weg oder gar eine Straße. Die Gefahr für Verletzungen unter den Reittieren wäre relativ groß, da der Pfad eher einer Art Tunnel inmitten der Bäume glich, als einer Schneise. Das Risiko, welches ein donnernder Ritt mit sich brächte, würde er ausschließlich kurz vor dem Zusammenprall eingehen. Des Weiteren wollte er keinen unnötigen Lärm erzeugen. Seine Streitmacht war nicht groß genug um sich leisten zu können, dass man seine Krieger weithin hören könnte, während sie selbst einen lauernden Gegner allzu leicht übersehen mochten. Zu guter Letzt durften sie nicht auf der Straße im Norden eintreffen bevor Ivar dort tatsächlich in Stellung gegangen wäre um die Bestien auch entsprechend in Empfang zu nehmen. Um seinen Plan also effektiv umzusetzen, musste er sich und seine Männer genauso zügeln wie die Pferde, welche sie in die Schlacht tragen würden. Die Zeit für Wut und eine rasende Attacke war noch nicht gekommen. Aber bald schon würden sie blutige Rache für den Tod ihrer Stammesbrüder nehmen.

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    Kapitel 100 - Hinterhalt



    Hinter den Überresten eines vom Blitz gefällten Baumes verbarg sich Ghorhok, mit Blick auf den Bestien Pfad. Sein Puls raste bei dem Geruch der Pferde und in ihm wuchs das Verlangen, dem Drang nachzugeben und auf die Reiter loszustürmen, welche da den Weg nach Norden hinaufritten. Aber es war noch nicht an der Zeit. Sie mussten sicher gehen, alle Feinde restlos einzukesseln, um sie dann zu zerquetschen, wie Maden unter ihren Hufen. Die Reiter schienen es nicht allzu eilig zu haben. Zumindest ritten sie nicht im Galopp und durchkämmten stattdessen mit Argusaugen das Unterholz nach Anzeichen, welche auf ihre Feinde hindeuten könnten. Aber dies war nicht ihr Reich. Ghorhok würde ihnen zeigen wer hier herrschte und dann würde er sie mit Blut bezahlen lassen. Noch während er darüber nachdachte was er mit ihnen anstellen würde, riss das Geräusch trappelnder Hufe plötzlich ab. Der Bronzehuf runzelte die Stirn und blickte vorsichtig zwischen zwei Ästen hindurch über den Rand des Baumstammes. Sie hatten angehalten. Entweder lasen sie Spuren oder sie mochten etwas bemerkt haben. Noch war alles ruhig und Ghorhok schaute hinüber zu einigen der Späher, welche wie er im Unterholz verborgen lagen. Aus Richtung Süden nickten sich die Gors und Ungors der Reihe nach zu, bis einer von ihnen Augenkontakt mit dem Bronzehuf aufnahm und auch ihm zunickte. Es war also soweit. Die Späher an den südlichsten Ausläufern mussten sich wohl sicher sein, dass die letzten Reiter ihre Stellung passiert hatten. Gerade als Ghorhok sich fragte worauf sie noch warteten, kam wieder Bewegung in die Pferdemänner auf dem Pfad und sie schienen sich neu zu formieren. Ghorhok betrachtete ihr Treiben aus zusammengekniffenen Augen und mahnte sich zur inneren Ruhe, als plötzlich die Hörner aus dem Süden ertönten.


    Augenblicklich folgten unzählige Kriegsschreie und wildes Heulen aus allen Richtungen und die Pferde begannen zu scheuen. Wie auf Kommando erhoben sich die Behuften aus ihrer Deckung und preschten auf den Pfad und die Reiter zu. Pfeile flogen aus dem Dickicht und die Barbaren versuchten vereinzelt mit geschleuderten Äxten zu antworten. Einige ihrer Gruppenführer brüllen Befehle und versuchten ihre Reiter in Formation zu bekommen. Auf dem schmalen Pfad gab es kein Ausweichen für sie und sie konnten ihre Geschwindigkeit nicht ins Spiel bringen. Also preschten sie entweder nach Norden oder nach Süden den Weg entlang, um der Todesfalle zu entkommen. Im Norden traf Runor jedoch auf einige der Streitwagen und letztendlich die Blockade, welche von Gurlak und seinen Gors gehalten wurde. Im Süden warfen sich den Reitern unzählige mit Speeren bewaffnete Gors und Ungors entgegen und brachten deren Ausweichbewegung zum Stehen. Der Zusammenprall war mörderisch und viele der Reiter und Pferde wurden von den kruden Speeren der wilden Bestien durchbohrt, während sie im Gegenzug die ersten Reihen der Behuften niedertrampelten. Schließlich kam die Bewegung der Barbaren aber zum Erliegen und sie sahen sich einer Überzahl an ziegen- und ochsenköpfigen Gegnern gegenüber, welche in unbändiger Wildheit und unter grausamem Geheul auf sie einstürmten.


    Ghorhok sprang über das am Boden liegende Geäst und Geröll auf dem Pfad zu, um endlich das Blut dieser Pferdemänner zu kosten. Sie hatten sich genau auf seiner Position am Weg getrennt und er musste ihnen nun entweder nach Norden oder Süden folgen. Kurzerhand entschloss er sich für den Süden. Denn sie sollten ihm in der Tat nicht entkommen und er würde das Seine tun, um einen Ausbruch aus dem Kessel zu unterbinden. Danach könnte er noch immer nach Norden ziehen, um den Rest der Barbaren zu fressen und sich mit den Überlebenden wieder der Herde anzuschließen.


    Der Bronzehuf hetzte mit großen Schritten auf einen Reiter zu, welcher ihm den Rücken zugewandt hatte und gerade noch so eine Wurfaxt nach dem gehörnten Brecher schleudern konnte, bevor dieser ihm das Blatt seines schweren Beils in den Rücken treiben konnte. Nachdem Ghorhok das Wurfgeschoss abgeleitet hatte, biss seine Klinge tief. Der Kurgan schrie vor Schmerzen. Dann riss der Bronzehuf die Axt wieder aus der Wunde und führte einen wuchtigen Hieb von oben, welcher dem Kurgan das Bein beinahe komplett abtrennte, die Flanke des scheuenden Pferdes öffnete und das Tier zu Fall brachte. Sein Reiter wurde unter dem sterbenden Tier begraben. Ghorhok brüllte in wilder Befriedigung und seine Augen verrieten Freude, über das Gemetzel. Er zögerte nicht unnötig und hieb in weit ausholender Bewegung auf den nächsten Feind ein. Innerhalb kürzester Zeit war der Wald erfüllt von den Schreien sterbender und tobender Männer, Bestien und Pferde.

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    Kapitel 101 - Alphatier



    Runor preschte, dicht gefolgt von seinen Untergebenen, auf dem Pfad in Richtung Norden. Die Speere im Anschlag, machten sie sich bereit jeden Moment umringt zu sein und in die Feinde hineinzuschmettern, während von Links und Rechts unablässig Pfeile aus den Wäldern her um sie schwirrten. Die Gors brüllten angsteinflößend und die Pferde jagten umso bereitwilliger vorwärts. Die Reiter hielten ihre Schilde hoch und die Köpfe niedrig, während sie ihrerseits wilde Kampfschreie ertönen ließen, um die eigene Moral hochzuhalten und dem Gegner zu zeigen, dass sie bereit waren den Tod zu nehmen und auch zu geben. Durch die Sichtschlitze seines Helmes sah Runor Gorblatsson die Streitwagen auf sich zurollen. Sie wurden gezogen von wütenden, wildschweinartigen Bestien, deren Hörner einen Stier vor Neid erblassen lassen würden. Er ließ einen warnenden Ruf an seine Männer erschallen. Einer von ihnen blies das Horn und sie suchten nach Lücken und Wegen im dichten Unterholz. Die Distanz zu den Wagen verringerte sich rasend schnell und die meisten Reiter suchten ihr Heil links und rechts des Pfades, indem sie zwischen den Bäumen und Büschen hindurchpreschten. Die Streitwagen schmetterten dennoch in einige der unglücklichen Kurgan und ihre Pferde hinein. Die Tuskgors brachen ihnen die Knochen, spießten sie auf und trampelten sie nieder als wären sie Puppen. Jene, welche ausweichen konnten und nicht den Streitwagen zum Opfer fielen, wurden von allen Seiten bedrängt. Viele der Pferde stürzten im unwegsamen Gelände. Die Nordmänner kämpften verzweifelt und unerbittlich.


    Gorblatsson gab seinem Ross die Sporen und ritt wieder auf den Pfad zurück, nachdem die grobschlächtigen Streitwagen ihn passiert hatten. Vor sich sah er nun die, aus Gepäckwagen errichtete, Blockade. Er spornte seinen Hengst erneut an und sie sprangen in hohem Bogen über einen der Karren. Die dahinter wartenden Ungors stoben auseinander, um nicht von dem mächtigen Reittier niedergetrampelt zu werden. Runor schleuderte seinen Speer, durchbohrte so einen der flüchtenden Tiermenschen und ließ seinen mächtigen Kriegsschrei erklingen, während er seine Axt bereitmachte. Augenblicklich stürmten wutentbrannte, ziegenköpfige Gors auf ihn ein und versuchten das Pferd zu Fall zu bringen. Aber das Tier war gut abgerichtet und trat wild um sich, während sein Reiter zweien seiner Angreifer die gehörnten Schädel einschlug. Runors Männer waren überall verteil. Ein paar waren vor der Palisade zum Stehen gekommen, der Rest kämpfte in den Wäldern. In absolutem Chaos und umringt von Feinden gaben sie alles, um die gehörnten Angreifer den Stahl ihrer Speerspitzen und Äxte kosten zu lassen. Die Verluste beider Seiten waren ausgesprochen hoch, aber noch blieben die Krieger standhaft. Runor machte sogar Anstalten wieder über den quergestellten Karren zurückzuspringen, um sich nicht vom Feind festsetzen zu lassen und – wenn möglich – sogar einen erneuten Angriff zu reiten. Gurlak sah was der graubärtige Nordmann vorhatte und war entschlossen ihn nicht gewähren zu lassen. Ihm als Anführer der Herde stand es zu, den Häuptling der verfeindeten Herde herauszufordern und zu besiegen. Der Verderbte stampfte also schnellen Schrittes auf den Kurgan zu und ließ ein markerschütterndes Brüllen ertönen, wie kaum eine Bestie es sonst zustande brächte.


    Runor sah einen massigen Gor mit besonders gewaltigen Hörnern auf sich zu stürmen. Andere Bestien gingen ihm aus dem Weg und so war ihm schnell klar, dass dies einer der Anführer sein müsste. Ihn zu erschlagen könnte das Blatt in diesem Gemetzel mit einem Schlag wenden. Umringt von Feinden und angesichts der Tatsache, dass dieser Hüne sein Pferd wohl in kürzester Zeit in Stücke hacken würde, saß Gorblatsson ab und machte sich bereit für den ersten Schlag. Gurlak brüllte erneut und führte eine Serie schneller kraftvoller Hiebe mit seinen Handbeilen. Runor war erfahren genug sich der Wucht dieser Attacken nicht direkt entgegenzustellen, sondern sie so gut wie möglich mittels seines Schildes abzuleiten und den Großteil der übertragenen Kraft ins Nichts laufen zu lassen. Ein Versuch die Hiebe der Bestie zu blocken würde ihn schnell seinen Schild kosten und bald darauf wohl auch sein Leben. Gorblatsson war nicht so alt geworden, weil er sich leichtfertig zu solcherlei Torheiten hinreißen ließ. Er ließ die ersten Angriffe des Gors über sich ergehen und wich geschickt aus. Dann parierte er einen weiteren Axthieb und konterte schließlich. Der Gehörnte war schnell! Beinahe hätte er dem Kurgan mit einer Drehbewegung aus dem Handgelenk die Axt entwunden. Die Klingen hatten sich bereits verhakt und Runor konnte gerade noch verhindern, dass seine Waffe dem Griff seiner Hand entglitt. Noch einmal durfte ihm dies nicht passieren. Er musste es schnell hinter sich bringen. Als der Gehörnte für einen kurzen Moment zögerte, setze Gorblatsson zu einen Schildstoß an, welchem er einen schweren Axthieb und einen erneuten Stoß mit der metallbeschlagenen Kante des Rundschildes folgen ließ. Gurlak wehrte die Attacken mit Mühe ab. Wäre er in alter Form gewesen, hätte er keine Probleme gehabt. Aber sein Körper meldete noch immer Alarmsignale aus Richtung seiner Brust. Ein tiefes, schmerzhaftes Stechen ließ den Häuptling für einen Moment glauben, dass seine Lunge gerissen sei. Aber der darauf folgende Atemzug belehrte ihn zum Glück eines Besseren. Dennoch durfte er keine Zeit verlieren. Er würde seine Kraft noch brauchen. Sei es, um sich weiterer Nordmänner zu erwehren oder ganz und gar anderer Bedrohungen. Im Moment gab es keinen Mangel an Herausforderern.


    Gurlak tat einen kurzen, kräftigen Schrei und hieb gezielt auf den Schild ein. Mit direkten Treffern wollte er die Hand seines Gegners betäuben und mit der anderen Axt daran reißen. Dieses Unterfangen war kräfteraubend und Gurlak atmete bereits schwer durch das offene Maul. Schweiß rann ihm über den Rücken und die Flanken. Dann preschte er auf den Nordmann ein, um ihn mit dem Rücken zum Karren endgültig festzusetzen und kurzen Prozess zu machen.


    Auch Gorblatsson begann die Erschöpfung mehr als deutlich zu fühlen. Ein weniger kräftiger Mann wäre unter den Hieben der Bestie bereits zu Boden gegangen. Seine Schildhand war bereits ganz taub. Unter seinem Helm spürte er, wie ihm der Schweiß an Stirn und Schläfen hinunterlief und sich im Bart und an der Unterlippe sammelte. Sein Blick war eisern und entschlossen. Er war gewillt diesen monströsen Bock zur Strecke zu bringen. Die Frage war nur, ob er es auch könnte.

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    Kapitel 102 - Vereinte Kräfte



    Merrhok und Bratak waren noch nicht allzu weit gekommen, als sie die Hörner ihrer Herden vernahmen. Sie blickten sich wortlos an und rannten so schnell sie ihre Bocksbeine trugen wieder gen Süden. Schon nach kurzer Zeit waren sie außer Atem, hörten aber bereits Kampfgeräusche und Schreie aus dem Unterholz hallen. Sie mobilisierten noch einmal all ihre Kräfte und jagten wie die Pfeile den Bestien Pfad hinunter. Ihre Lungen brannten und sie glaubten den Geschmack von Blut wahrzunehmen. Angefacht von unbändiger Kampfeslust und Vorfreude auf das Gemetzel ignorierten sie ihre Erschöpfung und rannten weiter, wie der Wind.


    Die Axt wog schwer wie nie in Runors Hand. Sein Schild war gebrochen und wurde nur noch von seiner metallenen Fassung zusammengehalten. Beide Kontrahenten atmeten schwer. Um sie herum tobte noch immer der Kampf. Nur wenige der Behuften waren nicht direkt am Gemetzel beteiligt und feuerten ihren Häuptling an, den Nordmann doch endlich zu zerreißen. Auch Bratak war unter jenen Gors und er spürte, dass sein Herr am Ende seiner Kräfte angekommen war. Es wäre nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn Gurlak in diesem Kampf unterliegen würde.


    Gerade als Bratak einen Zauber wirken wollte, wurden die Gors aus dem Wald heraus angegriffen. Einige der Reiter hatten sich durch das Unterholz geschlagen und so ihren Weg um die Blockade herum gefunden. Die Attacke kam schnell und hart. Sofort brach Chaos aus. Einige rannten, andere kämpften unerbittlich. Bratak war genötigt erst seine eigene Haut zu retten, bevor er sich wieder um Gurlak sorgen könnte. Mit einer ausladenden Bewegung seines Schamanenstabes und einem Lichtblitz hielt er eines der Pferde davon ab ihn niederzutrampeln. Das Tier bäumte sich auf und sein Reiter wäre um ein Haar aus dem Sattel gefallen. Aber so leicht waren die Reiter des Nordens nicht zu bezwingen. Er bekam sein Ross wieder unter Kontrolle und setzte dem Schamanen nach. Bratak musste sich zurückziehen. Für einen offenen Kampf war er nicht geschaffen. Einige der Gors schoben sich zwischen ihn und die Reiter. So konnte er im Dickicht der anderen Waldseite untertauchen.


    Nördlich der Blockade waren die Kurgan gerade dabei die Oberhand zu gewinnen, da schmetterte Merrhok mit vollem Tempo in einen der Reiter hinein. Er sprang Pferd und Reiter geradezu aus dem Lauf heraus an und trieb die Klingen seiner Schwerter tief in das Fleisch von Tier und Mensch. Dabei hatte er so viel Schwung aufgebaut, dass er den verstümmelten Kurgan aus dem Sattel warf und selbst geradezu über das scheuende, wankende Pferd hinwegstieg. Dicht hinter ihm folgte Brak, welcher mit einem weit ausholenden Hieb seiner Streitaxt das Pferd fällte und es wie im Rausch in Stücke hackte. Die unerwartete Gewaltexplosion aus der neu geschaffenen Flanke traf die Nordmänner unvorbereitet und sie taten ihr Bestes, ihre Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.


    Als Brak seine Mordlust an dem einst mächtigen, schwarzen Reittier befriedigt hatte, schweifte sein Blick umher, auf der Suche nach einem neuen Ziel. Er sah Merrhok, welcher unter den Pferdemännern wütete und die Situation relativ gut im Griff zu haben schien. Weiter Links sah er jedoch, wie Gurlak im Kampf mit einem riesigen, graubärtigen, über und über tätowierten Kurgan seine liebe Not damit hatte, nicht die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Beide Kontrahenten bluteten aus zahlreichen, mehr oder weniger tiefen Wunden. Sie atmeten schwer und belauerten einander wie wilde Tiere. Ihre Hiebe waren bereits schwerfällig und der Gegner sah sie leicht kommen. Gurlak lief bereits Speichel aus dem offenen Maul. Er stöhnte bei jedem Hieb und jeder Parade. Als Brak dies sah, überkam ihn blanke Wut. Ein bläulich weißes Licht flammte in seinen Augen auf. Weißer Qualm drang aus seinen Nüstern und dem Stumpf seines abgeschlagenen Horns. Es war nicht so, als ob Brak die Kontrolle über das gehabt hätte was nun geschah. Ein passierte einfach, rein intuitiv.


    Gurlaks Augen wurden von einem unheimlichen Glühen erfüllt, seine Muskeln spannten sich an und schienen zu wachsen. Die Körperbehaarung des Caprigors begann auf einmal mit übernatürlicher Geschwindigkeit zu sprießen. Er ließ einen unheimlichen, kräftigen Schrei los und stürmte auf den Kurgan Häuptling ein. Seine rechte Axt sank tief in den zersplitterten Schild und blieb darin stecken. Er zog kräftig daran und Gorblatsson verlor unweigerlich seinen festen Stand. Dann fuhr die Linke Axt auf den Nordmann ein und zerschmetterte den Schild mit einem brachialen knacken. Runor biss die Zähne zusammen und spürte wie sein Arm brach. Er setzte zu einem verzweifelten Hieb mit seiner Rechten an, doch Gurlak war schneller. Die flache Seite der linken Axt des Bestien Herrschers schnellte nach oben und traf den Kurgan am Kinn. Gorblatssons Helm flog davon und sein ersterbender Axthieb wurde von Gurlak abgewehrt. Der Nordmann taumelte zurück. Gurlak brüllte ihm erneut entgegen und Speicheltropfen flogen dem benommenen Runor in Gesicht und Barthaare. Blut lief ihm aus dem Mund und er hatte schwarze Flecken vor Augen. Dann ließ der rasende Gor plötzlich seine Äxte fallen und lief auf den Stammeshäuptling zu. Er packte ihn mit seinen massigen Pranken und hob den Berg von einem Mann in die Luft als wäre es nichts. Gorblatsson war nicht in der Lage zu reagieren. Er konnte die Bestie nicht einmal kommen sehen. Dann wurde er von Gurlak zu Boden geschleudert und der Gor begann wie ein Besessener unter wildem Heulen und Brüllen auf den am Boden Liegenden einzutreten. Die schweren Huftritte brachen Kochen und ließen Haut platzen. Gurlak tobte wie von Sinnen und am Ende war von Runor Gorblatsson nicht mehr übrig, als ein blutiger Haufen zertrampeltem Fleisches und zersplitterter Knochen. Der schwer schnaufende Tiermenschen Häuptling stand in den Überresten seines Herausforderers und das Glühen in seinen Augen begann zu verblassen.

  • Also ich glaub, ich möchte Merrhok (dem Autor) nicht im Dunkeln begegnen! :/:D
    Die Kampfszenen sind sehr gut geschrieben und können mit Leichtigkeit Bilder vor meinem inneren Auge erschaffen. ... Aber nicht immer sind diese auch erwünscht. :D
    Bleib dran und erfreue und erschrecke uns weiter mir den Ausgeburten deiner Fantasie!


    Das also sind diese Tage, an denen man zuhause sitzt, Bier direkt aus der kaputten Kaffeemaschine trinkt und wartet, dass es regnet, damit man endlich raus kann. - Horst Evers

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    Kapitel 103 - Blutzoll



    Brak fühlte sich vom einen Moment auf den anderen ausgelaugt. Eben hatte er sich noch vorgestellt, wie er seine Kraft und Wut auf Gurlak übertragen würde und im nächsten Moment sah er zu, wie der Häuptling seinen Gegner wie im Wahn niedermähte. Es war, als wären seine Gedanken real geworden. Beinahe wie ein Wunder. Die verbleibenden Nordmänner versuchten sich der Angriffe der wütenden Tiermenschen zu erwehren und in die Wälder zu flüchten. Aber die Behuften ließen ihnen keine Chance. Brak fühlte eine Hand auf seiner Schulter und sah den bleichen Schamanen seines Herrn, wie er ihn aus dem Getümmel fortgeleiten wollte. Brak folgte ihm, während um sie herum die letzten Reiter von ihren Rössern gezogen und in Stücke gerissen wurden. Jene, welche ihr Heil im Unterholz suchten, wurden mit Pfeilen eingedeckt und sahen sich mit Spähern konfrontiert, welche sie aus dem Nichts heraus angriffen und niedermachten.


    Weiter südlich tobte noch immer der Kampf. Ghorhok badete hier geradezu im Blut seiner Feinde. Seine Rufe verrieten unbändige Freude und waren ein kakophonischer Gesang an die Dunklen Erschaffer. Angesteckt vom bestialischen Benehmen des Häuptlings, führten die Gors und Ungors einen Tanz des Todes auf, in dem Nordmänner und Behufte gleichermaßen niedergemetzelt wurden, ohne dass auch nur der schwächste Ungor darüber mit der Wimper gezuckt hätte. Sie waren wie im Rausch und spürten weder Angst noch Gnade. Es gab kein Zögern und so schlachteten sie in dieser exzessiven Orgie auch den letzten Norsen ab. Sie verschlangen Reiter und Tiere in großen blutigen Stücken, rissen Fleisch von den Knochen, nagten mit ihren Raubtierfängen und leckten mit langen Zungen nach dem Blut von Freund und Feind. Als keiner der Menschen mehr am Leben war und die Behuften an den umherliegenden Leichen fraßen, schnitt Ghorhok sich unter gutturalem Brüllen erneut lange Schnitte in die Haut seiner Brust und Oberarme. Dabei durchfuhr ihn ein Schauer von Agonie und Lust. Er widmete seine Opfer und seine Schandtaten dem Dunklen Prinzen und sein bestialisches Lachen war weithin zu hören.


    Keiner der Nordmänner war mit dem Leben davongekommen. Aber auch auf Seiten der Herde hatte es herbe Verluste gegeben. Als Gurlak wieder bei Sinnen war, versuchte er sich einen Überblick zu verschaffen, ob sie es mit den im Norden lauernden Barbaren aufnehmen könnten. Wenn die von den Spähern übermittelten Zahlen der Feinde stimmen sollten, würde dies jedoch eine brenzlige Angelegenheit werden. Zügig wurden alle Mitglieder der Herde wieder versammelt. Die Feinde mochten das Tönen der Kriegshörner ebenso vernommen haben wie Merrhok und Brak. Und wenn dem so wäre, mussten die Behuften jederzeit damit rechnen angegriffen zu werden. Denn die Kurgan würden ihre Brüder nicht allein kämpfen und sterben lassen. So viel hatten sie wohl untereinander gemein.


    Gurlak befahl seinen Kriegern sich wieder dem Pfad in Richtung Norden zuzuwenden und verteilte die restlichen Späher im nordöstlichen Teil des Waldes. Die Barbaren konnten schließlich genauso gut durch das Unterholz kommen und so wäre man rechtzeitig vorgewarnt, um reagieren zu können. Mit besorgten Blicken stellte Gurlak fest, dass die Herde stark geschrumpft war. Er hatte zwar noch immer mächtige Krieger in seinen Reihen, aber wenn sie nicht bald wieder Zuwachs durch neue Herden oder Kriegsbanden bekämen, sähe ihre Zukunft recht bald äußerst düster aus. Er musste sich umgehend mit den Schamanen beraten und den Versammlungsplatz ansteuern, von dem sie ihm berichtet hatten. Ein Blutzoll, wie ihn seine Herden hatten zahlen müssen, würde sich nur unter dem Herdenstein wieder ausgleichen lassen.

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    Kapitel 104 - Plan B



    Ivar hatte ein äußerst ungutes Bauchgefühl. Keine Angst, nur die Ahnung – nein Gewissheit – dass hier etwas gewaltig schief lief. Die Tatsache, dass sie den Klang von Kriegshörnern vernahmen ohne in Kampfhandlungen verstrickt zu sein, konnte nur bedeuten, dass ihre Stammesbrüder aller Wahrscheinlichkeit nach in Schwierigkeiten wären. Der Plan sah schließlich vor, dass sie ihre Gegner erst auf der Straße stellen würden. Aber zum einen waren sie noch nicht einmal auf der Straße im Norden angelangt und zum anderen kamen die Signale aus dem Süden. Da Gorblatsson nie eine direkte Konfrontation außerhalb des Planes gesucht hätte, konnte dies nur bedeuten, dass die Bestien kehrt gemacht und die Reiterei der Kurgan unmittelbar gestellt haben mussten. Was die Tiermenschen jedoch zu solch einer Kehrtwende veranlasst haben könnte, entzog sich seiner Kenntnis und Vorstellungskraft. Es nutzte auch nichts. Was geschehen wäre, wäre geschehen und sie würden auf der Stelle umkehren müssen, um ihren Brüdern zu Hilfe zu kommen. "Mögen die Götter mit ihnen sein", murmelte er in seinen Bart, bevor er seinen Männern den Befehl zur Umkehr gab und sie mit harschen Worten zur Eile antrieb.


    Der Kampflärm erstarb und Ivars Männer hatten noch keinen Kontakt zum Feind. Sie schwärmten in einem breiten Fächer aus, um zu verhindern, dass sie den Gegner in seinem Vormarsch nach Norden verpassen würden oder er absichtlich an ihnen vorbeischlüpfen würde. Was das anging, schätzte Ivar die Situation genau richtig ein. Denn sie befanden sich in einem Waldstück, welches südlich der Imperialen Straße gelegen war und um das sich der Bestien Pfad im Süden, Südwesten und Westen herumwand, um dann wieder nach Nordosten zu führen und die Imperiale Straße zu kreuzen. Sie liefen also Gefahr nach Süden auf den Pfad vorzustoßen und die Tiermenschen zu verpassen, welche sich bereits im Westen um sie herumbewegen könnten. Aber Ivar hatte dieses Szenario vor Augen und ließ seine Krieger in breiter Formation vorrücken. Dies würde zwar ihre lokale Schlagkraft ausdünnen, aber zum einen verhinderten sie so, dass sie den Gegner verpassten und zum anderen würden sie nicht unerwartet eingekreist werden, wie es möglicherweise der Fall gewesen wäre, wenn sie einfach auf dem Pfad gen Süden marschiert wären.


    Der Geruchssinn einiger der Ungors Späher schlug an, noch bevor sie den Gegner sahen. Dann hörten sie sie. Unverzüglich bewegten sich die Fährtenleser aus den Wäldern nordöstlich des Bestien Pfades zurück zum Herdenzug und erstatteten ihrem Herrn Bericht. Gurlak reagierte augenblicklich. Er ließ seine Krieger und alles was dem Pfad verlassen konnte in den Wald im Südwesten einsickern. Dort wären sie in besserer Deckung als auf dem Pfad selbst. So ließen die Behuften die Gepäckkarren stehen und lenkten Streitwagen, Tuskgors sowie andere Zug- und Nutztiere in Richtung des Unterholzes.


    Als die Nordmänner aus dem Dickicht auf den Pfad stießen, bot sich ihnen ein abscheulicher Anblick. Überall zwischen den verlassenen Karren waren erschlagene und zerstückelte Leichen verstreut. Einige von ihnen waren zu großen Teilen oder wenigsten stellenweise abgenagt worden. Die Kadaver einst wunderschöner, stolzer Hengste lagen in Stücke gerissen in der Gegend herum. Fliegen begannen sich in Schwärmen auf den entstellten Körpern breitzumachen. Die Nordmänner zögerten. Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatten, warteten sie auf Befehle. Ivar grübelte. Waren die Bestien nach Süden auf dem Pfad zurückgegangen? Waren sie auf der anderen Seite des Pfades im Wald untergetaucht? Oder hatten sie es doch geschafft, auf dem Weg nach Norden um seine Männer herum zu schlüpfen? Die Tatsache, dass sie schweres Gepäck und unnötigen Ballast zurückgelassen hatten, sprach für eine der letzten beiden Optionen. Als seine Männer auch vom Pfad her zu ihm stießen, beschloss er auch das letzte Szenario auszuschließen. Sie mussten ganz in der Nähe sein. Er ließ seinen eisernen Blick, aus unergründlichen schwarzen Augen, umherschweifen und versuchte verdächtige Bewegungen im Waldstück vor sich auszumachen. Möglicherweise beobachteten diese Bestien ihn sogar in diesem Moment.

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    Kapitel 105 - Schwere Entscheidung



    Ivar versuchte einzuschätzen mit wie vielen Feinden er es wohl zu tun hätte. Er hatte schließlich nicht vor den Waldabschnitt im Südwesten zu betreten, um sich von einer Übermacht von Bestien umzingelt zu sehen. Die Anzahl der zurückgelassenen Wagen auf dem Weg ließ keine allzu große Streitmacht vermuten. Allerdings war der Verbiss an den Leichen doch erheblich. Er wollte die Tiermenschen nicht unterschätzen und dafür mit seinem Leben bezahlen. Einige seiner Männer begannen nach Spuren zu suchen und fanden sowohl Huf- als auch Radspuren, welche ins Unterholz vor ihnen führten. Also mochten doch mehr von diesen blutrünstigen Biestern im Wald vor ihnen lauern, als die paar Karren hier auf dem Pfad vermuten ließen. Das Schlimmste dabei war, sie schienen zu wissen, dass er kommen würde und genauso sicher war er sich über die Tatsache, dass sie wüssten, dass er in diesem Moment hier war. Erneut ergriff das ungute Bauchgefühl Besitz von dem Barbaren Häuptling. Ohne ein Wort zu verlieren stierte er in das unergründliche Dunkel der Wälder vor sich. Nur die Frage eines seiner Männer, was nun zu tun sei, riss ihn aus seinen Gedanken.


    Wachsame Augen aus den Schatten der Bäume beobachteten die Nordmänner, wie sie auf dem Pfad Halt machten und nach Spuren suchten. Lautlos gaben sich die Behuften Handzeichen und ließen die Ungor Späher so schnell und leise wie möglich einen Bogen um die versammelten Menschen ziehen. Wenn es hier zu einem Kampf käme, würden die Bogenschützen ihnen im Rücken mit ihren Pfeilen zusetzen. Dafür mussten sie jedoch den Pfad nordwestlich und südöstlich dieser Position unbemerkt überschreiten. Der Großteil des Bestien Pfades lag unter einem dichten Blätterdach und wäre mit bloßem Auge kaum als ein solcher auszumachen gewesen, von einem befestigten Weg gar nicht erst zu sprechen. So mussten die Späher lediglich Distanz zu den Menschen wahren und die Gunst der Schatten nutzen, um unentdeckt zu bleiben. Nach all den Kampfhandlungen waren nicht mehr viele der Ungors übrig geblieben, aber ihre Rolle in einem Kampf wie diesem wäre dennoch nicht zu unterschätzen. Verwirrung und das Ausdünnen des Gegners auf die Distanz konnten bei Kämpfern, welche auf ihre Formation vertrauten, wie diesen Norsen, den entscheidenden Unterschied zwischen Sieg oder Niederlage ausmachen.


    Gurlak sah, dass die Nordmänner bereits zusammengerückt waren. Wenn sie erst einen soliden Schildwall bilden würden, wäre es ungleich schwerer sie zu zerschlagen. Er bevorzugte also, dass sie sich auf sein Territorium bewegen würden. Hier im Wald hätten seine Behuften die Oberhand. Eine dichte Formation wäre im Unterholz kaum möglich und keinesfalls mobil. Wenn er also die Wahl hätte, dann würde er sie kommen lassen. Nur wusste er, dass seine Krieger trotz ihrer Unterzahl schwer davon zu überzeugen wären allzu lange tatenlos in der Deckung zu liegen, während da draußen die Chance auf eine Schlacht wartete. Somit befand er sich wieder in einer Zwickmühle. Besäße er noch die Autorität eines Großhäuptlings, hätte es keinerlei Zweifel an seinem Befehl gegeben. Aber in einer Situation wie der seinen, welche nach einer Klärung durch rohe Gewalt und der Führung durch einen unangefochtenen, unbesiegten Herrscher schrie, gestaltete es sich ungleich schwieriger die richtige taktische Entscheidung auch ausnahmslos durchzusetzen. Er konnte die Unruhe unter den Gors spüren. Einige von ihnen wären gern Hals über Kopf auf die Menschen losgestürmt, um sie in Stücke zu reißen. Jedoch bezweifelte Gurlak, dass die Reste seiner Herde die notwendige Durchschlagskraft hätte, um dies auch zu bewerkstelligen, ohne dabei selbst aufgerieben und vernichtet zu werden. Er warf den Kriegern in seinem Blickfeld stumme, warnende Blicke zu. Keiner von ihnen schien diese Geste herausfordernd beantworten oder etwa ignorieren zu wollen. Aber für jene, welche nicht in seinem Blickfeld waren, konnte er selbstverständlich nicht garantieren.


    Ghorhok war einer jener Gors welche weder im Sichtfeld von Gurlak lagen, noch allzu viel Ehrfurcht für ihn oder seinen Befehl aufbrachten. Er stellte eigene Analysen der Situation an und die Stimme in seinem Hinterkopf drängte ihn förmlich dazu, endlich das Ruder zu übernehmen und die Krieger der Herde in die Schlacht zu führen. Selbst die Tatsache, dass auch er die Behuften hier als im Nachteil erkannte half nicht darüber hinweg, dass sein Ehrgeiz gegenüber Gurlak ihn wieder und wieder zu einer Dummheit zu überreden versuchte. Er wollte die Macht und er wollte das Blutvergießen. Nur die Geduld – um auf den rechten Moment zu warten – fehlte ihm. Und so griff er bereits nach seiner Axt, während er sich mit der anderen Pranke ungeduldig den Wundgrind von der Brust kratzte, bis die Schnitte erneut bluteten. Tausend Dinge schossen ihm durch den Kopf und schließlich tat er das Undenkbare.


    ...

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    Kapitel 106 - Kontakt II



    Der Wald lag in beinahe absoluter Stille. Abgesehen von ein paar Vögeln und dem Rauschen von Blättern im sanften Wind war kein Geräusch zu vernehmen. Die Nordmänner wagten kaum ihre Stimmen zu erheben oder sich zu bewegen. Stattdessen suchten sie durch die Sichtschlitze ihrer Helme hindurch und über die Ränder ihrer Schilde hinweg den Wald vor sich nach verdächtigen Bewegungen ab, als plötzlich zwischen den Bäumen etwas zu erspähen war. Die Krieger rückten augenblicklich dichter zusammen und hoben ihre Handäxte, um Kampfbereitschaft zu signalisieren. Vor ihnen trat, mit ruhigen Schritt, ein gehörnter Hüne aus dem Dickicht. Er war in bronzene Rüstung gekleidet und sein nackter Oberkörper war von oberflächlichen Schnitten übersäht, welche hellrotes Blut über seine Brust und die bronzene Bauchplatte laufen ließen. Der Tiermensch trug eine Axt in jeder seiner gewaltigen Pranken, ließ sie aber locker herabhängen. Er machte in keiner Weise den Eindruck die Nordmänner bedrohen zu wollen. Ganz so als ob er einen Spaziergang machen würde, kam er Schritt für Schritt näher auf sie zu.


    Ivars Männer warfen sich unsichere Blicke zu. Einige machten nervöse Schritte ohne sich von der Stelle zu bewegen. Es schien als erwarteten sie, dass der Berg von einer Bestie sie jederzeit angreifen würde. Ghorhok lief jedoch ruhigen Hufes immer weiter aus dem Unterholz heraus und auf sie zu, bis er schließlich etwa 10 Fuß vor dem Schildwall der Kurgan stehen blieb. Er atmete ruhig und schnaubte hörbar durch seine Nüstern, während er seinen Blick über die vor sich aufgereihten Krieger schweifen ließ. Die Szene hatte etwas grotesk Surreales für beide Seiten.


    Gurlak konnte nicht fassen was er da sah. Was im Namen der Dunklen Mächte tat dieser irre Emporkömmling da? Der Häuptling schwankte zwischen Wut und Fassungslosigkeit. Wenn er nicht die Verantwortung hätte, seine Herde zu beschützen und sie vor unnötigem Schaden zu bewahren, hätte er nicht übel Lust ebenfalls einfach aus der Deckung zu kommen und sowohl dem Bronzehuf als auch diesen Menschen die Schädel vom Rumpf zu reißen. Er knirschte hörbar mit den Zähnen und Adrenalin schoss durch seine Blutbahn. Es mochte sein, dass Ghorhok das Schicksal der Herde soeben besiegelt hatte, aber einen letzten Versuch dies abzuwenden würde Gurlak dennoch wagen. So erhob auch er sich aus seiner Deckung und lief sicheren Schrittes auf die versammelten Nordmänner zu.


    Die noch immer im Unterholz liegenden Behuften warfen sich fragende Blicke zu. Einige von ihnen wollten sich bereits erheben, aber Gurlak schnaubte ihnen auf dem Weg aus dem Dickicht heraus nur eine wütendes "Bleibt!" zu. Sofort sanken die kampfeslustigen Gors wieder zurück in die Schatten und starrten gebannt auf die Szene vor ihren Augen.


    Ghorhok bemerkte, dass hinter ihm noch jemand aus dem Unterholz kam und vertagte die Idee, unvermittelt auf die Kurgan losgehen zu wollen, noch für einen Moment. Seine Pranken öffneten und schlossen ihren Griff um die Schäfte seiner Äxte in bedrohlich kampflustiger Geste. Dann knackte es ein paar Schritte hinter dem Bronzehuf und sein Ohr drehte sich reflexartig in Richtung des Geräusches. Der schwere Schritt konnte nur Gurlaks sein, vermutete er. Dennoch wagte er es nicht sich umzudrehen, um sich seiner Annahme zu versichern. Schließlich erhob Gurlak die Stimme und sprach in langsamen, ruhigen Worten zu den perplexen Kurgan.


    Ivar musste sich konzentrieren, um zu verstehen was das Ungetüm mit den riesigen Hörnern da sprach. Er nutzte zwar die Dunkle Sprache, aber sein verzerrtes Maul ermöglichte dem Tiermenschen wohl keine allzu deutliche Aussprache. Dennoch verstand er den Großteil von dem, was gesagt wurde.


    Gurlak richtete seinen Blick erst auf den Boden, währen er ruhigen und schweren Schrittes – wie ein Wanderer, der die letzten Schritte zum Kamm einer Anhöhe tat – zu sprechen begann. Er ließ die Norsen wissen, dass sein Untergeber ihnen gern die Schädel einschlagen und die Haut abziehen würde. Dennoch würde er sich hüten es zu tun, da die Dunklen Mächte es im Moment nicht billigen würden. Sie müssten wohl andere Pläne haben. Bei diesen Worten blickte Ghorhok Gurlak mit gerunzelter Stirn an, versuchte aber seine Verunsicherung sofort wieder zu verbergen und in Bedrohlichkeit gegenüber den Menschen umschlagen zu lassen. Schließlich war Gurlak wenige Schritte neben dem Bronzehuf angelangt und sprach weiter. "Wir sind nicht daran interessiert eure Götter zu verärgern. Solltet ihr das anders halten als wir, dann tut euch keinen Zwang an." Nach einigen Atemzügen Bedenkzeit und als Antwort auf das Schweigen der Nordmänner fuhr er fort, "Ihr seid es, die den Zorn der Dunklen Mächte fürchten müsst. Außerdem würdet ihr meinem Freund hier einen großen Gefallen tun, wenn ihr ihn angreift. Er giert geradezu nach euerm Blut. Er wird sich mit euren Häuten und Skalps schmücken." Ghorhok schnaubte mit hörbarem Druck, wie um Gurlaks Worte zu bestätigen. Der Häuptling machte eine kleine Pause, um den Menschen erneute Zeit zum Nachdenken einzuräumen und die Bedeutung seiner Worte sacken zu lassen. Dabei konnte er nur hoffen, dass sie ihn überhaupt verstanden hatten. Die nervösen Gesten und die Blicke, welche sie dem Bulligsten und Ruhigsten unter ihresgleichen zuwarfen, ließen jedoch darauf schließen, dass sie sehr wohl verstanden.

  • Ich kann mich da nur anschließen! Auch die Rivalität von Ghorok und Gurlak wird meiner Meinung nach sehr gut und stimmungsvoll rübergebracht. Hoffentlich zieht sich das noch eine Weile und wird nicht vorschnell durch die Axt eines der beiden zwischen den Hörnern des anderen beendet. Das würde uns Leser viel Spannung und (ja, auch) Spaß kosten! :)


    Das also sind diese Tage, an denen man zuhause sitzt, Bier direkt aus der kaputten Kaffeemaschine trinkt und wartet, dass es regnet, damit man endlich raus kann. - Horst Evers

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    Kapitel 107 - Kontakt III



    Gurlak richtete seinen Blick nun auf den mutmaßlichen Anführer der Barbaren und sprach, "Ihr habt gesehen, was meine Herde mit euern Brüdern gemacht hat. Ich habe es ihnen nicht gern erlaubt und wenn die Pferdemänner nicht so töricht gewesen wären uns anzugreifen, wären sie noch am Leben." Nach einer erneuten kurzen Pause fuhr er fort, "Der Wald hinter mir ist voll von Kriegern, wie Ghorhok hier. Sie warten nur darauf, dass irgendjemand das erste Blut vergießt und ihnen erlaubt euch zu fressen. Es liegt bei euch, ob ihr ihnen diesen Gefallen tun wollt oder ob ihr einfach eurer Wege zieht und lebt. Uns ist es gleich. Aber wenn ihr lieber den Hunger meiner Kinder stillen wollt, so ist mir auch das sehr willkommen."


    Der Verderbte verzog bei seinen Worten keine Mine. Er stand mit erhobenem Haupt vor der Wand aus Metall, Holz und Klingen, als hätte er keinerlei Bedrohung zu fürchten. Ghorhok war schon etwas unruhiger und schien tatsächlich immer noch darauf zu warten, dass irgendwer etwas Dummes tat.


    Ivar blieb stumm und erhob erst sein Wort als ein paar seiner Männer ihre Wurfäxte bereitmachen wollten. Er gebot ihnen Einhalt und blickte dann wieder auf den Hünen, der zu ihm gesprochen hatte. Der tierhafte Blick der Bestie war unergründlich. Er bildete sich nicht ein, darin Lüge oder Wahrheit deuten zu können. Das Einzige was ihm sauer aufstieß, war die Behauptung, dass Gorblatssons Reiter sie angegriffen haben sollten. Daran wollte er einfach nicht glauben. Insbesondere im Hinblick auf den Plan, die Behuften auf der befestigten Straße zu stellen, schien dies nicht stimmen zu können. Runors Reiter hätten schon aus Versehen mitten in die Reihen der Herde geritten sein müssen, um sich unweigerlich ihrer Haut erwehren zu müssen. Aber wie verschwindend gering wären wohl die Chancen für solch eine Art Missgeschick? Ivar wollte einfach nicht glauben, dass Gorblatsson solch ein Fehler unterlaufen sei. Auf der anderen Seite… Was war, wenn an den Worten über den Zorn der Götter etwas Wahres wäre? Er wusste, dass er nicht der einzige Mann in den Reihen seiner Krieger war, der beim Gedanken daran zögerte. Und aus vergangenen Erfahrungen mit den Kindern der Götter hatte er bezeugen können, dass sie unmittelbaren Kontakt zu den Dunklen Mächten pflegten. War Gorblatsson aus irgendeinem Grund in Ungnade gefallen und musste deshalb mit seinem Leben und dem seiner Männer bezahlen? Ivar drehte sich beim Gedanken daran der Magen um. Der Anblick der in der Gegend verstreuten, zerhackten, abgenagten Überreste jener einst mächtigen Reiter tat selbstverständlich sein Übriges, auch wenn er dies nicht offen vor seinen Männern zeigen durfte.


    Ivar schob trotzig das Kinn vor und fragte – mehr um seine Männer zu beeindrucken als alles andere – den breit gebauten Bestien Häuptling warum seine Krieger sich denn im Wald verkriechen würden, wenn sie sich ihrer Überlegenheit so sicher seien. Darauf verzog sich Gurlaks steinerne Mine zur ekelhaften Parodie eines Grinsens und er sprach, "Sie lieben es Spiele zu spielen. Ich kann es ihnen nur schwer austreiben." Dann lachte er ein bösartiges Lachen. Auf den Gesichtern der Nordmänner war keine Erheiterung zu erkennen, bis Ivar plötzlich aus voller Kehle in Gurlaks Gelächter einfiel und sich demonstrativ vor Lachen den Bauch hielt. Prompt stimmten einige der Kurgan mit ein aber die Spannung schien nur unmerklich nachzulassen. Jetzt war Ghorhok verwirrt. Ihm war klar, dass dies eine Art Imponiergehabe der Menschen sein musste, aber was dies nun für Konsequenzen hätte, davon konnte er sich beim besten Willen kein Bild machen. Und so starrte er weiter mit eingefrorener Mine und finsterem Blick auf die Menschen, welche sich noch immer hinter ihren Schilden versteckten. Der Bronzehuf knurrte.


    Aus dem Wald hinter ihnen kamen nun auch Geräusche. Es waren die Tuskgor, welche langsam unruhig wurden. Die Wagenlenker hatten ihr Bestes getan sie so lange wie nur möglich ruhig zu halten, aber das laute Gelächter hatte sie provoziert und so kämpften die Gors nun damit, die Zugtiere im Zaum zu halten. Das Grunzen und Toben hallte zwischen den Bäumen wieder und wurde so in seiner Intensität noch verstärkt. Augenblicklich erstarb das Gelächter und die Nordmänner lauschten. Schließlich erhob Ivar erneut die Stimme. "Der Anführer jener Reiter dort war ein großer Krieger und ein Freund. Was glaubst du, würde er denken, wenn wir Euch einfach ziehen ließen?" Gurlak zögerte nur kurz, bevor er antwortete, "Ich befürchte, dein Freund würde gar nichts denken. Denn er ist tot, bei seinen Göttern und sein Fleisch füllt die Mägen ihrer Kinder." Ivar verstand die Drohung nur zu gut, wusste aber nicht was er darauf erwidern sollte. So blickte er die Männer in seinen Reihen fragend an und zögerte.


    Erst als Braga, einer seiner Vertrautesten, entgegnete, "Du bist nun unser aller Oberhaupt, Ivar Bjarnason. Wir folgen deinem Befehl.", wurde Ivar klar, dass mit dem Abtreten Runors nun tatsächlich er den Stamm der Schwarzherzen anführte. Er brauchte einen Moment, um diesen Gedanken sacken zu lassen und sah zugleich die Gefahr das Errungene augenblicklich wieder verlieren zu können, wenn er und seine Männer enden würden wie der unglückliche Runor und seine Reiter. Schließlich sprach er, "Wenn es tatsächlich der Götter Wille ist, dass wir hier und heute nicht das Blut ihrer Kinder vergießen, dann soll es wohl so sein.“ und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu, „Sei dir jedoch gewiss Bestie, dass wir euch finden und auslöschen werden, sollte sich eure Behauptung als unwahr herausstellen.". Dabei hatte Ivar selbstredend keinerlei Idee, wie er das jemals herausfinden sollte. Aber er musste nun einmal einen Weg finden, seinen Entschluss vor seinen Männern zu rechtfertigen. Und dabei durfte er keinesfalls wirken, als ob er im Angesicht eines Feindes klein beigeben würde oder gar Angst vor einer Auseinandersetzung mit ihnen hätte. Gurlak verstand nur zu gut und verlor kein weiteres Wort. Ghorhok hingegen wollte fast Einspruch erheben, verstummte aber als Gurlak seine Hand in dessen Richtung erhob, ohne dabei die Augen von Ivar zu lassen. Dann sprach er, "So sei es."

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    Kapitel 108 - Aufbruch zum Herdenstein



    Ivars Krieger ließen langsam die Schilde und Äxte ein wenig sinken. Mit einem leichten seitwärts gerichteten Kopfnicken signalisierte Gurlak Ghorhok, dass er sich zu den anderen zurückziehen solle. Der Bronzehuf war trotzig und widerstand dem Blick des Verderbten für einen langen Moment, bevor er letztendlich ging. Dann folgte Gurlak ihm wortlos und schon wenig später waren sie wieder in den Schatten der Bäume verschwunden. Die Kurgan schauten noch eine Weile, unsicher ob die Bestien sie nicht doch vielleicht angreifen würden. Dann zogen sie sich nach und nach zurück. Sie suchten noch eine Weile unter den Überresten der Leichen auf dem Pfad, beendeten die Aktion allerdings als die Geräuschkulisse im Dickicht ihnen klar machte, dass die Bestien unruhig und offensichtlich tatsächlich zahlreich waren. Dies mochte den bis dahin noch nicht ganz endgültigen Entschluss der Kurgan besiegelt haben und so zogen sie, dem ungefähren Verlauf des verborgenen Bestien Pfades folgend, gen Südosten ab.


    Gurlaks Späher behielten die Menschen noch eine ganze Weile im Blick und einige von ihnen folgten ihnen ein Stück auf ihrem Weg. Der Rest der Herde begab sich zurück auf den Pfad und machte die Karren erneut bereit zur Weiterreise. Einige der Streitwagen benötigten etwas Zeit, um aus dem unwegsamen Unterholz wieder auf den Bestien Pfad zu gelangen. Letzten Endes schlossen sie aber zügig zum Hauptteil des Zuges auf, welcher sich bereits in Marsch gesetzt hatte.


    Auch wenn er es nicht offen zugab, so fühlte Gurlak sich zutiefst unwohl die Kurgan nicht vernichtet zu haben. Nach der Unterhaltung mit ihnen war er sich zwar sicher es nicht mit allzu großen Kriegern zu tun gehabt zu haben, aber dennoch hasste er es einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Hätte er sich nicht in den Kopf gesetzt das Wohl der Herde über sein eigenes zu stellen, wäre er an Ghorhoks Seite gewesen um die jämmerlichen Menschen in Stücke zu reißen. Angesichts der Verluste, welche sein Gefolge in jüngster Zeit zu verkraften hatte, wäre das jedoch keine gute Idee gewesen. Die Chancen, dass die Herde nach einer solchen Auseinandersetzung noch existieren würde, waren alles andere als vielversprechend hoch.


    Ghorhok lief zügige Schritte, bis er neben Gurlak angelangt war. Eine Weile lang lief er so in dessen Nähe, ohne ein Wort zu verlieren. Gurlak konnte die finstere Wolke, welche über dem Bronzehuf zu schweben schien, geradezu spüren. Zu behaupten, der ehrgeizige Häuptling wäre unglücklich über diese konfliktfreie Auflösung der Situation, wäre eine maßlose Untertreibung gewesen und Gurlak verstand ihn nur zu gut. Schließlich sprach er den wütenden Ghorhok an und sagte, "Wenn es nur um uns beide gegangen wäre, hätte ich den Menschen mit Freude die Haut abgezogen. Aber du weißt, dass wir aus anderen Gründen hier her gekommen sind. Wenn wir nicht die Ränge unserer Krieger wieder auffüllen, wenn wir nicht aufs Neue die Stämme unter dem Herdenstein versammeln, dann endet unsere Reise hier." Sie gingen ein paar Schritte ohne ein weiteres Wort zu sagen. Dann fügte er hinzu, "Unweit von hier befindet sich ein Pfad der Menschen. In den Bergen nördlich von dort, soll ein Stein der Versammlung verborgen sein. Dort werden wir rasten und die Stämme dieser Wälder aufs Neue vereinen. Du wirst deine Chance erhalten sie zu führen, wie du es immer wolltest. Und wenn diese Nordmenschen töricht genug sein sollten, sich dann noch immer in diesen Wäldern aufzuhalten, bestehe ich darauf, dass wir sie uns holen." Daraufhin blickte Ghorhok ihn mit ausdrucksloser Mine an, um gleich wieder gedankenverloren auf den Pfad vor sich zu starren. Gurlak hatte mehr Worte verloren als für ihn üblich waren. Jeder der ihn kannte konnte spüren, dass sich seit seiner Rückkehr etwas in ihm verändert hatte.


    Nachdem sie ein ganzes Stück gegangen waren, geisterten die Worte des Verderbten noch immer in Ghorhoks Unterbewusstsein umher und schließlich sprach er, "Was immer auch geschehen mag, Gurlak… Verderbter… Deine Tage als Oberhaupt dieser Herde sind ein für alle Mal gezählt. …


    … Dafür werde ich sorgen."


    - ENDE von Teil 2 -

  • Und wie viele Teile werden es? Drei? Sieben? Zwölf? :D
    Ganz großes Kompliment für Geschichte und Schreibstil! Eigentlich sehr untiermenschig, aber der letzte Teil, ohne blutige Konflikte, hat mir am besten gefallen. Daumen hoch!


    Das also sind diese Tage, an denen man zuhause sitzt, Bier direkt aus der kaputten Kaffeemaschine trinkt und wartet, dass es regnet, damit man endlich raus kann. - Horst Evers