Unterm Herdenstein (eine Tiermenschen Geschichte) - Des Dramas Zweiter Teil

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    Kapitel 83 - Zugzwang



    Graktar ließ seinen konzentrierten und angestrengten Blick durch den Raum wandern. Von Toten, hin zu noch immer um ihr Überleben streitenden, bis zum schwer umkämpften Ausgang. Der Ratten-Häuptling war nirgends auszumachen. Während die verbliebenen Gors noch unter den Skaven wüteten, waren viele der völlig in Unordnung geratenen Nager bereits auf der Flucht und strömten aus der Halle in die Tunnel zurück. Gurlak brüllte einigen der Gors Befehle zu, die Flucht der Feinde zu stoppen, aber viele von ihnen waren dem Griff des drohenden Todes bereits entglitten. Sie zu verfolgen schien keinen Sinn zu ergeben und hätte das Risiko für die Tiermenschen nur noch erhöht.


    Nachdem Ghorhok alle Nager in seiner Reichweite niedergemacht hatte, wandte er sich an die beiden Großhäuptlinge, um sie umgehend zum Aufbruch zu bewegen. Trotz dieses kleinen Sieges über die Skaven waren viele der Gors im Kampf gefallen. Die schiere Masse an Ratten Kriegern war einfach überwältigend und keiner der Behuften hatte den unendlich langen Atem, sich einer solchen Flut von Leibern und Klingen ewig zu erwehren. Wäre die Moral und die Motivation der Gors nicht so ausgesprochen stark gewesen, hätte sich das Blatt durchaus schnell wenden können. Sie mochten heute zwar das Glück auf ihrer Seite haben, aber die Behuften waren noch lange nicht außer Gefahr. Zum einen könnten die Ratten jeden Moment mit Verstärkungen zurückkehren, um ihnen den Todesstoß zu versetzen und zum anderen waren die beiden Bestienherrscher schwer verwundet. Sie mochten zwar selbst in der Lage gewesen sein, sich in letzter Sekunde vor dem sicheren Tod zu bewahren und der Großteil ihrer Wunden war auch ausgesprochen effizient – wenngleich unorthodox – versorgt worden, aber die Energiereserven der Beiden waren an ihrem Ende angelangt. Wenn diese Tunnel also nicht zu ihrem Grab werden sollten, dann galt es jetzt den Aufstieg zu wagen, bevor der Rückweg endgültig von den Ratten versiegelt würde.


    Nachdem auch die letzten Skaven erschlagen waren, machten sich die Gors in Windeseile abmarschbereit und brachen auf. Sowohl Ghorhok als auch Merrhok waren intuitiv recht schnell in der Lage den richtigen Weg wiederzufinden und geleiteten die Überlebenden durch die Dunkelheit.


    Sowohl Graktar als auch Gurlak fühlten sich völlig ausgelaugt und hätten ihrem Bedürfnis, sich fallen zu lassen und einfach zu schlafen, gern nachgegeben. Aber eine solche Geste der Schwäche kam gar nicht in Frage. Weder hätten sie ihren Status vor ihren Untergebenen aufrechterhalten können, noch wollten sie eine solche Torheit mit ihrem Leben bezahlen. Hier unten würde es keine Ruhe und keinen Frieden geben. Beide waren froh, dass die schlechten Lichtverhältnisse ihre Schwäche zum Großteil verbergen mochte. AlleinGraktar wirkte für seinen relativ dunklen Haut-Ton verhältnismäßig bleich und blutete noch immer aus einigen der geplatzten Nähte an seinem Bauch. Erst kurz vor dem Ziel, in einem Teil der Tunnel, welche von einem grünen Licht erhellt wurden, ließen die Schmerzen langsam nach und die Blutung schien zu versiegen. Zuerst war Graktar nicht gerade erfreut über die verbesserten Sichtverhältnisse. Wollte er doch keinesfalls, dass er in seiner derzeitigen Verfassung gesehen würde. Aber als er sich nach den anderen umgeblickt hatte, wurde ihm klar, dass in diesem Licht keiner der Gors allzu gesund aussah.


    Auch Gurlak vermied es tunlichst sich an der Tunnelwand anzulehnen oder abzustützen. Streckenweise war er froh, dass sie in permanenter Bewegung waren, da er sonst befürchtete einfach umkippen zu können. Im zügigen Marschtempo konnte er sich hingegen halb nach vorn fallen lassen und musste nur sein Schritttempo unter Kontrolle behalten. Als sie eine kleine Rast in einem stark grünlich erhellten Gewölbeteil machten und Ghorhok meinte, dass es nicht mehr weit bis zum Aufstieg wäre, fürchtete Gurlak für einen Moment, dass ihm die Knie nachgeben würden. Mit offenem Maul und halb in den Nacken gelegtem Haupt blickte er sich in der Runde der Gors um. Keiner von ihnen schien ihm im Moment allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Ghorhoks kurze Ansprache hatte ihr Übriges dazu getan. Er lehnte sich also mit der Schulter gegen die Tunnelwand, senkte den Kopf wieder nach vorn und versuchte so viel Kraft aus dieser kleinen Ruhepause zu ziehen wie er nur konnte. Seine Haut begann zu prickeln und der hämmernde Schmerz in Brust und Kopf schienen unter einer Art sonorem Summen – welches sich in seinem Schädel breitmachte – langsam zu verstummen. An Stelle der Schmerzen trat jetzt eine Art Übelkeit. Aber der Magen des Großhäuptlings war leer und so gab es kaum etwas, was er hätte erbrechen können. Der massige Gor konzentrierte seinen Blick auf die Dunkelheit vor sich, im Tunnel. Er versuchte sich eine Horizontlinie vorzustellen, an welche er sich geistig zu verankern suchte. Der Raum drehte sich dennoch langsam und stetig um ihn und so sprach er mit großer Mühe und in tiefem, brummendem Bass-Ton, "Weiter!".

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    Kapitel 84 - In der Patsche



    Noch bevor sie am Aufstieg angekommen waren, hörten sie das stetige Plätschern von Wasser. Es hatte wieder zu regnen begonnen und ein kontinuierlicher Strom floss durch den Schacht an den Tunnelwänden nach unten. Am Boden hatten sich Pfützen gebildet. Die Feuchtigkeit trug nur wenig dazu bei, den mittlerweile bestialischen Gestank der verrottenden Brut zu übertünchen, welche noch immer hier vor sich hin moderte. Selbst für die sonst doch recht schmerzfreien Behuften war der Verwesungsgeruch eine regelrechte Zumutung. Am Fuße der Steilwand stehend rief Ghorhok nach oben, während ihm unablässig Regenwasser ins Gesicht spritzte. Das Rauschen und Plätschern fraß beinahe jedes Geräusch und oben mochte man kaum hören, dass hier unten jemand rief. Die Stimmung des Bronzehufs drohte auf ihrem Tiefpunkt anzugelangen.


    Andere Gors begannen in die Rufe einzustimmen, doch es tat sich nichts. Der Regen war einfach zu stark und die Geräuschkulisse zu ausgeprägt, als dass die Schreie an der Oberfläche hätten gehört werden können. Ghorhok schüttelte und zerrte an den Stricken und hoffte so die Wachposten auf sich aufmerksam zu machen. Aber es war und blieb wie verhext.


    Gurlak schaute nach oben wo es nur geringfügig heller schien als hier unten. Der Regen besprenkelte sein Gesicht und der Großhäuptling öffnete sein Maul. Dann streckte er seine Zunge heraus und fing so ein paar der Wassertropfen ein. Das würde seinen Durst zwar kaum stillen, aber er hatte auch kein allzu großes Verlangen danach die schlammige Brühe zu trinken, welche die Schachtwand hinunterrann oder sich an den Pfützen am Boden zu versuchen, welche von Absonderungen der verwesenden Brut und der erschlagenen Skaven kontaminiert sein mochten. Immerhin half das kühle Nass ihm ein Wenig den Kopf klarzubekommen und ihn sowohl von Schmerzen als auch Übelkeit abzulenken. Er war also durchaus dankbar für das Wenige, was er bekommen konnte.


    Ghorhok verlor die Geduld und begann die Schnallen an seinem Bronzepanzer zu lösen. Die schwere Bauchplatte landete mit einen schmatzenden Platschen in einer der schlammigen Pfütze am Boden. Nachdem er sich allem unnötigen Ballastes entledigt hatte, trat er erneut an die Schachtwand heran und griff nach einem der Seile. Es war vollgesaugt mit Wasser und sein fester Griff presste so viel von der Flüssigkeit aus den Fasern des Strickes, dass sie an seiner Faust herablief. Dann griff er mit seiner anderen Pranke so weit oben am Seil wie es ging und zog sich daran empor. Die Bocksbeine zog er erst an und stemmte sie dann gegen die Wand. Seine Hufe sanken, angesichts seines Gewichtes, unmittelbar in das matschige Erdreich und er zog instinktiv seinen rechten Huf zurück um weiter oben neuen Halt zu suchen. Jetzt waren seine Pranken wieder an der Reihe und er hievte sich eine halbe Armlänge nach oben. Als er den Bogen heraus hatte, arbeitete er sich auf diese Art und Weise Stück für Stück nach oben, während der Regen weiter auf ihn einprasselte. Das kalte Wasser perlte in großen Tropfen von seiner fettigen Haut ab, rann nach unten, um anschließend in seinem nass stinkenden Fell zu versickern.


    Beinahe ganz oben angekommen, sah Ghorhok mächtige Wolken am grauen Himmel entlangziehen und der Regen peitschte ihm nun unerbittlich ins Gesicht. Seine Muskeln brannten bereits und sein Griff um das Seil begann zu krampfen. Ghorhoks Atem stob kleine Wölkchen aus, welche augenblicklich vom Regenwasser konsumiert wurden und er atmete abwechselnd durch das offene Maul und zusammengebissene Reißzähne. So weit oben angelangt, wurde es immer schwerer sich in die Wand zu stemmen, da der Abstand zwischen Strick und Erdreich immer kleiner wurde. Ghorhok kniete nun im Matsch und brüllte auf ein Neues gegen Regen und Wind an. Sein Atem ging schwer und seine Lunge begann bereits zu rasseln. Er brüllte ein zweites Mal und nur wenige Augenblicke später streckte sich ihm ein Kopf über den Rand des Erdspaltes entgegen.

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    Kapitel 85 - Vom Regen in die Traufe



    Es war ein Ungor, der Ghorhok da entgegenblickte. Für einen Augenblick starrte er regungslos und war auch gleich wieder verschwunden. Der Bronzehuf senkte seinen Blick auf die Wand vor sich und biss die Zähne zusammen. Er versuchte die Belastung seines Körpers auf andere, weniger angespannte Muskelpartien zu verlagern um den überreizten Strängen eine kleine Erholung zu gewähren. Das gelang nur bedingt und auch nicht für lange. Er war sich jedoch sicher, dass jeden Moment Hilfe zur Stelle sein müsste, um ihm nach oben zu helfen. Als er selbst versuchte mit einer seiner Pranken Halt an dem matschigen Erdvorsprung über sich zu finden, musste er feststellen, dass ihm dies nicht gelingen würde. Der Strick an dem er hing, hatte sich bereits in einer tiefen Furche ins Erdreich gefressen und genau so gab auch die Kante unter dem Griff seiner Finger nach. Er hielt sich also wieder an seinem Seil fest und ermöglichte seinem anderen Arm ein klein wenig Entspannung.


    Gerade als er wieder mit zusammengekniffenen Augen nach oben in Richtung des Regens schaute, kam der Ungor zurück und diesmal war er nicht allein. Zwei kräftige Gors warfen ihm umgehend eine Schlinge zu, an welcher sie ihn in Windeseile nach oben hievten.


    Oben angekommen kniete er im Matsch und ruhte sich aus, während die anwesenden Behuften nach und nach den Rest der Gors heraufholten. Es regnete in Strömen und der Boden konnte das Wasser bereits nicht mehr aufnehmen. Überall hatten sich große Pfützen gebildet. Um Ghorhok herum war alles so grau und die Sturzbäche vom Himmel so heftig, dass er sich nicht sicher sein konnte, aber er schätzte, dass die Sonne dabei war unterzugehen. Selbst von der näheren Umgebung war im Moment kaum etwas zu erkennen.


    Einer nach dem anderen kamen die Gors herauf und als Merrhok an der Reihe war, reichte er Ghorhok dessen bronzene Rüstung. Der im Schlamm hockende Häuptling nahm sie wortlos an und starrte weiter regungslos auf das Loch in der Erde. Schließlich waren Gurlak und auch Graktar an der Reihe. Hier oben, in Mitten des Unwetters, schienen sie sich das erste Mal so etwas wie eine Blöße zu geben und hockten sich zusammen mit den anderen Gors in den Matsch.


    Als Ghorhok sich die Einzelteile seiner Rüstung wieder angelegt hatte, war bereits ein Großteil der Krieger zurück an der Oberfläche. Sie scharten sich im und um das provisorisch errichtete Zelt am Rande des Spaltes, konnten aber keinesfalls alle Platz darin finden. Bei diesem Anblick begann der Bronzehuf unweigerlich zu grübeln, warum sich hier nicht mehr Behufte aufhielten. Er schaute sich um und erkannte nichts. Das Unwetter ließ einen im Moment keine 30 Fuß weit sehen, aber wenn er es nicht besser wüsste, dann hätte man beinahe glauben können, sie wären hier weit und breit allein.


    Wenig später waren alle Gors an der Oberfläche und die Ungors machten sich daran, alle Seile heraufzuziehen. Was auch immer noch da unten wäre, sie hätten kein Interesse daran ihm nach oben zu helfen. Schließlich begannen sich alle um das lederne Zelt zu scharen. Der Ausdruck auf den Gesichtern der Ungors ließ jegliche Freude über die Rückkehr ihres Herrn vermissen und einer von ihnen wandte sich an Gurlak, um ihm zu berichten was er früher oder später in jedem Fall erfahren sollte.

  • Vielen Dank Merrhok!
    Immer spannend zu lesen.
    Zu Anfang hatte ich Probleme die ganzen Charaktere einzusortieren. Nun geht es sehr gut. Man kann mit ihnen fühlen und bekommt einen tiefen Einblick in das Denken der Gors. Immer weiter so!!

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    Danke, @Sirgenever !


    Im Ersten Teil hab ich die Namen der Charaktere innerhalb der Geschichte immer zu deren Bildern in der Galerie verlinkt.
    Aber das war auch immer eine Mords-Arbeit und deshalb hab ich das mit Abschluss des Ersten Bandes dann auch gelassen.


    Zur besseren Visualisierung hab ich hier nochmal eine kleine Übersicht der wichtigsten (Krieger) Charaktere:


    7848-4bfdd551-large.jpg


    --------- Gurlak --------- Ghorhok --------- Graktar --------- Turgok --------- Kwurhgor --------- Brak --------- Bhorgaz --------- Merrhok --------- Fhirghaz --------- Hurrlok ---------


    (Die Schamanen Shargah und Bratak haben auch Modelle, aber die hab ich nicht abgelichtet.)


    Ach... und das hier ist Mardugor.

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    Kapitel 86 - Dämmerung



    Als das Unwetter vorüber war und Gurlak endlich wieder das Schlachtfeld überblicken konnte, kam der Anblick des verlassenen Heerlagers wie ein Schock über ihn. Der Ungor hatte ihn letzte Nacht zwar darauf vorbereiten wollen und sie hatten den Weg zu den Zelten der Schamanen bereits über einen leeren Acker zurückgelegt, aber es nun mit eigenen Augen zu sehen, übertraf alle seine Vorstellungen. Dabei war es die Art der Behuften sich denen zuzuwenden, welche sie zu Ruhm und Beute zu führen vermochten und sich von jenen abzuwenden, welche schwach waren oder die Gunst der Dunklen Mächte verloren hatten. Gurlak war also nicht sicher, was er denn erwartet hatte. Und so stand er da, allein auf weiter Ebene, zurückgekehrt zu seinen Herden und doch hatten sie ihn verlassen.


    Weit und breit war der Boden zertrampelt und die Spuren ihrer Lagerstätten waren noch immer sichtbar. Hier und da waren die rußschwarzen Flecken der Feuerstellen auszumachen. Die Überreste abgenagter Skelette lagen in der Gegend verstreut oder schienen halb im Schlamm versunken.


    Dem alten Graktar war es nicht besser ergangen. Immerhin war auch er nicht ganz und gar allein. Wenngleich Graktars Herden sich in alle Winde verstreut hatten, so waren doch noch immer einige der Söhne des Utu an seiner Seite. Sie hatten zusammen mit Gurlak und seinen Kriegern in den Unterkünften von Bratak, Shargah und den Resten der Herden von Ghorhok und Merrhok übernachtet. In diesen Wäldern war es weiser zusammenzurücken, als aus falschem Stolz im eigenen Lager den Schrecken der Wildnis zum Opfer zu fallen. Die Tiermenschen mochten schreckliche und mächtige Krieger sein, aber sie waren nicht die gefährlichsten Wesen in diesem Teil der Alten Welt.


    Die Tatsache, dass sie ihren Kriegsherrn lebendig aus den Klauen des Gegners befreit hatten, schien das Ehr- und Selbstwertgefühl der Letzten der Söhne des Utu angefacht zu haben. Sie maßen sich selbst und auch Graktar einen gewissen Wert bei. Sie waren ihm ins Dunkel gefolgt, hatten erbittert gekämpft, geblutet und überlebt, genau wie jener Gor, welcher sie in die Schlacht geführt hatte. Dass ihr Herdenführer Mardugor nicht mehr hier war, dämpfte die Stimmung jedoch deutlich. Auch der Rest ihrer Brüder war nicht mehr hier. Sie mussten mit ihm gezogen sein, um neue Jagdgründe zu finden und das Werk der Dunklen Mächte zu verrichten. Nur der Wandler der Wege selbst mochte wissen, ob sie sie je wiedersehen würden. Bis dahin sollte Graktar ihr Häuptling sein, wenn er sich denn von seinen Wunden erholen und wieder zu Kräften kommen würde. Die kommenden Tage sollten auch darüber Aufschluss geben.


    Bratak hatte sich den Großteil der letzten Nacht mit Gurlaks Wunden beschäftigt. Die Skaven hatten eine ganz und gar eigenartige und dennoch effiziente Art der Wundversorgung. Hinzu kam die unheimliche Eigenschaft des lokalen Warpsteins, starke regenerative Kräfte zu wecken. Es war die Kombination aus beidem, welche ihm - allem Anschein nach - das Leben gerettet hatte. Bratak stellte nun sicher, dass sich keine Infektion breit machen würde. Außerdem holte er zwei Warpsteinsplitter aus Gulaks Brust und Rücken, welche die Heilung zwar enorm beschleunigt haben mochten, aber auf Dauer ganz sicher nur zu unvorhersehbaren Mutationen führen würden.


    Graktar wurde von Shargah versorgt und einige seiner Nähte mussten komplett ausgetauscht oder erneuert werden. Auch hier hatten die Skaven zwar kein Kunstwerk vollbracht, aber sie hatten dem alten Bock mit Sicherheit das Leben gerettet. Shargah war sich sicher, dass Graktar wieder ganz und gar genesen würde. In ein paar Tagen wäre er wieder auf den Beinen.


    Bis dahin bereiteten sich die wenigen verbleibenden Herdenmitglieder auf die Abreise vor. Hier gäbe es für sie nichts mehr zu gewinnen.

  • Jetzt wo ich das Modell noch einmal gesehen habe... Es ist wahrscheinlich zu viel des Guten auf eine Wiedergeburt Kwurhgors zu hoffen!? ;(
    Einer meiner Lieblinge!
    Ach, und was ist überhaupt mit unserem heimlichen Schamanen? Ich hoffe, die abziehende Herde hat Ihn nicht einfach mitgenommen?
    Naja, ich vertrau einfach mal darauf, dass sie die Verwundeten zurücklassen! xD


    Das also sind diese Tage, an denen man zuhause sitzt, Bier direkt aus der kaputten Kaffeemaschine trinkt und wartet, dass es regnet, damit man endlich raus kann. - Horst Evers

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    @wood y ellan Vielen Dank! :)


    @Marghor Ich befürchte Kwurhgors Körper ist hin. :dos: (Das dürfte nur Heinrich Kemmler noch hinbiegen können.) Ich mag das Modell sehr und es ist mir auch nicht leicht gefallen, ihn sterben zu lassen. (Aber bei einem rasenden Rattenoger... naja... )


    Was Brak angeht... abwarten. :)

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    Kapitel 87 - Der Kodex II



    Auf ihren Krankenlagern hatten Gurlak und Graktar Zeit über ihr Schicksal zu sinnieren. Sie waren beide mit dem Leben davongekommen, hatten darüber aber ihre Kriegsherden und ihren Status als Großhäuptlinge verloren. Somit gab es auch keinen Grund mehr sich gegenseitig zu bekämpfen. Sie hatten alles verloren, was sie in den Augen ihrer Artgenossen groß und mächtig erscheinen ließ. Graktar kannte das Gefühl. Er war bereits durch dieses Tal der Schmerzen gezogen, wenngleich es diesmal nicht unter den Augen Aller, sondern in seiner Abwesenheit geschehen war. Die Herden mussten angenommen haben er sei tot. Dass sein Leichnam jedoch nicht da war, um von ihnen in allen Ehren verschlungen zu werden, musste als ein schlechtes Omen gedeutet worden sein. Im Gegensatz zu Graktar, wurde Gurlak – was das betraf – völlig unvorbereitet und zum ersten Mal ins kalte Wasser geworfen. Er hatte in seinem noch relativ jungen Leben nur den Weg nach oben gekannt. Eine Erdung solchen Ausmaßes war ein brutaler Schock für ihn. Dennoch war auch ihm klar, dass er in den Augen der Herden, welche er hier her geführt hatte, als tot oder zumindest als verloren galt. Keines dieser möglichen Schicksale war besser als das andere. Beide würden als Wille der Dunklen Mächte interpretiert werden und der Verlust von Rang und Ansehen war somit unausweichlich. So wenig die Behuften Sklaven oder Diener der Mächte des Chaos waren, so sehr hörten sie dennoch auf Worte und Zeichen ihrer aller Eltern. Denn sie waren durch Blut aneinander gebunden. Sie waren die sterbliche Repräsentation der Dunklen Mächte in dieser Welt, das fleischgewordene Chaos. Nur ihre engsten Familien- und Herdenmitglieder mochten sie weiterhin akzeptieren. Einzig darin lag nun Hoffnung für die Beiden.


    Bratak und Shargah verbrachten die Zeit damit Kontakt zu den Dunklen Mächten aufzunehmen. Sie würden wissen was nun zu tun sei und in welcher Richtung das Schicksal der verbliebenen Herdenmitglieder zu suchen sei. Dafür betranken sie sich und nahmen Substanzen zu sich, welche die Tore zur anderen Seite für sie öffnen würden. Aus dem Schamanen-Zelt waren brummelnde Gesänge zu vernehmen und einige der Behuften starrten den verhangenen Eingang des Quartiers an, als könne jeden Moment etwas Aufregendes geschehen. Die Szene war Zeugnis der Unsicherheit, welche von den wenigen verbliebenen Herdenmitgliedern Besitz ergriffen hatte. Sie trachteten nach Führung, nach einem Zeichen, einem Fingerzeig in die richtige Richtung und einer starken Hand, welche sie führen würde. Normalerweise wurden solche Riten an den großen Herdensteinen abgehalten, welche dann die notwendige Dunkle Energie spendeten, um den Kontakt herzustellen. An diesem Ort jedoch, würde die Macht der im Boden lagernden Warpstein Fragmente dafür sorgen, dass es an Energie nicht mangeln sollte.


    Ghorhok wusste, dass die wenigen Behuften welche noch geblieben waren, größtenteils aus dem engsten Kern und den im geringsten Maße abergläubischen Untergebenen bestanden. Der Rest waren die Verwundeten und Unentschlossenen. Einige waren schlichtweg lethargisch, suchten nach neuen Perspektiven. Und nun spürte er langsam aber sicher, wie sie sich in diesem Machtvakuum nach neuer Herrschaft sehnten. Seiner Herrschaft? Wenn er sie unter sein Banner zwingen wollte, würde er ihre Herren auf althergebrachte Art und Weise bezwingen müssen. Und dafür sollten sie auf zwei Beinen stehen können. Er hatte nicht vor in dieser Situation zu agitieren. Es ging sowohl gegen sein Ehrgefühl als auch gegen jenes der Herden. Die Bindung zwischen ihm und ihnen würde einfach stärker sein, wenn er sich an den Kodex hielt und die Führerschaft auf ehrenvolle Weise erringen würde. Und dafür war der Moment noch nicht gekommen. Er konnte also, wie der Rest seiner Artgenossen, nur abwarten.


    Während des Unwetters hatte Brak gefroren wie in keinem Winter, den er je erlebt hatte. Sein Körper war an der Schwelle zwischen Leben und Tod gewesen und nun, wo der Regen aufgehört hatte, schien auch dieser Kampf in seinem Inneren entschieden. Das erste Mal seit seiner Flucht durch die Wälder öffnete er wieder bewusst die verklebten Augen. Sein Körper fühlte sich schwach und eingerostet an, als sei er aus einem langen Winterschlaf erwacht. Abgesehen von dem Loch in seiner Schulter, hatte er eine Vielzahl von Schnitten und Prellungen am ganzen Körper. Sein Haupthaar war zerzaust und verbarg Teile seines verknitterten und mitgenommenen Gesichts, sowie den unscheinbaren Stumpf auf seiner linken Kopfseite. Die Haut des jungen Gors war überzogen von trockenem Schweiß, seine Körperbehaarung war verfilzt und klamm. Die Berührung des Fells, mit welchem er zugedeckt worden war, überreizte seine Sinne. Ihm war plötzlich zu heiß. Er hatte den Drang sich zu bewegen, sich zu erheben und seine Glieder zu strecken. Als Brak sich aufstützen wollte, um sich aufzurichten, erinnerte ihn ein höllischer Schmerz an das Loch in seiner Schulter. Er entspannte sofort seine Muskeln und ließ sich zurücksinken. Der Schmerz verflog wieder. Dann drehte er sich vollends auf den Bauch, Schob seine Knie unter sich und richtete sich allein mit Hilfe seiner Bein-, Bauch- und Beckenmuskulatur in die Sitzposition auf. Er fühlte sich, wie von den Toten auferstanden. Alle Reize fluteten seine Sinne und selbst die kleinsten Selbstverständlichkeiten, wie der Geruch von brennendem Holz oder der zarte Windhauch, welcher ihm durchs Haar und um sein Horn wehte, gaben ihm das Gefühl, dass es gut war am Leben zu sein. So starrte er eine Weile ins Nichts und saß gedankenverloren da, bevor er sich aufraffte, um einem dringenden Bedürfnis nachzugehen.

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    Kapitel 88 - Reise



    Das sonore Brummen ihrer Stimmen ließ Shargah und Bratak den Bezug zu Raum und Zeit verlieren. Es löste ihr Bewusstsein aus der Welt der Sterblichen heraus und sie begaben sich auf die Reise. Nach einer Weile – es mochte auch eine Ewigkeit gewesen sein – öffnete Shargah wieder seine Augen. Es schien, als sei er noch immer im Zelt. Das Erste was er sah, war er selbst. Nein, nicht er selbst, ein Abbild von sich, welches mitten vor ihm im Zelt stand. Dass er gleichzeitig hier am Boden saß, verwunderte ihn nicht mehr. Der Stehende beobachtete seinen Zwilling und Bratak dabei, wie sie da unten kauerten und wie in Trance mantraartige Verse in der Dunklen Sprache herunterbeteten. Dabei wiegten sie sanft hin und her. Aber er saß nicht nur da vor sich am Boden. Nun stand noch ein Doppelgänger am Ausgang des Zeltes. Dort hielt er geduldig das Leder nach oben, um eines der Abbilder seiner selbst nach draußen zu geleiten. Getrieben von einem ihm unerklärlichen Bedürfnis nach Erleuchtung schritt Shargah auf den Ausgang zu und nach draußen. Das Lager schien nicht jenes zu sein, in welchem sie sich in der anderen Welt befanden. Es war eigenartig anders und es war verlassen. Niemand war zu sehen außer einer weiteren Manifestation Shargahs, wie er gut 40 Fuß vom Zelt der Schamanen entfernt stand und auf den Horizont zu starren schien. Der Himmel brannte und erstrahlte in grellen, unnatürlichen Farben. Er schien geradezu einen direkten Blick in das Reich der Dunklen Mächte zu gewähren. Weiß strahlende Lichterpeitschen tanzten wie Tentakel über das lila und orange leuchtende Firmament. Die Luft war erfüllt von Dunkler Energie und zerrte an seinen Gliedern und einem Teil seines Geistes. Das Einzige was er hörte, war eine brummelnde, sonore Stimme, welche unaufhörlich schamanische Verse rezitierte.


    Shargahs Blick wanderte zu dem provisorischen Zelt, von dem die Stimme zu kommen schien. Als er sich näherte sah er, dass es sich weniger um ein Zelt handelte, als mehr um eine große Lederhaut, welche über einen in den Boden gerammten Ast aufgespannt war. Darunter saß, wie in Trance, der junge Gor mit dem Pfeil in der Schulter. Aus seinen Augen und der Wunde in seinem Rücken floss ein grelles, grünlich bläuliches, aber vor Allem weißes Licht und schien dann in der Luft zu verdampfen. Der Gor selbst starrte ins Nichts und nahm keinerlei Notiz von Shargah. Stattdessen brabbelte er fortwährend und unablässig die immer gleichen Verse. Seine Stimme hatte etwas Hypnotisches und für einen Behuften ganz und gar Unnatürliches. Der alte Schamane kniete vor dem meditierenden Gor nieder und starrte ihm ins Angesicht. Dann riss sein Gegenüber das Maul weit auf und ein blendendes Licht strahlte daraus hervor. Es floss wie Nebel aus ihm heraus und war so gleißend hell, dass Shargahs Blick ihm kaum standhalten konnte. Der Alte war fasziniert und gerade als er nach dem Licht greifen wollte erklang, ohne dass der Gor die Lippen bewegt hätte, eine markdurchdringende Stimme.


    Shargah war sofort gebannt, als er die ersten Worte vernahm und ihm war klar, dass es kein Sterblicher war, der da zu ihm sprach. Er hatte Kontakt. Um welches Wesen es sich tatsächlich handelte, das konnte er nicht sagen. Und aus seinen bisherigen Geist-Reisen zur anderen Seite wusste er, dass die Wesenheiten des Warp das Geheimnis um ihre Namen hüteten wie Zwerge ihr Gold. Wissen war Macht und sie teilten keine Macht. Sie ließen einen nur etwas wissen, wenn sie es im Namen höherer Mächte taten oder wenn ihnen selbst etwas zum Vorteil gereichte. Er – als Mittler zwischen den Welten – musste dies zu filtern und zu deuten wissen. Seine Interpretation war es, in die die Herden ihr Vertrauen legten. Und so lauschte er bedächtig und stumm auf jedes Wort, das der Dämon - oder was auch immer dieses Wesen sein mochte - ihm mitzuteilen hätte.

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    Kapitel 89 - Schicksal



    Brak hatte unruhige Träume. Nachdem er seinen natürlichen Bedürfnissen nachgegangen war und das erste Mal seit Tagen wieder feste Nahrung zu sich genommen hatte, war er wieder auf sein Lager gesunken und zollte seiner Verletzung erneuten Tribut. Zu größeren Sprüngen war er einfach noch nicht in der Lage und so nutzte er die Ruhe um auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen.


    Shargah wandelte währenddessen noch immer in anderen Sphären und lauschte den Worten des Warpgesandten. Dieser schloss mit den Worten, dass wohl oder Weh der Herden von der Anwesenheit des Einhornigen abhingen. Seine Rettung wäre von entscheidender Bedeutung gewesen. Als Shargah mit einer Frage entgegnen wollte, verzog sich das Gesicht seines Gegenübers zu einer wütenden Fratze und schnellte unvermittelt auf den alten Schamanen zu. Bevor sich die Beiden berührten, wurde Shargahs Welt von einem Blitz in weißes Licht getaucht und schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. Wie verloren schien er für eine Weile in einem unendlichen Meer aus weißem Nichts zu tauchen. Dann erlosch das gleißende Licht um ihn herum und er schreckte mit einem tiefen Atemzug durch das geöffnete Maul aus seinem Traum auf. Bei ihm saß Bratak und regte sich nicht. Er starrte seinen Artgenossen nur wortlos an. Shargah blickte sich suchend um.


    Keine weiteren Abbilder Shargahs, keine Anzeichen, welche auf die Traumwelt hindeuteten. Der Alte schien zurück im Hier und Jetzt zu sein. Noch während er sich aufrappelte, blickte er sich um und an sich herab, wie um sicherzugehen, dass er tatsächlich er selbst sei. Nach der Rückkehr war es nicht immer ganz einfach die Linie zwischen den Regeln der einen und der anderen Seite zu ziehen. Real waren beide Welten. Aber exakt zuzuordnen, was genau zu welcher von ihnen gehörte, das brauchte immer eine Weile. Dann stand Shargah auf, sah Bratak an und ließ ihn wissen, dass er umgehend Graktar sehen müsse. Mit diesen Worten verließ er das Schamanenzelt und machte sich auf den Weg.


    Beim Lager des alten Graktar angekommen, sah Shargah sich mehreren Gors der Söhne des Utu gegenüber. Einer von ihnen stellte sich ihm direkt entgegen, wie um das Zelt seines Herrn vor Eindringlingen abzuschirmen. Die anderen saßen davor und blickten den Schamanen unverwandt an. Als er ihnen verständlich machte, dass er dringend ihren Häuptling sehen müsse und sich bei der Gelegenheit auch um dessen Wunden kümmern würde, zögerten die dunkelhäutigen Gors erst und warfen sich stumme Blicke zu. Dann machte einer der am Boden sitzenden Krieger eine Kopfbewegung in Richtung des Zelteinganges und der Stehende gab schließlich den Weg frei. Shargah schritt sogleich auf die Unterkunft zu und schlug den ledernen Vorhang zur Seite. Er ging hinein und nur wenige Sekunden nachdem er das Zelt betreten hatte, kam Shargah wieder daraus hervor. Er blickte die Söhne des Utu mit einem versteinerten Gesichtsausdruck und fragenden, weit aufgerissenen Augen an. "Er ist fort!?"

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    Kapitel 90 - Schicksal II



    Die Gors sprangen augenblicklich auf und drängten sich an Shargah vorbei, um einen Blick in das Zelt ihres Herrn zu werfen. Mit Entsetzen stellten sie fest, dass der Alte Recht hatte. Graktar war fort. Umgehend fingen sie an die Umgebung abzusuchen. Auf der Rückseite des Zeltes fanden sie schließlich eine Stelle, an der er aller Wahrscheinlichkeit nach hindurchgeschlüpft sein mochte. Sie starrten auf das Flickwerk an Lederhäuten und blickten dann in die Tiefe des Waldes, jenseits des Lagers. Sie hätten kaum eine Chance ihn zu finden. Er konnte bereits sonst wie weit sein und beinahe jede Richtung eingeschlagen haben. Schließlich kannte er sich hier weit besser aus als sie es je tun würden. Und so sank das Herz der Söhne des Utu und auf ihren Bocksgesichtern zeichnete sich Lethargie ab. Ihr Häuptling hatte sein Schicksal gewählt und sich für die Einsamkeit in den Wäldern entschieden. Er hatte sie verlassen.


    Nach einer Weile begannen die Gors das Schweigen zu brechen und miteinander zu sprechen. Schnell stand fest, dass auch sie sich hier und jetzt vom Rest der Herden trennen würden, um den Marsch in die Wälder anzutreten. Ihre Aufgabe war erfüllt, ihrem Treueschwur war genüge getan und über ihr weiteres Schicksal würden die Dunklen Mächte entscheiden, wenn es soweit wäre. Sie würden ihrer Natur folgen und versuchen den Rest ihrer Brüder wiederzufinden, sich vielleicht sogar einer neuen Familie anschließen. Und so packten sie ihre Habseligkeiten und machte sich auf in die Wälder, einem ungewissen Schicksal entgegen.


    Shargah sah ihnen in Gedanken versunken nach und wusste nicht ob oder wie er die Erkenntnisse seiner Geistwanderung mit dem Rest der Herde teilen sollte. Jetzt wo Graktar fort war, hatte sich die Weissagung zu einer Bedrohung entwickelt. Und allein die Formulierung der Botschaft, konnte bereits das Ende der Herdengemeinschaft bedeuten. So beschloss er vorerst diese Last allein zu tragen.


    Für den Rest der Herde war es ebenso an der Zeit die Lager abzubrechen. Die Behuften blieben nie länger an ein und demselben Ort. Zum einen war es nicht sicher und zum anderen konnten sie sich hier nicht dauerhaft versorgen. Regelmäßiges Rauben und Plündern war eine unabdingbare Quelle für viele Güter, welche zum besseren Lebensstandard einer Herde gehörten. Und für diesen Lebensstandard war Gurlak direkt mitverantwortlich. Das war der eine Grund, weswegen er wieder auf die Beine musste. Der andere – und dabei viel wichtigere Beweggrund – war, dass er den letzten Rest von Respekt bewahren musste, den die Herdenmitglieder noch ihm gegenüber hatten. Denn ein Häuptling, welcher zur Last für seine Anhängerschaft wird, hat sein Recht auf Rang und Ruf verwirkt. Und so erhob sich Gurlak mit zusammengebissenen Zähnen und unter Schmerzen von seinem Lager und ließ endgültig mobil machen. Die letzten Karren wurden beladen, Vorräte verstaut und die Reise durch den Drakenwald wurde endlich fortgesetzt.


    Auch Brak lief selbständig, wenngleich er streckenweise auf einem der Karren oder einem Streitwagen aufsitzen musste. Das Holpern über steinigen Boden und das allgegenwärtige Wurzelwerk wirkte sich jedoch nicht sehr zuträglich auf die noch immer pochenden Schmerzen in seiner Schulter aus und so entschloss er sich so oft und so lange es ging, auf den eigenen Bocksbeinen zu reisen. Gurlak durfte sich eine Blöße, wie die Fahrt auf einem der Gepäckkarren, nicht geben. Die Blicke der Anderen schienen sich von Zeit zu Zeit geradewegs in seinen Rücken zu bohren. Und dabei ging es nicht nur um die bewundernswerten Narben und Wundzeichnungen auf seinem Körper, sondern darum Schwäche in seiner Haltung oder seinem Geist zu erkennen. Ein schwacher Führer war die längste Zeit Führer gewesen. Und er wusste, dass nicht nur Ghorhok ihm im Nacken saß, um die Rolle als Herdenoberhaupt an sich zu reißen. Gurlak war sich im Klaren darüber, dass er viel gutzumachen und einiges aufs Neue zu beweisen hatte. Vielleicht sogar früher als er dachte... und sicher eher als ihm lieb sein konnte.

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    Kapitel 91 - Veränderung



    Merrhok war mit den Schädelräubern, seinen persönlichen Ungor Spähern, dem Rest der Herde voraus und sondierte das Gelände, um sichere Passage zu gewährleisten. Hier fühlte er sich wohl. Die Isolation half ihm seine Gedanken zu ordnen und zu einer Unterhaltung mit seinen Artgenossen war er im Moment sowieso nicht in der Lage. Innerhalb der letzten Tage hatte sich sein allgemeiner gesundheitlicher Zustand zusehends verbessert und auch seine Kehle veränderte sich weiterhin. Der Warpsteinbrocken um seinen Hals strahlte eine Art Hitze aus und ab und an überkam den jungen Häuptling ein Hustenreiz. Wenn er sich räusperte, war er mittlerweile zu brummenden Geräuschen in der Lage. Wenngleich er noch nicht reden konnte, war eine deutliche Veränderung – nein sogar eine Verbesserung – eingetreten. Dass der Anhänger auf seiner Brust solch eine Macht über die Funktionen seines Körpers hatte, war ihm dennoch überhaupt nicht Recht. Merrhok mochte es nicht die Kontrolle über sich selbst zu verlieren und so reifte in ihm der Entschluss, den Brocken Warpsteins an Shargah zurück zu geben, wenn er wieder bei der Herde sei.


    Weiter hinten – im Tross der Herde – brütete Shargah noch immer über die Prophezeiung und ob er Gurlak vielleicht auf irgendeine Art dazu bringen könnte, Graktars Spur aufzunehmen und ihn wieder ausfindig zu machen. Im Moment war noch kein Unglück über die Herde hereingebrochen, aber er befürchtete ernsthaft, dass sich dies jederzeit ändern könnte, wenn sie den Einhornigen nicht schnellstmöglich finden würden. Mit den Mächten des Chaos war nicht zu spaßen und er nahm die Bedrohung, welche über ihnen allen schwebte, äußerst ernst. Die Zeit arbeitete gegen ihn und die gesamte Herde. Der Alte wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als plötzlich Unruhe vom Ende des Herdenzuges zu ihm drang. Gors und Ungors rannten hin und her, Warnrufe waren zu vernehmen. Dann preschte Ghorhok an ihm vorbei und hielt auf den Herd der Unruhe zu. Gurlak folgte ihm, begleitet von einigen Gors.


    Wenige Momente zuvor hatte Hufgetrappel die Aufmerksamkeit einiger der Ungors, welche die Nachhut des Zuges bildeten, geweckt und als sie sich umwandten, um dem nachzugehen, fiel einer von ihnen, von einem Speer durchbohrt, zu Boden. Seine Artgenossen stoben augenblicklich unter panischen Schreien auseinander. Dann ritt ein mächtiger, bärtiger Kurgan mit langem dunklem Haar auf einem schwarzen Ross durch ihre Reihen und hieb einen weiteren Ungor mit seiner Axt nieder, bevor er sein Reittier herumriss und wieder davonpreschte. Einige der Ungors schickten ihm Pfeile und Speere hinterher, vermochten aber nicht ihn zu treffen. Als Nächstes traten einige der kräftigeren Gors auf den Plan. Einer von ihnen hockte sich neben den durchbohrten Ungor und untersuchte den Speer, welcher aus dessen Brustkorb ragte. Dann raunzte er seinen Artgenossen etwas Unverständliches entgegen und sie hefteten ihren Blick auf den Pfad, auf dem der Reiter gekommen war. Dabei hoben sie ihre Schilde höher vor ihre Oberkörper, als ob sie jeden Moment einen Angriff erwarteten. Währenddessen machten zwei von ihnen sich auf den Weg nach vorn, um zu berichten was vorgefallen war.


    Die Nachricht hatte noch nicht die Runde gemacht, da kamen sie wieder. Diesmal waren es mehrere und sie ritten in einer Kolonne auf dem schmalen Pfad durch das Unterholz. Drei von ihnen schleuderten den Gors ihre Wurfäxte entgegen und fällten einen der Gehörnten, während die anderen Beiden ihre demolierten Schilde unter dem Gewicht der Beile sinken ließen. Die Barbaren senkten ihre Speere und durchbohrten die beiden entblößten Gors. Die Pferde trampelten zwei vor Entsetzen gelähmte Ungors nieder und preschten durch die ungeordneten Reihen der Tiermenschen.


    Ghorhok sah vor sich einen der wilden Reiter, leicht in seinem Sattel nach vorn geneigt und je eine Axt in beiden Händen, direkt auf sich zu halten. Der mächtige Gor ging in die Knie und spannte die Oberschenkel an. Dann verlagerte er sein Gewicht nach vorn und senkte den Schädel. Als er sah, wie der Kurgan sich leicht in seinem Sattel zur Seite beugte war Ghorhok klar, dass er links an ihm vorbeiziehen würde. Dann führte er die krude Axt in seiner Rechten nach links und zog sie mit voller Kraft, auf Höhe zwischen Beinen und Rumpf des Reittiers, durch. Der Aufprall war mörderisch. Die Axt drang tief in das Gelenk und trennte das linke Bein des Tieres beinahe vollkommen ab. Die Klinge blieb jedoch im Rumpf stecken und wurde aufgrund der hohen Geschwindigkeit und Kraft Ghorhoks Griff entrissen. Der Kurgan verlor das Gleichgewicht und der von ihm geführte Schlag gegen den gehörnten Hünen glitt an dessen Hörnern ab um von der metallenen Stirnplatte abzuprallen. Der Reiter selbst stürzte aus dem Sattel und riss sich im Flug eine tiefe Bauchwunde an den scharfen Hörnern des Gors, den er noch halb mit sich riss.


    Der Bronzehuf drehte sich um, so schnell er konnte und schüttelte kurz seinen breiten Schädel, wie um den Schmerz abzuschütteln, welchen der Zusammenprall eben verursacht hatte. Vor ihm am Boden lag der breitschultrige Norse und war gerade dabei sich wieder zu erheben. Die stechenden, in tiefen Höhlen liegenden Augen des Kurgan waren fest an Ghorhoks Blick geheftet und wie er sich erhob, wäre er beinahe über das Gedärm gestolpert, welches ihm aus dem aufgerissenen Unterleib hing. Leicht nach vorn gebeugt und die Schmerzen augenscheinlich ignorierend, machte der dunkelhaarige Barbar einen Seitwärtsschritt, wie ein Raubtier, welches seine Beute umkreist, bevor es zuschlagen würde. Ghorhok tat es ihm gleich um machte zwei Seitwärtsschritte, welche die Bewegung des Gegenübers wieder ausglichen. Seine leeren Pranken waren weit geöffnet, als würde er den bulligen Norsen jeden Moment packen wollen. Während die Beiden sich umschlichen, fand das Pferd am Rande dieser Szene gerade sein Ende und wurde unter Axthieben und Speerstößen von den Behuften erlöst. Gerade wollte Ghorhok zum Sprung ansetzen und dem Nordlandbären vor sich den Rest geben, da wurde dieser von einer schweren Axt getroffen, welche seinen Schädel in zwei Hälften spaltete. Der Norse sackte auf die Knie und brach tot zusammen. Ghorhok riss wütend den Schädel herum, um zu sehen wer ihn da seines Kampfes beraubt hatte und blickte in die Augen von Gurlak, welche unter dessen Bestigor Haube hervorblitzten. Nach diesem kurzen Augenblick, des Erkennens und Verstehens, wandte der Verderbte sich sofort wieder ab, um mit seiner zweiten Axt einen der anderen Reiter aus dem Sattel zu holen und in blutige Stücke zu hacken. Wie der Häuptling so wütete, war beinahe nicht zu glauben, dass er vor kurzem erst schwer verwundet worden war. Ghorhok wurde klar, dass Gurlak ihm die Führung über die Herde keineswegs schenken würde.


    Als die Reiter allesamt niedergemacht waren, ordnete Gurlak den zügigen Weitermarsch an, während sich einige Späher ins Unterholz schlagen sollten, um einen erneuten Überfall im Rücken des Zuges auszuschließen. Der narbenübersäte Häuptling schien wieder in seinem Element zu sein und die Herde rückte wieder merklich unter seiner kompromisslosen Führung zusammen.


    Wie zum Trotz nahm Ghorhok sich einen Dolch vom Gürtel des toten Kurgan und schnitt dessen Bauchdecke bis zum Brustbein auf. Dann griff er zielsicher in den oberen Bauchraum, schien zu finden was er suchte und riss zwei Mal kräftig. Dann holte er die Leber des Toten hervor und schlang sie in zwei gierigen Bissen hinunter. Dabei lief ihm das warme Blut aus dem Maul und über die Brust. Gurlak sah ruhig zu und beschloss kein Wort über Ghorhoks kleinliche Rebellion zu verlieren. Wenn dieser Emporkömmling eines nicht verdient hatte, dann war es Gurlaks Meinung nach zu viel Aufmerksamkeit. Und so wand sich der Häuptling – obwohl er Anspruch auf das Herz des toten Kriegers gehabt hätte – ab und ließ den Bronzehuf stehen. Daraufhin setzte sich der Herdenzug wieder in Marsch und die abkommandierte Nachhut lag in den Schatten des Unterholzes in Deckung bereit.

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    Kapitel 92 - Auf der Lauer



    Die in Stellung gegangenen Kundschafter verteilten sich im Gelände um den Pfad und verbargen sich in Gebüschen und hinter Bäumen, um unbemerkt den Weg beobachten zu können. Eine Weile nachdem die Herde davongezogen war, konnten sie erneut Bewegung aus jener Richtung ausmachen, aus der die Angreifer zuvor gekommen waren.


    Erst hörten sie Hufgetrappel, dann das Schnauben von Pferden und Stimmen. Eine weitere Gruppe von Reitern hatte sich genähert und machte kurz Halt, um die angenagten Leichen ihrer Stammesbrüder und die Überreste von deren Reittieren zu begutachten. In Kombination mit den zahlreichen Hufabdrücken, welche den Erdboden ringsum bedeckten, zeichnete sich für die Norsen ein relativ klares Bild dessen, was hier vorgefallen sein musste. Augenblicklich schoss der Blick eines der Reiter – ein graubärtiger Riese, mit ledernem Helm und beeindruckenden Tätowierungen - welcher eben noch die Kadaver am Boden betrachtet hatte, in Richtung des Unterholzes. Akribisch suchten seine Augen das Dickicht nach verräterischen Spuren und Bewegungen ab. Dann brummte er seinen Männern etwas Unverständliches entgegen und sie machten umgehend Kehrt.


    Die Ungors, welche noch immer regungslos in ihrer Deckung lagen, warfen sich Blicke zu. Wenn die Kurgan zurückritten, konnte dies ihrer Meinung nach nur zwei Gründe haben. Entweder hatten sie Verstärkungen in der Nähe und würden diese nun zusammenziehen, um einen massierten Angriff zu planen und Rache zu nehmen oder aber, sie hatten ihren Rückzug nur vorgetäuscht und warteten jetzt darauf, dass sich die Späher verrieten indem sie ohne weiteres ihrer Deckung verließen.


    Keiner der Ungors wagte es, sich zu bewegen und Einer, welcher hinter einem der dickeren Bäume lehnte, führte seinen Zeigefinger an den verzerrten, reißzahnbewährten Mund. Damit ermahnte er jene, welche ihn im Blickfeld hatten, zur absoluten Stille. So lagen sie noch eine Weile, bis sie sicher waren, dass niemand mehr in der Nähe auf sie lauern würde. Dann warfen sie sich erneute Blicke zu, gaben sich Handzeichen und zwei von ihnen setzten sich daraufhin – vorsichtig und so geräuscharm wie nur möglich – ab, um zur Herde aufzuschließen. Dort würden sie Bericht über das erstatten, was sie hier in Erfahrung bringen konnten.


    Runor Gorblatsson sah im Augenwinkel wie sich etwas im Dickicht bewegte. In diesem Moment war ihm klar, dass sie tatsächlich beobachtet worden waren und ihn seine Sinne nicht getäuscht hatten. Dennoch hatte er nicht vor, sich selbst aus seiner Deckung zu begeben oder sie gar zu verfolgen. Die Gefahr, dass da draußen noch mehr von den stinkenden Bestien im Unterholz liegen könnten war schlicht zu groß und wenn er eine Konfrontation suchte, würde er sicherstellen, dass er in der Übermacht wäre. Daran, in diesen verfluchten Wäldern als abgenagter Kadaver am Wegesrand zu enden, hatte er keinerlei Interesse. Und so bewegte er sich nur sehr langsam rückwärts, bis er sich sicher sein konnte aus dem Sichtfeld möglicher Späher verschwunden zu sein. Dann lief er zu Fuß zurück zum Rest seiner Männer, saß auf seinem Hengst auf und sie ritten ohne ein weiteres Wort zu verlieren davon.

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    Kapitel 93 - Erkenntnis



    Brak saß hinten auf einem der Gepäckwagen und starrte auf die Ungors, welche hinter seinem Karren her liefen. Das Gefährt holperte gemächlich über den unebenen Waldboden. Ab und zu erhielt Brak einen kräftigen Ruck, sodass ihm ein Schmerz in die Schulter fuhr, und er spielte mit dem Gedanken doch lieber zu laufen. Auf seinem Schoß lag seine neue Axt. Sie war weniger rostig als die vorherige und noch schien sie ihm zu schwer, um sie problemlos im Kampf zu schwingen. Allein das Anspannen der Muskeln beim Heben der Waffe verursachte noch bösartige Schmerzen. Aber er hatte sich vorgenommen gegen den Schmerz anzukämpfen. Ihn immer und immer wieder zu fordern und zu bezwingen, bis er schließlich ganz und gar verschwunden wäre. In Braks Kopf formte sich so das Bild, dass er aus dieser Herausforderung noch stärker hervorgehen würde als je zuvor. Er war fest entschlossen seinen alten Platz in der Herde wieder einzunehmen und bald nicht mehr als Versehrter, als halber Gor, gesehen zu werden.


    Shargah hingegen hatte ganz andere Gedanken, als er den langsam erstarkenden Gor betrachtete. Es fiel ihm ausgesprochen schwer, zwischen dem Wesen seiner Geistwanderung und dem Gor, welcher nun da auf dem Karren saß, zu unterscheiden. Noch immer erwartete der alte Schamane, dass die Augen des Behuften plötzlich wieder zu glühen begännen und er ihn dafür verlachen würde, dass Graktar die Herde so plötzlich verlassen hätte und somit das Ende der Gemeinschaft besiegelt sei. Aber nichts dergleichen geschah.


    Stattdessen war da etwas anderes was ihn störte. Nur konnte er nicht ausmachen was es war. Er sah einen ganz normalen Gor, keinen Dämon, keinen Besessenen oder Mutanten. Und doch irritierte ihn etwas beim Anblick dieses verkappten Schamanen. So grübelte Shargah noch eine ganze Weile, dachte zurück an die Nacht, in der dieser Gor halb tot zu ihm gebracht worden war, wie er vor ihm lag, auf der Schwelle zum Tode, beinahe heimgekehrt zu den Vätern ihrer Art. Und doch war da noch genügend Kampfgeist und ein unglaublicher Überlebenswille in diesem verdreckten und verfilzten Häufchen Elend. Genug, um den Kampf aufzunehmen, sich dem Schmerz und dem Todeskampf zu stellen, vom Väterchen des immerwährenden Lebens errettet oder im Stich gelassen zu werden. Dieser Gor war zu einem Kampf angetreten, wo andere bereits längst bei den Würmern gewesen wären. Natürlich hatte Shargah sein Bestes getan, ihm dabei zu helfen. Aber letzten Endes war es der Wille dieses seltsamen Gors, der darüber entschieden hatte, dass es noch nicht an der Zeit war. Und nicht nur das. Dann begegnete der alte Schamane ihm auch noch auf seiner Reise zu den Dunklen Mächten und sie entschieden sich dazu, ihren Boten durch ihn sprechen zu lassen. Ausgerechnet ihn?


    Shargah runzelte die Stirn unter seiner weiten Kapuze, als er mit ruhigen Schritten, auf seinen langen Stab gestützt, hinter dem Gepäckwagen her schritt. So grübelte er noch eine Weile, wortlos und verloren in Erinnerungen und Gedanken an mögliche Zukunftsszenarien, als es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel. Die Stirn des Alten entspannte sich genauso schlagartig wie seine Kiefermuskulatur. Seine Augen waren weit aufgerissen und aus seinem Blick sprachen Unglauben und Fassungslosigkeit. Er blieb unweigerlich stehen, als ob sein Körper ihm nicht mehr gehorchen wolle und langsam bewegten sich seine Lippen. Dann gehorchte ihm auch seine Zunge wieder und er sprach, erst stammelnd und dann deutlicher, "Ho- Hor- nh- ... er hat... Er hat nur ein Horn".

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    Kapitel 94 - Erkenntnis II



    Shargah war verwirrt und seltsam erleichtert zugleich. Er wusste nicht was er denken oder sagen sollte. Er verfiel wieder in einen ruhigen Schritt, senkte sein Haupt und die Mundwinkel seines ziegenhaften Gesichts gingen unweigerlich nach oben. Er versuchte sich zu besinnen, was der Bote gesagt hatte. Da war kein Wort von Graktar gewesen. Nichts was explizit auf ihn hingedeutet hätte, außer der Tatsache, dass auch er – als anerkannter Gor – nur ein einziges Horn auf dem Haupt trug.


    Bei genauem Hinsehen, schien der schamanische Gor einen Horn Stumpf zu haben. Er mochte das Horn also in irgendeinem Kampf verloren haben, es würde aber irgendwann wieder nachwachsen. Auf die Gültigkeit der Prophezeiung sollte dies jedoch keinerlei Auswirkung haben. Er hatte hier einen Gor mit nur einem Horn und die Tatsache, dass die Herde noch immer bestand, reichte ihm als Beweis, dass dies der Gor aus der Prophezeiung sei und nicht Graktar.


    Der Alte beschleunigte seinen Schritt und trat an den Karren heran. Brak schaute den betagten Schamanen an und fühlte sofort die Scham darüber in sich aufsteigen, dass er als junger Gor auf einem Wagen saß, während ein Alter laufen musste. Sogleich sprang Brak vom Karren ab und spürte ein warnendes Stechen, von seinem Rücken her kommend. Dann bot er dem Schamanen seinen Platz auf der Ladefläche des Wagens an. Shargah winkte ab, was Brak natürlich nicht gerade half die eigenen Schamgefühle abzuschütteln. Gerade als der junge Gor sich peinlich berührt entfernen wollte, erhob der Alte in ruhigem Ton seine Stimme und fragte, "Wie ist dein Name, junger Krieger?" Brak schaute ihn verdutzt an, war aber innerlich gleich wieder ein Stück gewachsen, als er vernahm, dass der Weise ihn einen Krieger nannte. "Brak", antwortete er, "Mein Name ist Brak". Der Alte ließ seinen Blick fest auf den Weg vor ihnen geheftet und begann unvermittelt ein längeres Gespräch mit dem jungen Gor, in welchem er den Schlüssel zu Wohl und Weh der gesamten Herde gefunden zu haben glaubte.


    Merrhok war gerade von seinem Spähposten zurückgekehrt und wollte Shargah den Warpstein Talisman zurückgeben, da sah er seinen Schamanen mit dem jungen Gor. Anstatt sie zu unterbrechen, entschloss er sich die Beiden erst ein wenig zu beobachten. Aus irgendeinem Grund empfand er kein Unbehagen, keinen Neid oder Zorn. Es mochte wohl daran liegen, dass der Gor, mit welchem der Alte sich da unterhielt, dem Augenschein nach kein allzu mächtiger Krieger sein mochte. Merrhok befürchtete also somit nicht, dass Shargah sich einen neuen Häuptling suchen könnte. Nein, dieser Gor hatte – ganz unabhängig von der Verletzung an seinem Rücken – etwas an sich, was ihn so ganz und gar nicht als Konkurrenten erscheinen ließ. Wie genau er auf diese Idee kam, wusste Merrhok nicht. Es war eine Art Bauchgefühl oder besser gesagt, das Ausbleiben eines solchen Gefühls. Und die Behuften waren in solchen Belangen sehr sensible Wesen. Konkurrenz und Neid konnten die Besten unter ihnen schon Meilen gegen den Wind riechen. Dieser Gor dort jedoch, hatte so gar nichts von dem, was Merrhok hätte Sorgen machen können. Er wäre sich nicht einmal wirklich bewusst gewesen, ihn schon einmal zuvor auch nur bemerkt zu haben. Und umso seltsamer erschien es ihm, dass sein Schamane die Zeit damit zu vergeuden gedachte, ein Gespräch mit solch einem Zeitgenossen zu führen.

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    Kapitel 95 - Verloren in Gedanken



    Ghorhok lief in unmittelbarer Nähe zu Gurlak. Noch immer brodelte es in ihm und er kam nicht darüber hinweg, dass der Verderbte ihm die Befriedigung genommen hatte, seinen Feind mit den eigenen Händen zu töten. Würde es nicht gegen seinen Kodex verstoßen, hätte der Bronzehuf ihn dafür gern hier und jetzt niedergestreckt und sein Herz gefressen. Aber damit würde er warten, bis zu einer größeren Versammlung, mit einem breiteren Publikum und der Chance mehr zu gewinnen, als nur seine persönliche Befriedigung. Letztere würde nur eine Dreingabe sein, wenn er zum Herrscher über die vereinten Herden aufsteigen und all seine Herausforderer in den Staub treten würde. Im Moment lenkte er sich mit Fantasien über seinen Triumph ab, während der Rest der Herde wieder langsam damit begann Gurlak als ihren rechtmäßigen Führer zu betrachten.


    Auch der Verderbte spürte, wie Ehrfurcht und Vertrauen der Herde ihm gegenüber wieder zunahmen. Mit jedem Tag, den sie unterwegs waren, hatte er mehr und mehr zu seiner alten Form zurückgefunden. Mittlerweile konnte er sogar beinahe wieder voll und ganz durchatmen ohne das Gefühl zu haben, dass seine Wunde reißen und die Lunge kollabieren würde. Es fühlte sich gut an wieder frei von Schmerzen zu sein und einen großen Teil der schnellen Genesung hatte er seinem Schamanen Bratak zu verdanken. Der bleiche Seher hatte das Beste aus dem gemacht, was die Skaven mit Gurlaks Wunden angestellt hatten. Doch hätte all dies nichts genützt, wenn die Nager dem Gor nicht zuvor mit ihrer verqueren Art der Erstversorgung das Leben gerettet hätten. Auf obskure Art mussten die beiden Behuften – und mit ihnen die ganze Herde – diesem Ungeziefer also dankbar sein. Ohne sie gäbe es keinen Gurlak mehr, keine Herde, die es zu führen gälte.


    Bratak grübelte über das, was er seinerseits bei der Geistwanderung zu den Dunklen Mächten in Erfahrung gebracht hatte. Seine Reise war kürzer gewesen als jene von Shargah. Er war dabei, als der Alte zurückkehrte und hätte gern gewusst, was dieser in Erfahrung gebracht hatte. Seine eigene Vision schien ihm zumindest recht deutlich gewesen zu sein.


    Alles hatte begonnen, wie es das beinahe jedes Mal tat, wenngleich sie diesmal nicht an einem Herdenstein und in größerer Gesellschaft gewesen waren. Nach endlosem Rezitieren, Singen, Rauchen und Trinken hatte sie den Blick auf die andere Seite erlangen können. Erst hatte Bratak geglaubt noch immer im Lager zu sein, da beinahe alles ausgesehen hatte wie er es erwartet hätte. Als er jedoch in Shargahs Antlitz blickte und der Alte kein Maul – dafür aber neun Augen – hatte, war ihm klar gewesen, dass er die Grenze bereits überschritten hatte. Daraufhin hatte Shargah sich erhoben und das Zelt verlassen, während Bratak wie angewurzelt an Ort und Stelle bleiben musste. Seine Beine hatten sich strikt geweigert ihm zu gehorchen und hätten sich keinen Zoll bewegen wollen, so sehr er es auch versucht hätte. Dann war ein seltsamer Dunst aus der Asche des Lagerfeuers vor ihm aufgestiegen und die Glut hatte erneut begonnen in hellem Orange, Lila bis hin ins Blaue zu glühen. Bratak hatte wie gebannt in das Spiel der Farben gestarrt und sich darin verloren. Als die Stimme zu ihm zu sprechen begonnen hatte, war er erst davon überzeugt gewesen, dass es sich um seine eigenen Gedanken gehandelt habe. Aber als die Stimme immer eindringlicher geworden war, hatte er sich endlich aus seinem meditativen Zustand gelöst und begonnen aufmerksam zu lauschen, was ihm sein Patron mitzuteilen hatte.

  • Ich musste eben noch einmal sämtliche Bilder durchforsten und tatsächlich! Brak hat ja nur ein Horn! =O
    Ich dachte immer, das wäre nur in einem Winkel nach hinten abgeknickt, so dass man es nicht sieht...
    Also weiterhin großes Lob! Lass dich nicht von ausbleibenden Kommentaren entmutigen! Obwohl... Wenn du mal eine Weile nichts schreiben würdest, kämen sicherlich einige . ;)


    Das also sind diese Tage, an denen man zuhause sitzt, Bier direkt aus der kaputten Kaffeemaschine trinkt und wartet, dass es regnet, damit man endlich raus kann. - Horst Evers

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    Kapitel 96 - Schicksal III



    Nach der Serie von Unwettern, welche innerhalb der letzten Tage die Region heimgesucht hatten, war der Boden des Drakenwaldes aufgeweicht und schlammig. Ein Vorankommen war nicht einfach und in den meisten Fällen eine zeit- und kraftraubende Angelegenheit. Die Herde, unter Gurlaks Führung, war dennoch in der Lage relativ zügig, auf den verborgenen Pfaden der Tiermenschen Jagdgründe, nach Norden weiterzuwandern. Sie folgten ihrem ursprünglichen Kurs, wenngleich von der ursprünglichen Streitmacht kaum noch etwas übrig geblieben war.


    Gurlak beriet sich mit Bratak und Shargah, ob die Dunklen Mächte denn überhaupt noch wollten, dass sie diesen Weg nach Norden nähmen. Die beiden Schamanen ließen ihn wissen, dass sie auf ihrer Geistwanderung keinerlei Botschaft erhalten hätten, welche etwas anderes vermuten lassen würden. Die Vision, welche sie damals am Herdenstein hatten, sei somit noch immer gültig und die Stimmen hatten Bratak zudem einen expliziten Ort genannt, welchen die Herde erreichen sollte. Dort würden sie erneut Kontakt miteinander aufnehmen, weitere Instruktionen erhalten und die Ränge ihrer Krieger sollten sich mit Unmengen neuer Behufter füllen. Dann blickten sich die beiden Schamanen kurz gegenseitig an und waren beinahe in der Versuchung zu erwähnen, dass es auch kryptische Warnungen gegeben hatte. Aber so lange die genaueren Bedeutungen dieser Botschaften noch in den Schatten lägen, würden sie sie vorerst für sich behalten. Shargah erwähnte stattdessen, dass die Versammlungsstätte im Norden verborgen inmitten der Berge läge. Er sei bereits einmal dort gewesen und wüsste um den verborgenen Pfad, welcher die Herde an ihr Ziel bringen würde. Es sei von absoluter Wichtigkeit, dass sie den dort gelegenen Herdenstein erreichten, bevor die Herde sich aufzulösen drohte oder vernichtet würde.


    Gurlak schien verstanden zu haben und erwiderte nichts. Er sah die Beiden nur an und nickte kurz. Anschließend richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf das, was einen Häuptling mächtig werden und bleiben ließ, das Erspähen und Ausschalten potentieller Bedrohungen. Dabei war völlig egal ob die Gefahr von innen oder außen käme, ihn allein oder gar seine ganze Herde in Gefahr brächte. Er sah es als seine persönliche Aufgabe und Verantwortung an, Schaden von der gesamten Herde fernzuhalten. Als ihr Herrscher war er für das Wohlergehen all seiner Untergebenen verantwortlich. Wenn Späher von ihren Streifzügen zurückkamen und berichteten, musste er die Entscheidungen treffen, was mit ihren Neuigkeiten anzufangen sei und was die Herde als nächstes zu tun hätte. Eine solche Verantwortung lastete schwer auf den Schultern der meisten Häuptlinge. Gurlak hingegen hatte immer das Gefühl gehabt, sich genau damit am wohlsten zu fühlen. Er war ein geborener Beschützer. Als Bestigor war es sein Häuptling und die Krieger an seiner Seite, für die er da war, wenn die Not am größten schien. Und nun waren es ganze Herden, deren Geschicke er leitete und deren Schicksal in seinen Pranken lag… Zumindest noch bis vor kurzem.


    Die Erinnerung schmerzte ihn, mehr noch als seine heilenden Wunden. Um aufs Neue eine so mächtige Kriegsherde zu vereinen wie vor Antritt der Reise, hätte er einen langen und beschwerlichen Weg zu beschreiten. Nur mit eiserner Faust und Entschlossenheit wäre er wieder dazu in der Lage, andere Stämme unter sein Banner zu zwingen, während er das Werk der Dunklen Mächte vollbringen würde.


    Hier und jetzt musste er vor Allem Acht auf Emporkömmlinge wie Ghorhok und Bedrohungen, wie diese Nordmann Reiter, geben. Es galt einen Schritt nach dem anderen zu machen. Denn wer den Zweiten vor dem Ersten täte, würde stolpern, fallen und gnadenlos unter den Hufen der Realität zertrampelt werden. Unzählige Häuptlinge waren seit dem Beginn der Herrschaft des Chaos von einem solchen Schicksal ereilt worden. Sie strebten nach zu viel, wollten es zur falschen Zeit und ließen dabei jene Bedrohungen außer Acht, welche ihr Ende brachten. Er hatte nicht vor, den gleichen Fehler zu begehen. Sein kürzlich durchlebtes Nahtoderlebnis war zum Weckruf für ihn geworden. Alles war vergänglich und würde früher oder später im Mahlstrom des Chaos untergehen. Er hatte verstanden, dass auch er nur ein kleines Licht in der Großen Dunkelheit war. Seine früheren Bestrebungen zu einer lebenden Legende zu werden, waren die bemitleidenswerten Sehnsüchte eines sterblichen Wesens. Soviel hatte er verstanden. Sie bedeuteten nichts, wenn man das große Ganze betrachtete. Die Einzigen, welche über Raum und Zeit triumphieren würden, waren die Schöpfer seiner Art, die Dunklen Mächte des Warp. Auf dieser Erde gäbe es keinen Ruhm, keine Unvergänglichkeit, keine Perspektive, keine Zukunft. Entweder würde er wahre Unsterblichkeit erlangen oder im Sand der Zeit vergehen. Und so sah er seine Aufgabe darin, den Willen seiner Erschaffer, seiner Patrone, zu erfüllen. Sie würden durch die Schamanen zu ihm sprechen und er würde helfen ihre Pläne zu verwirklichen. Bis es soweit wäre, würde er das tun was er am besten konnte, das vergängliche Leben derer zu erhalten, welche ihn als ihren Führer anerkannten.