Unterm Herdenstein (eine Tiermenschen Geschichte) - Des Dramas Vierter Teil

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    Kapitel 173 - Das Schmettern der Wellen



    Den Schädel seines Opfers noch bei einem der Hörner gepackt, sprang Merrhok vom Rücken der verstümmelten Leiche herab und trat an Shargah heran. Als er den Augenkontakt zu dem Alten suchte, bemerkte er sofort, dass etwas die Aufmerksamkeit des Schamanen geweckt haben musste. Von jetzt auf gleich schien er ihn gar nicht mehr zu beachten. Stattdessen starrte er in den Wald hinter ihm, ins Nichts. Merrhok blickte sich um, konnte aber keine Bewegung erspähen. Dort war es still. Das Kampfgetümmel war genau auf der anderen Seite, direkt vor ihnen. Gerade wollte er auf den nächsten Feind losgehen, da hörte er es. Erst war es ein Raunen, über den Lärm der Schlacht kaum wahrnehmbar, dann wurde es deutlicher und lauter.


    Plötzlich, Bewegung im Unterholz. Die Büsche zwischen den Bäumen brachen explosionsartig auseinander und riesige, behaarte Keiler jagten genau auf Shargah und den stummen Häuptling zu. Sie zogen krude, primitiv zusammengezimmerte Streitwagen hinter sich her, welche in halsbrecherischer Fahrt über den unebenen Waldboden bretterten. Merrhok konnte gehörnte Bestien auf den Wagen erkennen und unter ihnen war eine Geweihkrone, deren Silhouette so unverkennbar war wie der Kriegsschrei, welcher unmittelbar darauf durch das Unterholz tönte. Die Nachzügler - von vielen der Herdenmitglieder schon vergessen - hatten tatsächlich aufgeholt. Gurlak war hier.


    Merrhok biss den eben noch lose herabhängenden Unterkiefer fest auf sein Gegenstück und ließ ein deutlich hörbares Schnauben los, bevor er Shargah am Arm packte und den Weg für die schnell heranpreschenden Wagen freimachte. Dann stürmte er auf eine Gruppe von Feinden zu, welche er vor sich ausgemacht hatte. Schließlich war er nicht hier, um einen gefallenen Häuptling beim Kampf zu beobachten, sondern um selbst das Geschenk des Todes unter seine Feinde zu tragen. Die Neuankömmlinge ignorierend, schnappte er sich einen Speer und eine am Boden liegende Hand-Axt. Dann beschleunigte er seinen Schritt, um seine blinde Wut an jenen auszulassen, die es gewagt hatten sich der vereinten Kriegs-Herde hier in den Weg zu stellen.


    Weiter vorn befanden Ghorhok und seine Leibgarde sich inmitten einer Orgie des Blutvergießens und der Zerstörung. Das Aufeinandertreffen mit kampfwilligen Gegnern hatte für ihn und seine Krieger etwas Befreiendes. Wie bei einem Vulkan, der allzu lange unter der Oberfläche gebrodelt und Druck aufgebaute hatte, setzte sich nun die zerstörerische Kraft ihrer unterdrückten Urbedürfnisse frei. Die Kapuzen, Kutten und Kettenhemden der Bestigors waren durchtränkt mit dem Blut beider Seiten. Sie nahmen den Tod genauso bereitwillig und emotionslos wie sie ihn zu geben bereit waren. Viele ihrer Feinde teilten diese bedingungslose Hingabe nicht im gleichen Maße und waren angesichts der beängstigenden Gleichgültigkeit des Gegners zurückgewichen. Horden nackter, nachtschwarzer und mit weißer Kriegsbemalung geschmückter Gors warfen sich ihnen in immer neuen Wellen entgegen. Mit roher Wildheit und rostigen Äxten gingen sie auf ihre Widersacher los wie gereizte Stiere im Angesicht des nahenden Todes. Der Blutzoll war erschreckend hoch, aber dennoch strömten kontinuierlich mehr der primitiven Gors herbei.


    Ghorhok wütete und sein Brüllen zog Freund und Feind an wie ein Magnet. Was als Befehl zum Sammeln für die Einen wirkte, war wie eine trotzige Herausforderung für die Anderen. Bestialische Urinstinkte waren alles was ihn in Momenten wie diesen antrieb. Gleich einem Jünger des roten Gottes, mähte er seine Feinde nieder, wie eine Sense die Halme des Weidegrases. Blut und Eingeweide bedeckten den Waldboden und tränkten das Erdreich.


    Gerade hatte er einem langgliedrigen Gor mithilfe seiner Hand-Axt eines von dessen Bocksbeinen unter dem Rumpf abgetrennt, da traf ihn die Spitze eines Speeres im Rücken, oberhalb seines Bronzepanzers. Schaum spritzte von seinen Lippen, als er gellend aufheulte. Der Schmerz schoss wie ein lähmender Blitz durch seine Glieder und ließ gleich darauf wieder nach. In wilden Hieben hackte der Bronzehuf nach seinem Angreifer, packte den Schaft der Stichwaffe, bevor sie ihn erneut beißen konnte und grub das Blatt seines Beiles tief in die Schulter des überrumpelten Gegners. Es brauchte einige Zeit und Kraft, die Klinge der Axt aus dem Körper des Toten zu befreien und unterdessen drangen weitere Gors von allen Seiten auf ihn zu. Ghorhoks Garde hackte sich – gleich einem Fleischwolf – zu ihrem Herrn durch, um einen Ring zu seinem Schutz zu bilden, doch die nackten Wilden waren, dank ihrer kleineren und leichteren Handwaffen, einfach schneller. Sie schwemmten über die Lichtung wie eine Flutwelle aus nackten, schwarz bemalten Leibern. Ihre Zahl war ohne Gleichen und auch ihr Kampfeswille schien kein Ende nehmen zu wollen.

  • Oha! Das muss schon etwas heißen, wenn diese Angreifer Ghorhok und seinen Leuten als "nackte Wilde" erscheinen! :tongue:
    Von denen hätte ich gern ein Bild gesehen (egal ob als Zeichnung oder als Minis). ^^


    Das also sind diese Tage, an denen man zuhause sitzt, Bier direkt aus der kaputten Kaffeemaschine trinkt und wartet, dass es regnet, damit man endlich raus kann. - Horst Evers

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    Von denen hätte ich gern ein Bild gesehen (egal ob als Zeichnung oder als Minis). ^^


    quick and dirty... just for you...



    Die tragen nichts weiter als ihre Kriegsbemalung am Leib und heben sich somit nur unwesentlich voneinander ab. Der Individualisierungs-Prozess - wie ein Gor ihn zu durchlaufen beginnt, wenn er die erste Hürde in der Hackordnung überwunden hat - und welcher auch sehr visuell - mittels Kleidung, Schmuck, Fetischen, Totems, Rüstung und Waffen - ausgelebt wird, ist bei diesen "wilden Gors" nicht erkennbar. (Grund dafür kann zum Beispiel sein, dass sie von einem mächtigen Schamanen dauerhaft kontrolliert und gelenkt werden. Somit ist der egoistische Aspekt und somit die gesamte Hackordnung ausgesetzt. Der Tiermensch "funktioniert". Im Spiel kann man so etwas z.B. über das "Mal des Slaanesh" darstellen.)

  • Wow, ich bin geschmeichelt. :O
    Willenlose Zombie-Gors? (Außer, dass ihre Bewegung nicht eingeschränkt ist.) Was kommt noch alles auf uns zu? =O Ich bin gespannt!
    Slaanesh ist doch, wenn ich nicht irre, dein Chaosgott der Wahl. Wie wirkt sein Mal? (vor allem spieltechnisch, bin ja mit der 7. eingestiegen und habe Endtimes übersprungen)


    Das also sind diese Tage, an denen man zuhause sitzt, Bier direkt aus der kaputten Kaffeemaschine trinkt und wartet, dass es regnet, damit man endlich raus kann. - Horst Evers

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    Slaanesh ist doch, wenn ich nicht irre, dein Chaosgott der Wahl. Wie wirkt sein Mal? (vor allem spieltechnisch, bin ja mit der 7. eingestiegen und habe Endtimes übersprungen)

    Immun gegen Psychologie <- Eine, für mich, sehr wertvolle Regel, die den Ablauf einer Schlacht deutlich berechenbarer macht. Würde ich jedem anderen Mal jederzeit vorziehen.

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    Kapitel 174 - Gleichgewicht



    Brak klammerte sich an das Holzgerüst des Streitwagens. Sie waren mit halsbrecherischer Geschwindigkeit unterwegs und ihre wilden Zugtiere nahmen keine Rücksicht auf Wurzeln oder Steine, die den Boden unter ihnen säumten. Angesichts der ständigen und ruckartigen Erschütterungen, hatte der junge Gor Mühe auf den Beinen zu bleiben und dabei seinen Stab nicht zu verlieren. Er fuhr mit Turgok, welcher die wehende Standarte seines Herrn an einer Bannerstange des Wagens angebracht hatte und die Keiler antrieb, schneller in die Reihen der Feinde hineinzuschmettern. Knochen brachen wie dürre Zweige, als sie einzelne Gors und Ungors niederwalzten, um Gurlak und seinem Schamanen Bratak ins Gefecht zu folgen.


    Beinahe hätte Brak das Gleichgewicht verloren, als er plötzlich und unerwartet Shargahs Präsenz in seinem Kopf wahrnahm. Mit Mühe hievte er sich wieder auf und presste seinen Fetisch-Stab fest an seine Schulter, um sich mit beiden Händen festhalten zu können. Dann folgte ein unsanfter Aufprall, als das Gespann in eine Gruppe von Feinden hineinraste. Fleisch, Hörner und Knochen wurden unter den schweren Rädern und den Hufen der Keiler begraben. Der Wagen verlor rapide an Schwung und kam schließlich zum Halten, als die Masse an verstümmelten und sterbenden Körpern zu groß wurde, um ein Vorankommen noch zu gewährleisten. Die Zugtiere schlugen in alle Richtungen aus und setzten ihre gewaltigen Hauer ein. Speere stachen aus der Distanz heraus auf die massigen Bestien und die Besatzung des Streitwagens ein. Turgok ließ diese Gegenwehr selbstverständlich nicht unbeantwortet und lehnte sich weit über das Geländer, um wilde Hiebe mit seiner bronzeverzierten Axt auszuteilen. Endlich wieder an der Seite seines Häuptlings kämpfen und töten zu dürfen, erfüllte den Gor mit einem berauschenden Glücksgefühl, wie er es lange nicht verspüren durfte. Er brüllte unverständliche Herausforderungen in die Reihen seiner Feinde und machte sich schließlich daran vom Wagen zu springen, als dieser sich kaum mehr bewegen zu können schien.


    Brak war ein wenig überrumpelt, angesichts der Situation. Er hätte nicht geglaubt, sich so schnell inmitten unzähliger Feinde wiederzufinden, welche ihm mit aller Gewalt das Fell über die Ohren ziehen wollten. Instinktiv bewegte er sich hinter Turgok. Der Bannerträger schien im Moment einfach am ehesten Herr der Situation zu sein. Brak brauchte Zeit um zu denken und als er hinter sich zwei Ungors an den Streitwagen herantreten sah, vermisste er seine alte Zweihandaxt schon ein wenig. Dann sprang er vom Heck des Wagens und trat den beiden kleineren Tiermenschen mit entschlossenem Blick entgegen. Beide Ungors zögerten kurz, als sie in ihrem Gegner einen Schamanen erkannten. Anstatt ihn sogleich abstechen zu wollen, verlegten sie sich vorerst nur darauf ihm den Weg zu versperren, indem sie ihre Speere auf ihn richteten. Brak reagierte wütend auf diese Geste der Respektlosigkeit und wünschte den kleinen Bestien die Pest an den Hals. Feuer loderte in seinen Augen auf und er spürte, wie magische Energie durch seine Glieder zu fließen begann. Wie an Fäden geführt und ohne weiter darüber nachzudenken, hob Brak den Arm und im selben Moment begannen die Ungors sich wie wild zu schütteln. Unmengen von Waldbodenbewohnern - wie Käfer, Insekten und Schlangen - fielen über die beiden Unglücklichen her wie über einen verrottenden Kadaver. Sie schlugen wild um sich und ließen sogar ihre Waffen fallen, während sie sich des Ungeziefers zu erwehren versuchten. Mit finsterem Blick und ruhigem Schritt trat Brak zwischen den Beiden hindurch, als habe er nichts zu befürchten. Andere Ungors starrten ihn ungläubig an und wichen entsetzt einige Schritte zurück. Keiner von ihnen wagte es, sich dem Seher in den Weg zu stellen und damit im schlimmsten Fall die Dunklen Mächte zu verärgern.


    Aus der anderen Richtung kam ebenfalls ein Schamane in dunkler Robe durch das Unterholz herangeschritten. Er war deutlich älter, aber nicht weniger furchteinflößend. Auch Shargah hatte in den niederen Herdenmitgliedern Ehrfurcht erweckt. Wie gebannte starrten sie die Seher an, bis diese sich schließlich auf der Lichtung Auge in Auge gegenüberstanden.

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    Kapitel 175 - Frühlingssonne



    Für die Ungors hatte der Anblick der beiden heiligen Gors etwas Unheimliches und Unnatürliches an sich. Staub und Blätter stoben in seltsam verzerrten Wolken um sie herum, als sie einander gegenübertraten. Man hatte das eigenartige Gefühl, das Zusammenspiel oder auch das Aufeinandertreffen zweier Elemente bezeugen zu können, die zwar bekannt waren, aber sonst nie an ein und demselben Ort zu finden wären, wie zwei grundverschiedene Naturgewalten oder gar zwei Jahreszeiten. Ihr Zusammenspiel hatte einen einlullenden, hypnotischen Effekt. Die kleineren Tiermenschen standen einfach nur da und glotzten.


    Nachdem sie eine Weile gebannt und regungslos gestarrt hatten, wechselten die Ungors fragende Blicke. Sie waren sich ganz und gar nicht im Klaren darüber, ob es nun klug sei anzugreifen oder nicht. Die Entscheidung wurde ihnen letztlich abgenommen, als Turgok und Gurlak auf den Plan traten und damit begannen, ein wüstes Gemetzel unter ihren Feinden anrichteten. Einige der verschreckten Ungors konnten sogar noch ihre Speere heben, hatten aber der Kraft und Wildheit ihrer Widersacher auf Dauer kaum etwas entgegenzusetzen. Eine Zeit lang zogen sie Kraft aus der schieren Masse ihrer Artgenossen, aber als ihre Zahl kontinuierlich dahinschmolz, wie Schnee in der Frühlingssonne, verließ die verbleibenden Ungors der Mut und sie wandten sich zur Flucht. Nur wenige von ihnen entkamen mit dem Leben, da mittlerweile aus mehreren Richtungen verfeindete Krieger auf die Lichtung drangen. Als der letzte Widerstand niedergeworfen oder in die Flucht geschlagen war, standen sich drei Schamanen und eine ganze Reihe von Häuptlingen mit ihren Gefolgsleuten gegenüber.


    Ohne weitere Worte zu verlieren, marschierten die Splitterparteien – als Teil der sich langsam wiedervereinenden Großherde – in Richtung der verbleibenden Gegner, um sich ihren Weg zum Kern des Geschehens zu bahnen und die Schlacht zu ihren Gunsten mitzuentscheiden. Dass sie damit noch einen langen und beschwerlichen Weg vor sich hätten, war den Wildentschlossenen in diesem Moment nicht bewusst. Die Großherde hatte sich in ihrem Vormarsch auf die feindliche Stellung nämlich weit gestreckt und der dann folgende Überraschungsangriff ihrer Gegner hatte tiefe Keile zwischen die einzelnen Teile der Herde getrieben. Hier und da waren Gruppen komplett versprengt worden und der Tumult der Schlacht hatte den Überblick über die eigene Position und die der Verbündeten bei vielen der Behuften komplett abhanden gehen lassen. Wilde Kriegsschreie einzelner Häuptlinge halfen dabei die Krieger beisammenzuhalten und wieder zueinander zu führen. Oftmals gingen sie aber auch im anhaltenden Getöse des Gemetzels unter. Shargah packte Brak am Handgelenk und deutete an ihm zu folgen. Dann hechtete der Alte mit unerwarteter Leichtfüßigkeit und Agilität los, genau auf dem Weg, welchen sein stummer Häuptling eingeschlagen hatte. Brak blieb wortlos und versuchte, so gut es ihm möglich war, an dem Alten dranzubleiben.


    Die Leibgarde um Ghorhok war mittlerweile ebenso in sich zusammengeschmolzen wie das Verlangen des Großhäuptlings, sich mit seinen Feinden zu messen. Das unablässige Anstürmen neuer Krieger begann an seinen Nerven zu zerren und der mittlerweile nicht unerhebliche Blutverlust ließ ihn ab und zu schwindelig werden. Der von den Bestigors gehaltene Teil des Waldbodens sah aus wie ein Schlachthaus und die Schreie der Sterbenden mischten sich mit dem animalischen Johlen der Kinder des Herrn der Lust, welche noch immer Gefallen am Exzess ihres Wirkens zu finden schienen, auch wenn ihnen die Kräfte nun rasch schwanden.


    Ghorhok ließ seine Stimme erneut erschallen und wie ein Chor stimmten seine Anhänger in den Kriegsschrei ein, entschlossen, ihm auf jedem seiner Wege zu folgen. Merrhok war noch ein ganzes Stück entfernt, glaubte aber den Ruf erkannt zu haben und so hastete er durch die Reihen der Kämpfenden, als habe er keinen Anteil an ihrem Streit. Zielstrebig ließ er Freund und Feind stehen wie die Stämme der Bäume, zwischen denen er sich seinen Weg hindurchbahnte, hin zu jenem Ort an dem der Bronzehuf wohl gerade um sein Leben ringen mochte.

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    Kapitel 176 - Der Keiler



    Wilde Kämpfe wüteten allerorts. Die weit versprengten Teile der Großherde waren in unzähligen Auseinandersetzungen gebunden und Merrhok suchte sich seinen Weg zwischen den kämpfenden Gruppen hindurch. Da die meisten Feinde schlicht zu beschäftigt damit waren, sich ihrer Widersacher zu erwehren, kam er zügig voran. Als ihm auf einem Hügel jedoch ein streitaxtschwingender Bestigor entgegentrat, sah er sich zum ersten Mal wirklich in seinem Lauf gebremst. Der stumme Häuptling machte sich gerade zum Angriff bereit, da stellten sich ihm – von allen Sinnen alarmiert – die Nackenhaare auf. Hinter seinem Herausforderer wurden Dreck und Staub aufgewirbelt, als im vollen Galopp eine Art monströser Keiler die Erhebung hinaufpreschte. Noch bevor der Bestigor reagieren konnte, hatte das Monstrum ihn auch schon hinterrücks erfasst und von den Beinen gerissen. Die mit Dornen und Hörnern gespickte Bestie trampelte den gut sieben Fuß großen Krieger einfach nieder, ohne dabei auch nur seinen Ansturm zu bremsen. Merrhok hatte das ausgesprochene Glück, die Gefahr eher kommen zu sehen und sprang gerade noch rechtzeitig in Deckung. Es war ein alter Baumstamm, der ihm vorerst den nötigen Schutz vor dem Amoklauf der Bestie bot.


    Als Merrhok sah wie der Reißkeiler zu bremsen begann war klar, dass die Gefahr für ihn noch nicht vorüber wäre. Sofort bewegte er sich aus dem Schatten des Stammes heraus und machte seinen Speer zum Wurf bereit. Das Ungetüm beschleunigte abermals. Kurzentschlossen peilte der Häuptling an und warf. Dabei traf die eiserne Spitze seines Spießes den Nacken der Bestie, drang aber nicht bis ins Fleisch hindurch. Zu dicht war der Schutzmantel aus verwachsener Lederhaut, struppigem Fell, Schuppen und den zahlreichen Dornen. Es tat ein Geräusch, als wenn die Geweihe zweier Hirschböcke aufeinanderträfen. Horn splitterte, als die Waffe – mehr oder minder wirkungslos – abprallte. Der Speerschaft bog sich dabei bedenklich, während der Keiler weiter unbeeindruckt auf sein Ziel zuhielt. Seiner einzigen Distanzwaffe beraubt, nahm Merrhok all seinen Mut zusammen und wartete bis zum letzten Moment, bevor er sich blitzschnell wieder hinter den schützenden Baum in Deckung drehte. Die tobende Bestie streifte die Borke des Stammes, es tat einen ohrenbetäubenden Schlag und Splitter frischen Holzes flogen explosionsartig in alle Richtungen.


    Shargah und Brak kamen gerade rechtzeitig, um diesem Schauspiel beizuwohnen. Dabei wollte der jüngere Schamane erst instinktiv in Merrhoks Richtung laufen, um ihm zu Hilfe zu kommen, wurde dann aber von dem Alten zurückgehalten. Beide wechselten einen kurzen, ernsten Blick und starrten dann wie gebannt auf die tobende Bestie. Mit Sorgen und Ärger in den Augen, fragte Brak seinen Mentor noch etwas, das im Getöse der Schlacht niemand außer dem Alten gehört haben konnte. Dann trat Shargah einen Schritt an seinen Schüler heran und begann ihm etwas ins Ohr zu flüstern, ruhig und eindringlich.


    Just in diesem Moment, huschte Merrhok wieder auf die andere Seite des Baumes und warf einen kurzen Blick auf die Hand-Axt in seiner Linken. Mit Schaudern an die massive Haut des Ungetüms denkend, schloss er die Waffe umgehend als Option zu seiner Verteidigung aus. Also wanderte sie in seinen Gürtel, während er die Umgebung nach passenderen Alternativen absuchte. Der Keiler wendete unterdessen abermals. Merrhok gab sich Mühe die Zeit abzuschätzen, welche er wohl haben mochte, um die erspähte Streitaxt des niedergewalzten Bestigors aufzuklauben, bevor das Ungetüm auch ihn zertrampeln würde. Seinen Instinkten folgend, beschloss er kurzerhand noch einen letzten Angriff abzuwarten und dann sein Glück zu wagen.


    Der Reißkeiler schien derartig primitiven Instinkten zu folgen, dass er sich nicht davon abbringen ließ, stumpf auf den flinken Gor loszustürmen. In seiner Behäbigkeit streifte die Bestie abermals den Baum und ein Schauer von Holzsplittern ging auf Merrhok nieder, während er sich gerade noch abwenden konnte. Ein schneller Blick genügte und dem Häuptling war klar, dass das was von dem Stamm übriggeblieben war, keine weitere Kollision mit dem Eber mehr überstehen würde. Schutz würde er hier nicht mehr finden und auch sein Glück würde nicht ewig anhalten. Jetzt galt es. Von diesem Gedanken bestärkt, hechtete er los und schnappte sich die klobige Zweihandwaffe des am Boden liegenden Bestigors. Im Vorbeihuschen bemerkte Merrhok, dass der Niedergemähte noch immer nicht tot war. Mit weit aufgerissenen Augen japste der Gor flach atmend nach Luft. In seinem Brustkorb mussten wohl alle Rippen gebrochen sein und es wäre sicher nur noch eine Frage der Zeit, bis es mit ihm zu Ende ginge.


    Der Ausdruck in den Augen des Sterbenden hatte beinahe etwas Herzerweichendes an sich und Merrhok zögerte sogar für den Bruchteil eines Augenblicks, bevor er die schwere Axt packte und weiterrannte. Der Bestigor löste bereitwillig seinen Griff um die Waffe und gab ein letztes, hörbares Stöhnen von sich. Merrhok hechtete los als wären alle Schrecken der Unterwelt hinter ihm her.


    Der junge Häuptling rannte wie der Wind, vernahm aber bereits das Grunzen und Schnauben der tobenden Monstrosität dicht in seinem Rücken. "Keine Zeit mehr, um Deckung zu suchen!" Adrenalin schoss berauschend durch seine Blutbahn und verlieh ihm Flügel. Der kräftige Schlag seines Herzens war bis hinauf in seinen Hals und die Schläfen zu spüren. Er umfasste die Zweihandaxt fest mit beiden Händen, stoppte abrupt seinen Lauf und drehte sich herum. Mit dem Ausdruck des Entsetzens und der Verwunderung in den weit aufgerissenen Augen, sah er dem heranstürmenden Tod entgegen.

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    Kapitel 177 - Der Keiler II



    Um ein Haar hätte Merrhok dem Reflex nachgegeben im Angesicht des nahenden Kolosses die Augen zusammenzukneifen. Die Erde bebte unter dem Trampeln der schweren Hufe. Gleich wäre das Scheusal hier. Im letzten Moment riss sich der Häuptling zusammen, festigte seinen Stand und hob die schwere Zweihandaxt, bereit zum tödlichen Streich.


    Als er die dunkle Stahlklinge herniederfahren lassen wollte, stoppte das massige Monstrum seinen lawinenartigen Ansturm und kam kurz – sehr kurz – vor ihm zum Stehen. Merrhok war perplex. Sein Puls hämmerte wild in den Schläfen und seine Augen waren weit aufgerissen. Wenn er gekonnt hätte wie er wollte, hätte er all seine Furcht herausgebrüllt, um dem nahenden Tod nicht als Feigling entgegenzutreten. Stattdessen waren nur sein schwerer Atem und das brummende Schnaufen des übergroßen Keilers vor ihm zu hören. Die Augen des Ungetüms leuchteten in einem seltsamen Weiß und all die Aggression, welche das Tier bis eben noch blind hatte wüten lassen, schien mit einem Mal aus dem grotesken Berg von einem Körper gewichen zu sein.


    Merrhok benötigte einen Moment bevor er verstand, dass die Bestie ihn nicht töten würde. Unsicher wiegte er den Schaft der schweren Axt hin und her, noch immer bereit zuzuschlagen. Irgendwie kam ihm die Situation unnatürlich und seltsam bekannt vor, aber er war zu aufgewühlt, um einen klaren Gedanken zu fassen. Dann ließ er die Waffe langsam sinken und begann sich suchend umzublicken.


    "So… einfach", kam es Brak beinahe beiläufig über die Lippen. In seinen Augen brannte ein weißes Feuer. Shargah konnte ein leichtes, meckerndes Kichern nicht unterdrücken, als er dem jungen Schamanen über die Schulter sah und Merrhoks verwirrt suchender Blick tat dem Ganzen keinen Abbruch. Brak legte seine Stirn in Falten und hob das Kinn.


    Überall in der näheren Umgebung begannen die minderintelligenten Kreaturen vom Kämpfen abzulassen und sich zurückzuziehen oder in ihrer Bewegung zu erstarren. Mutierte Hunde hörten auf an den Leichen der Gefallenen zu fressen und ein grelles Licht flackerte in ihren Augäpfeln, während ihnen der Speichel aus den Maulwinkeln tropfte. Einige der Tiere wurden noch – ohne Gegenwehr zu leisten – niedergehackt, bis auch die Letzten mitbekamen, dass hier etwas vor sich ging und die allseits verdutzten Gors und Ungors sich fragend umzuschauen begannen. Um die Bestien herum war es seltsam still geworden, während um sie herum noch immer die Schlacht zwischen den Behuften tobte.


    Die gespenstische Ruhe fand ein abruptes Ende, als der vor Merrhok stehende Keiler sich in Bewegung setzte. Der Koloss machte kehrt und stürmte in vollem Galopp davon. Um ein Haar hätte Merrhok doch noch dem Reflex nachgegeben und mit der Axt zugeschlagen. Aber kaum hatte er die schwere Waffe erhoben, war das Ungetüm auch schon wieder außer Reichweite.


    Die Falten auf Braks Stirn vertieften sich und er hob seinen Schädelstab in die Höhe. Dann setzte sich, in einer gespenstischen Synchronbewegung, auch der Rest der Bestien in Bewegung und stürmte davon, auf eine große Gruppe kämpfender Behufter zu. Die nunmehr ihrer Gegner beraubten und wild verstreuten Anhänger von Ghorhoks Herde begannen sich umzublicken und fanden sich schnell in größeren Grüppchen zusammen. Einzelne Leit-Gors erhoben ihre Stimmen und formten neue Kampfeinheiten, um sich den davongepreschten Bestien im Kampf gegen den Feind anzuschließen. Erneut flammte der Wille auf, den Gegner in Stücke zu reißen und zu verschlingen. Auch Shargah und Brak fanden sich schnell inmitten neuformierter Gors und Ungors wieder, welche dicht gepackte, schildbewehrte Ränge gebildet hatten und ihren neugefundenen Eifer nicht zu verbergen suchten.


    Merrhok erlebte die Szenen wie in einem Rausch. Die Mischung aus Adrenalin, welches im Eiltempo durch seine Blutbahn jagte, der Macht der Schamanen und jener neu aufgekeimten Rudeldynamik, hatte etwas so Erhebendes an sich, dass es beinahe die Sinne betäubte. Die eben noch verspürte Angst war schlagartig vergessen und die Horden agierten als eine einzige, große Einheit aus Hörnern, Hufen, Schilden, Speeren, Knüppeln und Klingen, dürstend nach Blut und rohem Fleisch.


    Kriegsschreie gellten rund um den Häuptling auf und jagten ihm einen Schauer über den Rücken. Als dann auch noch der Klang von Hörnern erscholl, fletschte er die gelben Fangzähne in froher Erwartung.

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    Ich hab heut das erste Lektorat dieses Teils beendet und meine Vorfreude ist mal wieder so groß, dass ich am liebsten gleich alles raushauen und Euch damit überfluten würde. :D Dazu gehören auch ein, zwei Bilder zu noch unveröffentlichten Szenen. Ich reiß mich aber am Riemen und werde wohl den 2x-pro-Woche Rhytmus nach Möglichkeit beibehalten. (Dann sollten wir etwa Anfang/Mitte Oktober durch sein... je nachdem, ob ich es schaffe in der Urlaubszeit irgendwie online zu kommen. Ich bezweifle es aber.) :whistling:


    Ich freu mich sehr, dass es Euch noch immer zu gefallen scheint und bedanke mich recht herzlich für Lob, Kritik und Rückmeldungen aller Art! Danke! :hihi:

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    Kapitel 178 - Das große Fressen



    Sich mit Nachdruck durch die Reihen der Behuften schiebend, drängte Merrhok weiter bis ganz nach vorn. Die abgetrennten Schädel an seinem Gürtel wogen schwer und schlugen mit jedem seiner Schritte hart gegen seine behaarten Oberschenkel. Die Schamanen begannen Verse in der Dunklen Sprache zu zitieren und schon bald war aus den vorwärtsmarschierenden Gors und Ungors eine tobende Meute geworden, welche kurz davor stand sich gegenseitig zu zerreißen und zu verschlingen, wenn sie nicht bald mit dem Feind zusammenstieße.


    Das Johlen und Getöse der Behuften hatte gerade seinen Höhepunkt erreicht, da schmetterten die Ersten in die vor ihnen stattfindenden Scharmützel hinein. Dutzende von Tiermenschen fielen dem wilden Ansturm zum Opfer und wurden binnen kürzester Zeit erschlagen, abgestochen, zerrissen oder zerhackt. In ihrem blinden Wahn kannten Merrhoks Gefolgsleute weder Freund noch Feind. Wer immer ihnen im Wege stand, wurde auf dem Altar der Dunklen Mächte als Opfer dargebracht. Erst nachdem der anfängliche Rausch langsam zu verfliegen begann und die Kräfte der Kämpfenden nach und nach schwanden, kehrten Sinn und Verstand allmählich in ihre Köpfe zurück. Verbündete Herdenmitglieder wurden nun in die eigenen Reihen aufgenommen, anstatt das grausame Schicksal ihrer Feinde zu teilen. Aus dem wilden Gewühle bildeten sich wieder mehr oder minder klare Schlachtlinien, bis ein Pulk auf den anderen presste und ein kräftezehrendes Geschiebe stattfand. Der Gegner wurde schließlich nur noch Schritt für Schritt zurückgedrängt, dann erstarb der Vormarsch gänzlich und alles kam zum Stehen.


    Ghorhok war nur noch von wenigen seiner Getreuen umgeben. Sie kämpften jedoch unablässig und mit der gleichen Verbissenheit wie zu Beginn der Schlacht. Ihr Großhäuptling fühlte Stolz, als er sie dabei beobachtete, wie sie ihre Feinde fällten. Gleich dem Sensenmann, der die Halme schnitt, schickten sie unzählige Angreifer in blutigen Stücken zu Boden. Hätte er die Kraft aufbringen können, wäre Ghorhok wohl ein freudiges Lachen entfahren. Stattdessen schnaufte er schwerfällig wie ein erschöpfter Sturmbulle und schenkte den auf ihn einstürmenden Gors und Ungors den verfrühten Tod, nach dem sie so sehnlichst zu verlangen schienen. Dass seine Angreifer nicht ihrerseits bereits längst die Flucht angetreten hatten mochte wohl nur daran liegen, dass ihre Bemühungen und ihr Opferwille mittlerweile Früchte trugen. Ghorhoks Bestigor Leibgarde war massiv dezimiert worden. "Entweder das oder sie sind nicht bei Sinnen", dachte sich der Bronzehuf beiläufig, während er einem Gor – mittels eines Rückhandschwingers seiner Axt – den Schädel sauber vom Rumpf trennte.


    Langsam – nur sehr langsam – ließ die nicht enden wollende Flut an Feinden nach. Die Leichen türmten sich an einigen Stellen bereits bis auf Hüfthöhe und die wenigen Überlebenden standen auf den verstümmelten Leibern der Sterbenden und der Toten, während sie sich alle Mühe gaben nicht zu fallen. Wer dennoch zu Boden ging, hatte kaum Aussichten sich wieder an einem Stück zu erheben. Allerorts warteten bluthungrige Bestien darauf, sich der Gestürzten anzunehmen und sie niederzumetzeln.


    Der purpurne Teppich aus Blut, Körperteilen und Innereien war tückisch glitschig. Wie eine gierige tiefrote Bestie gab er nichts freiwillig wieder her, wenn er es sich erst einmal einverleibt hatte. Riesigen Fleischerbeilen gleich, gingen allerorts krude Äxte nieder, um Körper und Gliedmaßen erbarmungslos voneinander zu trennen, bis Muskeln und Knochen in tausend Teilen verstreut lagen. Nach und nach fraßen sich blind wütende Gors und tapfer standhaltende Elite Bestigors gegenseitig auf, gleich einem immerwährenden, allesvernichtenden Feuer, welches nicht aufhören konnte die mächtigen Gehölze uralter Wälder zu verschlingen. Ungezählte Leben endeten hier und die rote Bestie fraß mit Gier und Verzückung.

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    ... solange sich die Tiermenschen derart massiv gegenseitig abschlachten, ist das Imperium noch in Sicherheit :saint: .

    Ganz genauso ist es.


    (Das war und ist immer wichtiger Teil der Allegorie um die Tiermenschen, wie ich finde. -> homo homini lupus)

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    Kapitel 179 - Das letzte Aufgebot



    An Ghorhoks Seite kämpften noch fünf Bestigors. Urk, Ghoraz, Whargor, Melek und Ynaz hatten einen Halbkreis gebildet und standen mit dem Rücken zum Stamm eines mächtig aufragenden Baumriesen. Allesamt atmeten sie schwer unter ihren Kapuzen, aber größer als die Erschöpfung war noch immer die Lust in ihnen. Sie hatten ein unbeschreibliches Verlangen nach mehr Gewalt, mehr Schmerzensschreien, mehr Blut, mehr Schweiß auf ihrer Haut, mehr Angst in den Augen ihrer sterbenden Gegner. Sie wollten mehr von all den faszinierenden Dingen, welche ihnen ihr Meister zum Geschenk machte. Ihre Augen glühten vor Verzückung, Schaum quoll aus ihren Maulwinkeln und sie schnauften heftig, während sie unablässig – wie Maschinen des Todes – ihre klobigen Zweihandäxte schwangen.


    Ghoraz hatte bereits die Schäfte dreier Pfeile aus dem Rücken ragen und schaute ein wenig aus wie ein in Stahl und Roben gekleideter Igel. Die Verletzungen hatten heftig an seinen Kraftreserven gezehrt und er verteidigte sich mehr, als dass er in die Offensive ging. Nur wenn er den Stand eines seiner Widersacher gebrochen sah oder ein Unglücklicher zu Boden ging, setzte der bullige Bestigor gnadenlos nach und ließ seine Axt niederfahren, wie der Scharfrichter bei der Arbeit. Vor ihm tummelte sich eine Meute aus Tiermenschen unterschiedlicher Art. Alle waren sie mit bunter Kriegsbemalung geschmückt und muteten dabei an wie Eingeborene eines fernen Landes. Kleinere Ungors versuchten den großen Besitigor permanent mit Speeren auf Distanz zu halten, während die Gors mit ihren hölzernen Rundschilden immer wieder und wieder den Nahkampf suchten. Hinter ihnen fanden sich Unmengen weiterer Gors, bewaffnet mit Speeren, Hellebarden, Keulen und Zweihandbeilen. Hätte der wilde Haufen mehr Disziplin und Erfahrung im gemeinsamen Kampf gehabt, wäre Ghoraz wohl bereits unter ihren Attacken gefallen. Diesen Gedanken nicht einmal im Ansatz in Betracht ziehend, stieß er mit dem Schaft seiner Axt zu und schob auf diese Weise den – mit Zähnen und Knochen geschmückten – Rundschild eines widdergehörnten Gors von sich. Hätte er blindlings mit der Klinge darauf eingeschlagen, wäre seine Waffe mit großer Wahrscheinlichkeit stecken geblieben. Der Sturz seines sterbenden Gegners hätte ihn dann entweder die Waffe gekostet oder sein sicherer Stand wäre gebrochen worden. Den Rest hätten die Speere der lauernden Ungors erledigt. Ghoraz war erfahren genug um zu wissen, dass er sich nicht den Takt und den Kampf seiner Feinde aufzwingen lassen durfte. Wenn er triumphieren wollte, musste er selbst bestimmen wie das Spiel um Leben und Tod gespielt würde. Nach und nach, Hieb um Hieb, Stoß auf Tritt, schmetterte er jeden Versuch seiner Widersacher ab, ihn niederzumachen. Dabei zeichnete sich so etwas wie ein wahnsinniges Lächeln auf seiner tierischen Fratze ab und ein meckerndes Kichern entfuhr dem schnaufenden Bestigor, als er gleich zweien seiner Feinde mit einem einzigen Streich seines Axtblattes die Bäuche öffnete.


    Urk und Melek standen dicht beieinander. Die beiden Bestigors agierten wie zwei gut koordinierte Teile ein und desselben todbringenden Mechanismusses. Während der Eine ausholte, landete der Andere gerade einen seiner Hiebe. Auf diese Weise hatten sie überlebt, wo andere gefallen waren. Gewiss waren auch sie nicht unverletzt geblieben, aber in ihren Augen handelte es sich eher um unbedeutende Kratzer. Meleks Arme waren übersäht mit kleinen Schnitten und Urk hatte eine Wunde, welche sich quer über seine rechte Gesichtshälfte zog. Der Hieb einer Hellebarde hatte die Kapuze des Bestigors heruntergeschnitten, tief in Braue und Wange gebissen, war aber schließlich an Horn und Knochen abgeglitten. Die Verletzung blutete stark und Urk konnte auf dem rechten Auge kaum mehr etwas sehen. Also hatten die Beiden kurzerhand ihre Positionen gewechselt und Melek deckte nun die geblendete Flanke seines Artgenossen.


    Ynaz hatte niemanden an seiner Seite und weit größere Probleme damit, sich seiner Feinde zu erwehren. Ein Speer hatte eine tiefe Wunde an der Hüfte des Bestigors hinterlassen und tiefrotes Blut lief ihm an seinem Bocksbein hinab, um sich schließlich mit dem glitschigen Rot auf dem Waldboden zu vereinen.

  • Ich habe irgendwie gerade Lust auf selbstgeschriebene Boardgeschichten bekommen. Ein schöner Kampf, den selbst ich mag: Wenig "Er parierte seinen Hieb, er Stach nach..." sondern eher das Beschreiben der verschiedenen Strategien ist mir eine willkommene Abwechslung gegenüber gängigen Kampfesbeschreibungen!


    Nur auffällig war, dass du gegen Ende zweimal hintereinander "Beißen" als Synonym für Treffer mit darauffolgender Verwundung verwendet hast. Einmal Bei der Hellebarde die Urk trifft und einmal beim Speer der Ynaz verwundet!


    Ich bin für die Klimaerwärmung, sie hält den Fimbulwinter auf...

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    [... um die Scharte wieder auszuwetzen, gibt es heute ein Bonus-Kapitel... ]



    Kapitel 180 - Das letzte Aufgebot II



    Mit jedem Axthieb, den Ynaz auf seine Feinde niedergehen ließ, fuhren dem bulligen Bowigor stechende Schmerzen durch den Körper und er glaubte auf diese Weise die Peitsche seines Meisters zu spüren. Lustvoll stöhnte und schnaubte er, während ihm wieder und wieder Schauer der Pein und Erregung über den behaarten Rücken liefen. Als er mit einer Serie von Speerattacken aus mehreren Richtungen eingedeckt wurde, war es der dritte Stoß, den er nicht mehr abzuwehren vermochte. Die Waffe wurde dabei mit einer solchen Kraft geführt, dass die Spitze – beim Aufprall auf die Panzerplatte – über das Metall quietschte und schließlich ihren Weg daran vorbei, direkt in das darunterliegende Fleisch seines Oberschenkels, fand. Ynaz heulte kurz auf, bevor sein Bein ihm den Dienst versagte und er unfreiwillig niederkniete. Noch bevor der Gor – welcher den Speer geführt hatte – seine Waffe wieder aus dem Bein seines Opfers befreien konnte, wurde er von Ynaz‘ Axt beinahe in zwei Hälften gespalten. Das Blatt des Beiles grub sich tief in die Schulter des Tiermenschen und blieb anschließend in dessen Brustkorb stecken. Noch bevor der Bestigor seine Zweihandwaffe aus dem sterbenden Gor herausreißen konnte, biss ihm ein weiterer Speer in die Seite, diesmal knapp über der Wunde an seiner Hüfte. Für einen Augenblick war der Bowigor gelähmt vor Schmerzen und brüllte – wütend und erregt zugleich – auf. Dann ließ er seine klobige Axt herumschwingen, um sich auch an seinem anderen Angreifer zu rächen. Dieser war jedoch schneller als sein glückloser Artgenosse und konnte dem Axt-Blatt um Haaresbreite ausweichen. Wenn seine Beine es zugelassen hätten, wäre Ynaz wohl aus den Reihen der anderen Bestigors herausgetreten. Angesicht der Anzahl ihrer Feinde und seiner Verwundungen, wäre das aber wohl keine gute Idee und somit sicher sein letzter Fehler gewesen.


    Es waren Ghorhok und Whargor, die stattdessen einen kurzen Ausfall wagten, bevor sie sich wieder Schulter an Schulter mit den verbleibenden Kriegern begaben. Trotz eigener Blessuren und schwindender Kräfte mobilisierte Ghorhok noch einmal seine Energien für einen Angriff. Die Hand-Axt des Großhäuptlings fällte zwei Gors und einen Ungor, während Whargor den zu Boden gegangenen mit seinem Zweihänder den Rest gab. So schnell wie sie vorgestoßen waren, hatten sie sich auch wieder zurückgezogen und ihre Widersacher fanden sich zu übertölpelt, um schnell genug in die Gegenoffensive zu gehen.


    Als er wieder mit dem Rücken zum Stamm des Baumes stand, nestelte Whargor mit einer Hand an seinem Gürtel herum und griff nach dem dort befindlichen Signalhorn. Dabei fiel sein Blick auf den schwer blutenden Ynaz, welcher sich gerade auf den Schaft seiner Axt stützte, um wieder auf die Beine zu kommen. Ghorhok, Melek und Urk deckten den Bestigor, indem sie die Angreifer von ihm fernhielten. Dann ertönte ein ohrenbetäubendes Geräusch, als Whargor schließlich aus voller Lunge in sein Horn stieß. Es folgten zwei weitere, langgezogene Hornsignale und in der Ferne mochte ein Echo erschallen. Als Ynaz wieder auf beiden Beinen stand, war er kaum mehr in der Lage noch ohne die Hilfe seiner Axt stehenzubleiben. Das Blut quoll in beängstigendem Ausmaßen aus ihm heraus und fütterte den purpurnen Teppich zu seinen Hufen. Als er schließlich die Axt hob, gaben seine Knie erneut nach und er sank zurück zu Boden. Die anderen Bestigors wendeten sich demonstrativ ab, um vorzugeben sie hätten nichts gesehen. Dann traten sie einen Schritt vor und schlossen die Lücke, welche Ynaz hinterlassen hatte. Wären da nicht die fatalen Wunden gewesen, hätte man glauben können, dass er nur einen Moment der Ruhe benötigte und sich seinen Mitstreitern gleich wieder anschließen würde. So wie es im Moment ausschaute, schien er jedoch gar nicht mehr mitzubekommen was genau um ihn herum geschah. Ynaz kniete – mit gesenktem Haupt und schwer atmend – in einer Lache seines eigenen Blutes, die große blutverkrustete Axt quer über seinen Schenkeln ruhend.

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    Kapitel 181 - Das letzte Aufgebot III



    Nachdem er das Signalhorn in seine Gürtelschlaufe geschoben hatte, machte Whargor sich daran Urk und Melek zu unterstützen. Seine Instinkte rieten ihm – ohne dass er darüber länger hätte nachdenken müssen – dass ihre gemeinsamen Anstrengungen die einzig erfolgversprechende Art sein würden, mit ihrer Situation fertigzuwerden. Er fand schnell den Rhythmus und gemeinsam hackten sie auf alles ein, was ihnen zu nahekam.


    Ghorhok zeigte sich wütend über die Situation. Sein Körper schrie und bettelte geradezu danach, sich neben Ynaz zu knien und auszuruhen. Sein Herz aber, kreischte lauter und verlangte nach dem Blut und den Schmerzen seiner Feinde. Die Beiden befanden sich in einem derartigen Zwiespalt, dass es den Bronzehuf rasend machte. Seine Lunge brannte und der metallische Geschmack in seinem Maul wollte einfach nicht vergehen. Er zwang sich zu tiefen, kontrollierten Atemzügen und hätte seinen kochend heißen Bocks-Schädel am liebsten in einen eisigen Bergstrom gesteckt, damit er sich abkühlen würde. Schweiß lief ihm in die Wunden und biss das zerschnittene Fleisch noch zusätzlich. Beim Blick auf die Verletzung an seinem Torso, glaubte der Großhäuptling für einen Moment den Geruch seines eigenen Blutes wahrzunehmen. Aber das schien ganz und gar unmöglich, angesichts der Mengen an rotem Lebenssaft, welcher um sie herum vergossen worden war. Seine Sinne mussten ihm – allem Anschein nach – einen Streich spielen.


    Ghoraz wusste genau wie sein Herr sich fühlte. Auch er sah sich in seinen körperlichen Möglichkeiten durch Schmerzen und Blutverlust eingeschränkt. Eher schlecht als recht deckte er Meleks Flanke. Immerhin verschaffte er den Anderen damit genügend Spielraum, um sich auf die Gegner in ihrer Front konzentrieren zu können. Getrieben von Paranoia blickte er kurz hinter sich, als ob er sichergehen wolle, dass ihre Feinde nicht irgendeinen Weg gefunden haben mochten, durch Stamm und Borke des Baumriesen in ihrem Rücken hindurch zu dringen. Der Gedanke - dass sie wie aus dem Nichts hinterrücks niedergemacht werden könnten - war selbstverständlich völlig abwegig, aber Ghoraz musste einfach ganz sicher sein. Beim Blick über seine Schulter, streifte sein Auge einen der Pfeil-Schäfte – der ihm aus dem Rücken ragte – und augenblicklich spürte er den beißenden Schmerz. Als die erste Woge der lähmenden Agonie langsam abzuflauen begann bemerkte er, dass es nicht das soeben erspähte Projektil oder das Bewusstsein über seine Existenz war, welches ihn peinigte. Der Schmerz kam von vorn. Gegen das überwältigende Gefühl der Qual ankämpfend, drehte er seinen Kopf und fand gleich darauf einen weiteren, schwarzgefiederten Pfeil-Schaft, der nun aus seiner Brust ragte. Wie ein Wegweiser schien das Geschoss seinen Blick auf den Schützen zu lenken. Der Ungor stand mit einem hasserfüllten Blick in den Augen da und machte sich soeben bereit einen weiteren Pfeil aus seinem Köcher auf Bogen und Sehne zu legen. Augenblicklich stieg ein unbeschreiblicher Widerwille und Hass in Ghoraz auf. Er brüllte los und feine Blut-Tröpfchen sprühten aus seinem weit geöffneten, stinkenden Maul. Dann lehnte er sich nach vorn und preschte – gelenkt und vorwärtsgetragen von seinem Körpergewicht – in die Reihen der Feinde. Seine Beine hatten Mühe schrittzuhalten und aus allen Richtungen stießen und hackten krude Waffen auf den Bestigor ein. Ghoraz wehrte sie nur beiläufig ab und hielt ungebremst auf das auserkorene Ziel seiner Rachsucht zu.


    Der Ungor wurde von Unruhe erfasst, als er den wutentbrannten Hünen auf sich zuhalten sah. Gegen den brennenden Instinkt ankämpfend, einfach Hals über Kopf die Flucht zu ergreifen, nahm er all seinen Mut zusammen und nockte den Pfeil an der Sehne ein. Seinen Blick nicht für den Bruchteil einer Sekunde von seinem Ziel abwendend, hob er schließlich den Bogen, spannte die Sehne bis das Holz ein quietschendes Geräusch von sich gab, atmete tief ein und wieder aus. Das Zuggewicht des Bogens war groß und er zitterte leicht unter der körperlichen Belastung. Dann nahm er genau Maß, während ihm warmer Urin an den struppigen Bocksbeinen hinunterlief. Sein Puls schoss mit rasender Geschwindigkeit in die Höhe. Ein seltsam unerklärlicher Moment der Ruhe überkam den Ungor und die Zeit schien stillzustehen. Dann ließ er los. Die gewaltige Anstrengung war augenblicklich wie weggeblasen und der Pfeil schnellte von der Sehne.