(lat.: Der Friede sei mit euch)
Grau in grau ging der trübe Himmel über in eine Wüste aus Beton und Stahl. Schrottdünen versagten dem Unbedarften zügiges Vorankommen.
Bombentrichter, spanische Reiter und der süßliche Gestank verbrannten Fleisches taten ihr übriges,
unliebsame Besucher – wenn überhaupt – nur in überschaubaren, vereinzelten Grüppchen auftreten zu lassen.
Zu beider Seiten säumte die Straße ein mäanderndes Band, himmelschreiender Ungerechtigkeiten.
Ein Zerrbild des Schreckens in seiner höchsten Potenz lud ein zum flanieren, machte einen nachdenken und schaudern.
Ausgemergelte Gestalten krümmten sich in unendlicher Pein,
die Augen vor blankem Entsetzen ellenweit aufgerissen, den Lebensodem in qualvollem Todeskampf ausgehaucht.
Die Anbeter der dunklen Götter hatten ganze Arbeit geleistet.
Zwischen den Geröllhalden an den Straßenlaternen baumelten beulenübersäte Fleischsäcke,
aufgedunsene, eitrige Klumpen organischen Lebens.
Die wenigen Zivilisten, denen die Urban-Pioniereinheit 62., des Radeburger Infanterieleibregimentes No.2 noch begegnet war,
hatte man in grenzenloser Mildherzigkeit dem unfehlbaren Urteil der Götter dargebracht.
Doch seit einiger Zeit waren jene Glückseeligen ausgeblieben und Leutnant Röbel beschlich der signifikante Verdacht,
man sei dem Bösen wohl an die Wurzel gerückt.
Man hatte den Rand der einst pittoresken Altstadt erreicht, aus der sich noch immer rußige Rauchsäulen gen Himmel wanden.
Schutt und Asche prägten die einst prächtigen Boulevards,
zeichneten mit spitzer Feder die Gravur des Leids, ritzten mit blankem Griffel Verfall in das weiche Fleisch kunstvoller Blockfassaden.
Zierbäume waren zu ketzerischen Götzen verkeilt, einst wohlgeartete Diener des Imperators zu grotesken Bildnissen gottloser Barbarei gestapelt.
Schmucke Geschäftsmeilen hatte man geplündert, Wahrzeichen menschlicher Kultur besudelt,
Bollwerke der Ordnung geschleift. Mit ihren Gürteln hatte man die diensthabenden Arbitratoren
an die Fensterrahmen gefesselt, um der schier unwiderstehlichen Ansammlung mordender Kraft, wie sie diesen Irren innewohnte, ein Denkmal zu setzen.
Ein junger Pyrotechniker hielt dem Schauderspiel nicht länger stand.
Ein Schwall modergrünen Mageninhalts ergoss sich über olivgraue Tellerminen, welche an seiner Flanke baumelten.
Kalte, grimmige Böen fegten durch die Trümmer, pfiffen ihre Fuge. Todgeweihte waren wir vom Anfang bis zum Schluss.
Man hatte uns entsandt (wir waren eine Einheit von fünf guten Dutzend), um die Reststärke des Feindes auszukundschaften.
Die Schlacht war geschlagen, der Hauptgang abgetragen und doch versprach es ein reichhaltiges Dessert an roher Gewalt zu geben.
Es war die Schlacht nach der Schlacht, die uns den Schlaf raubte, nicht das monotone Trommeln der Geschütze,
nicht das Kreischen der Triebwerke, nicht das infernale Krachen der Volltreffer und auch nicht die Schmerzensschreie unserer unglücklichen Kameraden.
Unergründliche Ungewissheit wie in eben solchen Situationen,
in denen die entstellte Fratze des ehrlosen Hinterhalts gleich einem Damoklesschwert über einem schwebte.
Schüsse. ‚Deckung‘, brüllte Röbel. Hektisches Gewusel.
Die Vorhut mussten auf Widerstand gestoßen sein.
Nach einigen kurzen Feuerstößen breitete Stille ihren dunklen Mantel über uns aus.
Nur das leise Knistern der lodernden Feuerchen in den Ruinen zu unserer Linken durchbrach die furchtgeschwängerte Luft.
Beißender Männerschweiß bildete die Manifestation unserer Angst, der sich anschickte uns ein zweiter Schatten zu werden.
‚Kuhn, Kadinsky, Bochthold, sichert die linke Flanke. ‘
Die angesprochenen spurteten hinter einige Säulen in dem ehemaligen Gemüseladen zu unserer Linken und spähten angestrengt in die graue Ferne.