Hier dann die im Waldelfenforum schon angekuendigte Geschichte, mal sehen wie sie euch so gefaellt und gerne auch harsche Kritik
Eine leichte Kurve nach rechts beschreibend, folgte der gut sichtbare, stark ausgetretene Pfad in respektvollem Abstand dem Waldrand. Es schien fast so, als ob die Füße, die diesen Pfad mit ihren Schritten angelegt hatten, Angst vor dem dichten Blätterwerk gehabt hätten. Stets befand sich eine mehrere Schritt umfassende, waldfreie Zone zwischen dem Pfad und der dichten, bedrohlich wirkenden Vegetation.
Die großen Bäume gingen abrupt in die nur spärlich mit Gräsern bewachsene Zone zwischen Wald und Pfad über, die neben dem üppigen Grün des Waldes fast verödet wirkte. Es gab keinerlei Übergangszone und es schien, als wären die uralten Pflanzen des Waldes auf eine unüberwindbare Barriere oder Grenze gestoßen, die ihre weitere Ausbreitung verhinderte. Inmitten der trostlosen Zone zwischen Wald und Pfad kämpfte ein kleines, doch wunderschönes Zeugnis der Natur, des Lebens mit den Hinterlassenschaften des anbrechenden Morgens. Schwer hingen die Tautropfen an den Blättern des Gewächses und das zusätzliche Gewicht drückte die Pflanze zu Boden. Noch immer hing dichter Morgennebel über dem Land und verbarg die Blume vor der Sonne, dem lebensspendenden Himmelskörper, der sich langsam über die Bergkette im Osten schob. Doch warme Strahlen schickten sich an, die Kälte der Nacht, sowie den Morgennebel zu vertreiben und einen neuen Tag einzuläuten.
Mit dem Aufgehen der Sonne und dem Zurückweichen des Nebels erstrahlte auch die kleine Pflanze im Licht des anbrechenden Tages.
Während die schwer an ihr hängenden Tropfen zu verdunsten begannen, streckte sich die Pflanze langsam aber stetig dem Tagesgestirn entgegen. Dieses stieg höher und höher, erhitzte das Land und die Luft immer mehr und bald schon war alles brütender Hitze ausgesetzt. Die Pflanze jedoch, über ihre Wurzeln verbunden mit reichhaltigen Wasservorkommnissen, erfreute sich an dem Sonnenschein und reckte sich wie die Sonne immer weiter nach oben. Schließlich öffnete sich die an der Spitze gelegene, bisher noch geschlossene Blüte und die Blume erstrahlte in all ihrer Pracht.
Weiß und rein, unschuldig und wunderschön, erstrahlte sie im hellen Glanz der Sonne. Ein Zeichen des Lebens in einer trist wirkenden Umgebung.
Plötzlich ertönten Schritte von metallbeschlagenen Stiefeln und ein dunkler Schatten legte sich auf die Blume. „Hab ichs doch gewusst!“, flüsterte das kleine, bärtige Wesen mit ehrfürchtiger Stimme und beugte sich herab, um die Blume aus nächster Nähe zu betrachten. Ergriffen hielt die Gestalt einen Moment inne, bevor sie die Blume vorsichtig abzupfte. Die Gepflückte zurück in das Licht der Sonne hebend betrachtete der zufrieden lächelnde Zwerg die Blume von allen Seiten, ehe er sie in den Ring einer silbernen Fibel, die seinen Umhang
zusammenhielt, steckte. Wie um sich zu vergewissern, dass ihn niemand gesehen hatte, ließ er ein letztes Mal seinen Blick über den Waldrand und die umliegende Landschaft schweifen, dann drehte er sich um und rannte zurück zum Pfad.
Aus ihrem heilen Dasein herausgerissen, fand sich das kleine Gewächs mit einem Mal in einer rauen Welt wieder. Eingeklemmt zwischen dem groben Stoff des Umhangs und dem Metall der darunterliegenden Kettenrüstung wirkte sie heimatlos und verloren. Augenblicklich machte sich die Hitze bemerkbar, die ihr unbarmherzig das wenige verbliebene Wasser entzog.
Schnaufend und leicht außer Atem kam der Zwerg wieder bei seinen etwa ein Dutzend zählenden Kameraden an. Einige der auf dem Pfad verbliebenen Zwerge warfen ihm missmutige Blicke zu, doch stumm stampften sie weiter ihrem Ziel entgegen. Der kleine Trupp war auf dem Weg von Karak Izor nach Quenelles, um dort ihre Dienste als Söldner anzupreisen. „Hatte recht, tatsächlich eine Bergrose, was ein Tag.“, wandte sich der Träger der Blume leise und verschwörerisch an seinen Nachbarn, als er an seiner ursprünglichen Position in der Marschkolonne angekommen war.
„Hättest se stehenlassen sollen, Jüngchen.“, brummte der Angesprochene mit tiefer Stimme. „Keine schlaue Ausrede außerdem, das mit dem Wasserlassen. Ham se dir nicht wirklich abgekauft. Warum sollteste für sowas auch in Richtung des vermaledeiten Waldes gehen!“ Geräuschvoll spuckte der Zwerg bei der Erwähnung des Waldes aus, um seinem Abscheu gegenüber Athel Loren zusätzlich Ausdruck zu verleihen. „Dorgrims Gebot hat seinen Sinn! Gibt unnötigen Stress mit den Spitzohren, wenn wir ihre geliebten Pflanzen auch nur schief angucken!“ Erneut flog Spucke durch die Luft und landete im Gras neben dem Pfad. Dann senkte der Zwerg den Blick und marschierte weiter hinter seinem Vordermann her.
„War doch gar nicht im Wald, nur davor!“, grummelte der Jüngere undeutlich in seinen blonden Bart und beließ es dabei. Er wusste, der Langbart würde eh kein weiteres Wort mehr darüber verlieren. Daher senkte er den Kopf und trottete äußerlich ruhig weiter. Innerlich aber
jubilierte er.
Eine Bergrose!
Das Zeichen von großen Kriegern, von Helden!
Und sie war sein, sein ganz allein!
Sein Blick glitt an seiner Brust herunter und ein zufriedenes Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er die weiße Blüte in seiner Fibelschnalle betrachtete.
Währenddessen litt die Bergrose unter ihrer unnatürlichen Lage. Mit jedem Schritt, den der Zwerg zurücklegte, schabte die Pflanze mit der Abbruchstelle über die unter dem Umhang liegende Rüstung und das einst so glatte Gewebe war längst zerrissen und zerfranst. Zusätzlich machte ihr die Hitze der Sonne immer mehr zu schaffen. Hatten deren Strahlen sie zu Beginn des Tages erfrischt und der Rose gut getan, so waren sie ohne ausreichenden Zugang zu Wasser eine einzige Qual. Ausgedörrt hing die kleine Pflanze in dem Metallring der Fibel, schutzlos der direkten Sonnenausstrahlung ausgesetzt. Immer heftiger und heißer brannte die Sonne auf das kleine Gewächs hernieder, während sich der Himmelskörper dem Scheitelpunkt seines täglichen Weges näherte. Um die Mittagszeit ließ die Blume ihre einstmals stolze und vor Lebenskraft und Vitalität strotzende Blüte erschöpft hängen und gab ein mitleidiges Bild ab.
Noch immer passierten die Zwerge den Waldrand und das dunkle Dickicht schien eine bedrückende Stimmung unter den Mitgliedern des kleinen Volkes auszulösen. Kaum ein Wort fiel zwischen den marschierenden Kriegern, die in sich gekehrt mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt waren. So kam es, dass keiner der Kämpfer den zierlichen Pfeil bemerkte, der sich lautlos aus dem dichten Grün zu ihrer Rechten schälte.
Das Geschoss besaß einen langgezogenen Schaft aus Eschenholz, in dem gelblich schimmernde Rillen ein verschlungenes Muster zeichneten. An seinem Ende waren die braun-schwarzen Federn eines Kriegsfalken angebracht, um die Flugbahn zu stabilisieren. Die Spitze des Pfeils selbst war aus Knochen gefertigt und so fein ausgearbeitet, dass sie mühelos durch die Rillen eines Kettenhemdes hätte dringen können. Diese Eigenschaft war jedoch nicht von Nöten, als sie mit tödlicher Eleganz in den Hals des letzten Mitglieds der Kolonne, der etwas hinter den Anderen zurückgeblieben war, fuhr. Die Rüstung dieses Zwerges bestand ausschließlich aus Lederkomponenten und nahezu lautlos, die Augen überrascht aufgerissen und mit der rechten Hand ungläubig den Schaft des Pfeiles umklammernd, ging der Getroffene zu Boden.
Noch ehe er diesen berührte, hatte sich bereits ein weiterer Pfeil aus dem Dickicht gelöst. Wiederum war das Ziel das hinterste Mitglied der Gruppe und mühelos fuhr die Spitze durch dessen Kettenhemd und brachte ihm den Tod. Seitlich drang das Geschoss zwischen den Rippen ein und traf direkt ins Herz. Auch dieser Krieger brach ohne einen Laut auszustoßen zusammen, doch das Klirren seiner Rüstung, als der tote Körper auf einem Randstein des Weges aufschlug, ließ einige der anderen Krieger erstaunt herumfahren.
Innerhalb von Sekunden reagierten die abgebrühten Kämpfer. „Schildwall!“, dröhnte die Stimme Dorgrims durch die friedlich wirkende Stille. Überall entlang der Linie rissen die Zwerge ihre Schilde, die sie auf ihrem Rücken transportierten, herunter. Gleichzeitig verkürzten
die grimmigen Recken ihre Frontlinie, indem sie jahrelangem Training folgend enger zusammenrückten. Kurz darauf hatten die kleinen Krieger eine geschlossene Formation eingenommen, die vollständig aus Rüstungen, Schilden und vorgestreckten Waffen zu bestehen schien. Es war klar, wo der Feind zu suchen war und dementsprechend richtete sich die Linie zum Waldrand hin aus. Aufmerksam zuckten die Augen der Zwerge hinter den Schlitzen ihrer Helme hin und her, während sie das dichte Grün nach einem Anzeichen ihres verborgenen Feindes absuchten.
Minuten vergingen, die sich wie eine Ewigkeit dahinzogen, und doch rührte sich nichts, was die Konzentration der Krieger hätte auf sich ziehen können. Einzig ein kleiner Schwarm Vögel erhob sich laut krächzend aus seinem Ruheplatz in den Baumkronen. Dann aber löste sich ein weiterer Pfeil aus dem Wald und hielt geradewegs auf die Formation der Zwerge zu. „Zeigt euch, verfluchte Spitzohren, und stellt euch gefälligst im ehrenvollen Kampf Mann gegen Mann.“, schleuderte Dorgrim dem unsichtbaren Feind eine Herausforderung entgegen, während das vereinzelte Geschoss ohne Wirkung zu zeigen am zwergischen Schildwall abprallte.
An seine Kameraden gewandt wisperte der Hauptmann leise weitere Befehle: „Vereinzelter Schütze. Position ausmachen, verdammt!“ Erneut löste sich ein einzelner Pfeil aus dem Dickicht und der Zwerg mit der Bergrose in der Fibel seines Umhangs erhaschte eine Bewegung im Dickicht. Ohne zu zögern stürmte er vor, seinen Hammer hoch über dem Kopf schwingend und einen Kriegsschrei auf den Lippen. Dieses zuletzt abgeschossene Projektil aber beschrieb eine ganz andere Flugbahn als die vorangegangenen Geschosse. Statt in einer geraden Linie näherte es sich im hohen Bogen dem Schildwall. Ein Zischen erklang, als der Pfeil den Scheitelpunkt seines Weges erreicht hatte und in dutzende kleiner, glitzernder Splitter zerfiel. Ein jeder dieser Splitter verfolgte sein eigenes Ziel mit tödlicher Präzision.
„Schilde!“, durchschnitt die dröhnende Stimme Dorgrims erneut die Stille und wie ein einzelner Mann rissen er und seine Krieger gemeinsam die Schilde hoch. Auch der vorgepreschte Bergrosenträger folgte dem Befehl und als sich mehrere der glitzernden Splitter in seinen Schild bohrten, ging er aufgrund der Wucht des Aufpralls in die Knie. Als die Geschosse einschlugen, spürte er ein seltsames Kribbeln, das von der Rose selbst auszugehen schien und ein Aufstöhnen aus mehreren Kehlen drang an sein Ohr. Als er den Schild wieder senkte, sah er, wie eine einzelne schlanke Gestalt sich aus der Sicherheit des Waldes herausschälte, als wäre sie ein Teil von ihr. Der Waldelf hielt, obwohl nur mit einem schmalen Dolch bewaffnet, ohne Furcht auf den schwergepanzerten Zwerg zu.
Noch ehe dieser auf die neue Situation reagieren konnte, sprach der hochgewachsene Elf Worte von uralter Macht und streckte dabei die Hand in eine stoppenden Geste gegen den Zwerg vor ihm aus. Ein weiteres Mal spürte der Bergrosenträger das seltsame Kribbeln über seinen Körper laufen. Da sein Ziel jedoch beständig näherkam, hielt er sich selbst zurück und beobachtete aufmerksam das Geschehen. „Mehr Platz zwischen mir und dem Wald nach dem Tod des Baumschmusers!“, ging es ihm durch den Kopf und angriffslustig senkte er seinen Kopf.
Wenige Schritte vor dem Zwerg verharrte der Waldelf in seiner Bewegung und stimmte eine weitere magische Beschwörung an. Eine golden schimmernde Kugel bildete sich um die gepflückte Bergrose, hüllte sie ein, entwand sie der einengenden Umklammerung der Fibel und befreit von ihren Fesseln schwebte die Blume, eingeschlossen in der schimmernden Kugel, auf den Elfen zu.
Von einem Moment auf den Anderen ging es der Bergrose wieder viel besser. Das Gefühl ausgetrocknet zu sein war verschwunden, die Wunden, die Fibel und Eisenrüstung geschlagen hatten, schlossen sich und neues Wurzelwerk bildete sich an der Abbruchstelle. Die Lebensgeister kehrten zurück. Neue Kraft durchströmte ihren Stängel. Ein weiteres Mal an diesem Tag richtete sie sich auf, streckte sich und entfaltete die eingefallene Blüte wieder zu strahlender Pracht. Dann ließ sich die goldene Kugel, die nahezu vollständig wiederhergestellte Pflanze noch immer in ihrem schützenden Inneren, auf der ausgestreckten Hand des elfischen Zauberers nieder, der die Vollendung seines Werkes mit liebevollen Augen und freudigem Blick beobachtete.
Der Aufprall eines eisernen Hammers in seiner linken Wange beendete die Freude des Elfen. Die Wucht des Hiebes zerschmetterte Haut, Fleisch und Knochen gleichermaßen und tödlich getroffen sank der Waldelf in sich zusammen. Wie um sicher zu gehen, dass sein Werk vollendet war, ließ der Zwerg seine Waffe noch einmal auf den deformierten Kopf seines Gegners niederfahren. Erst dann ließ er die Waffe zu Boden sinken und griff mit seinen Fingern nach der, noch immer auf Höhe der ausgestreckten Hand des Elfen schwebenden, Kugel. Für einen winzigen Moment wirkte es, als würde das magische Konstrukt dem Druck der Finger standhalten können, doch schließlich zerplatzte die Kugel unter einem lauten Schmatzen. Abermals fand sich die Bergrose in der klobigen Hand des Zwergenkriegers wieder.
Gemeinsam mit der schimmernden Kugel verschwanden auch deren regenerativen Eigenschaften und beinahe sofort fing die Blume wieder an zu vergehen. Als sie der Zwerg wieder an der Fibel befestigt hatte, war sie wieder beinahe so welk wie zuvor. Ein Grinsen auf den Lippen nahm der Zwerg seinen Hammer wieder auf und wandte sich zu seinen Freunden um.
Eine Bergrose!
Er hatte den feindlichen Hexer erschlagen!
Er war ein Held!
Das Lächeln gefror auf dem Gesicht des Bergrosenträgers, als er die Körper seiner Kameraden vor sich im Gras liegen sah. Die erhobenen Schilde und Rüstungen der Zwerge hatten für die herabregnenden Geschosse keinen Widerstand dargestellt und der magische Pfeilhagel hatte Tod und Verderben unter den kleinen Kriegern gesät. Außer ihm war nicht ein Einziger der schwergerüsteten Gruppe noch am Leben.
Er war ein Held!
Die Bergrose war sein, sein ganz allein!
Doch ebenso stand er allein!
Dieser Umstand wurde dem zwergischen Held im Besonderen bewusst, als er sich wieder dem Waldrand zuwandte. Dutzende Reiter, ihre Waffen wütend über den Köpfen schwenkend und einen in den Ohren des Zwerges schrill klingenden Schlachtgesang ausstoßend, preschten auf den einsamen Bergrosenträger zu! Einen festen Stand einnehmend, den Schild in der Linken, den Hammer in der Rechten, erwartete der neugeborene Held ihren Ansturm.
Auszug aus der Enzyklopädie des Markus Argonikus:
Bergrose, die: Zugehörig der Pflanzengattung Rosa und Mitglied der Familie der Rosengewächse (Rosaceae).
Diese sehr seltene Pflanze ist hauptsächlich in den mittleren Höhenlagen des Weltrandgebirges zu finden und zeichnet sich durch unpaarig gefiederte Blätter und eine fünfzählige, makellos weiße Blüte aus. Aufgrund dieser Färbung wird diese Rose häufig als
Zeichen von Unschuld, Reinheit und Tugendhaftigkeit angesehen. Im Zwergenreich dagegen ist sie ein Zeichen von Tapferkeit, Mut und dem Segen der Ahnen. Einige Gelehrte des Imperiums unterstützen die These, dass die Blume außerdem in der Lage wäre, die bereits enorme Widerstandsfähigkeit der Zwerge gegenüber den Auswirkungen von Magie zu verstärken. Allerdings beruhen diese Thesen auf zweifelhaften Quellen und insbesondere die Mitglieder des kleinen Volkes weigern sich, einem nicht von ihnen erschaffenen Gegenstand eine solche Macht zuzuschreiben.