Der Prinz war ausgeruht und erfrischt durch den wundervollen, wahrscheinlich verzauberten, Heiltrank, den ihm die oberste Priesterin des Hauses zubereitet hatte. Seine Wunde, tief in seiner Brust, schmerzte zwar immernoch, doch gab es nun keinen Grund zur Sorge mehr. Er spürte schon die Wärme in seinem Körper fließen und wusste, dass er überleben würde.
"Wir Elfen sind ein schmächtiges Volk, sind wir es nicht, Bruder Alhamon?"
"Deine weisen Ratschläge kenne ich zur Genüge, verehrter Löwe Maehdrass. Mache dir keine Mühen."
"Ein General sollte nicht in den Kampf ziehen."
"Mit der Meinung stehst du alleine, Bruder."
Es klopfte an der Tür und Alhamon erschrak bei dem Geräusch, doch versuchte es nicht zu zeigen.
"Tretet ein!", bat er dem Eindringling der Ruhe, die er jetzt so sehr benötigte.
Ein weiterer Hochelf, bekleidet in schwarzen Gewändern und Kapuze, schritt durch die Tür. Ohne das Diadem an seiner Brust hätte man ihn nicht als den Späher erkannt, der er ist. Das unerwartete eintreten eines Schattenkriegers brachte nie gute Botschaft, und das wussten alle in diesem Raum.
"Entschuldigt mein plötzliches Erscheinen, verehrter Prinz, ich weiss eurer Verwundung und eurem Kampf gegen die Dunkelelfen diese Nacht, ihr müsst erschöpft sein..."
"Sputet euch!", warf Alhamon ein, "Ich bedarf keines Mitleids, noch verlange ich Rücksicht!"
Der Schattenkrieger, noch den Bogen auf dem Rücken, Schwert und ein paar Dutzend Pfeile an der Hüfte, schwieg einen kleinen Augenblick, überrascht von der Reaktion seines Herren. Nach einigen Sekunden sprach er dann wieder:
"Das Chaos kommt..."
Alhamon sprang bei der bloßen erwähnung des Wortes sofort auf und krümmte sich direkt danach vor Schmerzen, denn seiner Wunde. Es war ein Stich, der für sein Herz bestimmt war, vergiftet von den gefährlichsten der Anhänger Slaaneshs. Wie durch ein Wunder hatte der Angreifer verfehlt, weiss man doch der genauigkeit der Hiebe eines Assassinen.
Maehdrass schritt zu ihm, doch Alhamon bat ihm Einhalt mit einer Gestik seiner linken Hand. Alhamon setzte sich wieder.
"Wo und wieviele?" war seine Frage.
"Es sind einige Hundert, auf dem Weg zu uns. Sie kommen von Norden."
Alhamon versank in Gedanken. Einige Momente lang hielten alle Beiteiligten den Atem an. Der Prinz sprach:
"Wie weit sind sie entfernt?"
"Sie dürften einen Tagesmarsch entfernt sein, wir sind ihr Ziel."
"Dann haben wir keine Wahl, ich werde dieses Land auf keinen Fall aufgeben und nach Ulthuan zurückkehren. Nicht bevor unsere Aufgabe erfüllt ist."
"Aber Herr!" warf der junge Elf neben dem Kamin ein. Sein Name war Áesil, und er war ein begabter Magier.
"Ich kann nicht zulassen, dass ihr in diesem Zustand in den Kampf zieht. Wisst ihr doch der Tücken des Chaos. Dies wird kein einfacher Kampf!"
"Aber ich muss!" Der Prinz richtete sich auf und ein Donnern erhallte im Raum von dem Hieb seiner Faust, der den wohlverarbeiteten Holztisch direkt vor ihm traf.
"Ich kann nicht zulassen, dass meine Armee überrannt wird, nur weil ich nichts unternommen habe. Mein Leben steht hier nicht zur Debatte!"
Áesil runzelte die stirn und Maehdrass versank im Schatten einer der Ecken des großen Zimmers. Maehdrass wusste, dass er seinem Prinzen nicht wiedersprechen durfte, nicht wenn es um seine Armee geht. Er wusste es wäre zwecklos und würde ihn nur provozieren, sich seiner Wut - seinen Gefühlen - hinzugeben. Alhamon musste jetzt einen klaren Kopf bewahren.
"Ihr habt Recht und Unrecht, Prinz Alhamon." sprach Áesir. "Doch ich, als Abgesandter Teclis', kann nicht zulassen, dass ihr euch Hals über Kopf in Gefahr stürzt, die ihr nicht kennt. Euch stehen noch andere Aufgaben zu als dieser Kampf."
Alhamon platzte gleich vor Wut, und Maehdrass sah es. Doch er schaffte es, sich nochmal zu fangen.
"Dann erlaubt mir wenigstens bei der Schlacht dabei zu sein, und meine Truppen zu befehligen, wenn auch von einem etwas sichereren Standpunkt aus."
Der Magier war einverstanden:
"Ihr bleibt an meiner Seite."
Alhamon nickte, das Puzzle in seinem Kopf setzte sich langsam zusammen. Nun vermochte er langsam den Sinn des Angriffs der Dunkelelfen in einen Zusammenhang zu bringen. Er wusste nur noch nicht welchen...
Fortsetzung folgt...