Er sah, wie der Schwarmtyrant sich vom Rest seiner Rotte löste, und scheinbar ohne Ziel anfing loszurennen und willkürlich um sich zu schlagen.
Er folgte mit seinem Zielfernrohr dem Weg des Schwarmtyranten, schaute etwas voraus und musste erkennen, dass dieser keinesfalls ohne Ziel losgelaufen war. Nicht mehr weit von ihm entfernt stand der Aun, versunken in Konzentration.
Der Tyrant hatte es zweifellos auf ihn abgesehen.
Vre’ka visierte den Nacken der Kreatur an, genau zwischen Schädelansatz und Schulter. Dort musste ein tödlicher Treffer möglich sein.
Er glich den Rhythmus des Auf und Ab seiner Waffe den Bewegungen des Schwarmtyranten an, das Zentrum des Fadenkreuzes immer auf die gleiche Stelle gerichtet, folgte sein Blick der Kreatur, wartend auf den richtigen Zeitpunkt.
Er konnte hören, wie sich in Tui’kai’s Gehirn der Gedanke formte, der richtige Moment war gekommen. Keine Unebenheit im Gelände würde den Einschlagsort des Projektils beeinflussen.
Er spürte den Widerstand des Abzuges, als er seinen Finger anspannte und abdrückte. Das Partikel wurde auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt und verließ den Lauf, es zog vorbei an Bäumen, Luft, Wesen, schlug eine Spur in den Raum.
Er sah das Projektil den Lauf der Waffe verlassen, im selben Moment federte der Tyrant leicht mit den Beinen und stieß sich kraftvoll vom Boden ab. Da wo eben noch der Rücken des Untiers gewesen war, befand sich nun der meterlange Schweif, das Projektil bohrte sich hindurch, zischte weiter, auf den linken der drei Kolosse zu, verfehlte ihn um nur eine Handbreit, jedoch war das Projektil selbst auf diese Entfernung stark genug, eine Spur in den Arm des Kolosses zu reißen. Es bohrte sich nicht weit von ihm in den Boden, mit Entsetzten musste Vre’ka erkennen, dass der Tyrant über die Kolosse gesprungen war, hinter ihnen kam er wieder auf, sein Schweif zuckte vor Schmerz hin und her, dabei prallte er gegen die Beines eines Kolosses und riss diesen um. Durch den harten Sturz benommen, würde der Tau im Inneren des Kolosses wohl eine Weile außer Gefecht gesetzt sein.
Ein Gedanke zuckte durch seinen Kopf, sein Schuss könnte ihnen den Sieg kosten.
Der Schwarmtyrant würde jeden Augenblick zuschlagen, noch einen Schritt und der Aun wäre in Reichweite.
Sein gewaltiger Hinterlauf grub sich in den staubigen Boden, wirbelte Wolken feinen Sandes auf.
Sein Torso drehte sich nach rechts, den rechten Arm zog er nach hinten, spannte ihn immer kraftvoller an, mit jedem Zentimeter, den er ihn weiter nach hinten schob, der Kopf senkte sich, stierte gierig auf die kleine blaue Gestalt, in der Überzeugung, ihn jeden Augenblick zu zerfetzen.
Die Muskeln entspannten sich, die Sehnen spannten sich, die harten Chitinplatten schoben sich übereinander und der Arm war kurz davor, sich nach vorn zu schieben, da blickte der Aun auf.
In den Augen des Aun brannte die Entschlossenheit zu siegen, zu töten. Er hatte nichts mehr mit der edlen Gestalt eines Tau gemein.
Seine Arme waren leicht angewinkelt, die Ellenbogen nach hinten geschoben, die Finger verkrampft, als wolle er den Feind mit ihnen zerreißen.
Seine Augen waren geweitet, sprühten rotes Feuer, die Stirnknochen waren weit hervorgetreten, zogen sich in der Mitte nach unten, um die Mundwinkel zuckte eine Aggressivität, die Lippen zogen sich auseinander und gaben den Blick auf die gebleckten, zackigen, scharfen Zähne frei, welche hart aufeinander bissen.
Der Tyrant erkannte was er dort sah, sein Instinkt erkannte das Werk des Warp, die Wirkung des Psi, dieser Tau hatte die Grenzen überschritten, er gab sich dem Warp hin.
Instinkt weiß wann der Tod naht.
Der Aun stierte dem Alien entgegen.
Das Feuer seiner Augen flackerte, nur um danach noch stärker zu brennen, es sprang auf die Luft, die um den Tau herum war, über. Der Aun drehte sich leicht zur Seite, zog einen Arm hinter seinen Laib. Das Feuer fraß sich in einer Spirale den Arm entlang, sammelte sich in seiner Faust, bis die Energie die Faust zu sprengen drohte.
Der Arm des Schwarmtyranten schnellte nach vorne, im gleichen Augenblick riss auch der Aun seinen Arm nach vorn, schleuderte dem Feind die geballte Energiekugel entgegen, diese zog einen Schweif aus rotem Feuer hinter sich her.
Als das Geschoss auf den Laib des Aliens prallte, knisterte die enorme Energie über den ganzen Torso der Bestie, die Energiekugel bohrte sich in seinen Brustkorb, durchbrach den gesamten Torso und trat am Rücken wieder aus.
Einen Atemzug lang standen sich die beiden hohen Entitäten gegenüber, der Aun mit ausgestrecktem Arm, mit geöffneter Hand auf den Schwarmtyranten zeigte, dieser mit weit ausgeholtem Arm in einer Pose, bei der man erwarte, er würde jeden Augenblick zuhacken.
Aun L’ing spürte eine welle der Verwirrung über das Schlachtfeld ziehen, Ratlosigkeit, Angst, Verzweiflung. Es waren zu viele Quellen, es konnten nicht seine Krieger sein, die so dachten. Also stimmte es. Ein Schwarm ohne Kopf war zu nichts fähig, er zerfiel in Chaos und war durch nichts mehr zu koordinieren.
Das Ergebnis zeigte sich sogleich, die Rotten der Aliens stoben in wilder Panik auseinander, nun war es ein leichtes, für die Tau sie niederzumachen.
Der Schwarmtyrant stand noch immer vor dem Aun, die Augen weit aufgerissen, Ungläubigkeit stand in ihnen, geschlagen von etwas, das er mit nur einem Arm zerquetscht hätte.
Um das Loch in seinem Torso bildeten sich Risse, zogen sich weit über den ganzen Laib der Kreatur, schließlich zerfiel der innere Rumpf und die leblose Hülle klatschte schwer zu Boden.
Der Kampf war gewonnen, doch um welchen Preis.
Sie spürte den Wiederstand des Abzuges, ihr Herz raste vor Angst vor dem, was gleich dort um die Ecke biegen würde. Ihr letzter Zusammenstoß mit den Aliens hatte ihrem gesamten Team das Leben gekostet, der Gedanke daran nährte die Angst und Unsicherheit in ihrer Seele. Wie in Zeitlupe sah sie die Gestalt hervortreten, zuerst noch verdeckt von Schatten, ihr Zeigefinger spannte sich an, gleich würde sich der Schuss lösen.
Der Lauf ihres Gewehres wurde mit sanfter Gewalt nach unten gedrückt. Ein Seitenblick bestätigte ihren Gedanken, es war An’zerr. Dieser deutete mit einem Nicken auf die eben aus dem Schatten getretenen Gestalten.
Die Sandbraunen Rüstungen reflektierten das wenige Licht, welches die Notbeleuchtung des Korridors bot. Die Augen hinter den länglichen Helmen blickten verwirrt in ihre Richtung.
Als die drei Feuerkrieger sie und An’zerr erblickten, waren sie sichtlich erleichtert, noch andere Überlebende gefunden zu haben. Gerade betraten sie den Gang, der sie zu dem ungleichen Paar an seinem Ende führen sollte, als Avril einige rote Punkte auffielen, die rasch auf die Feuerkrieger zukamen.
„An’zerr, ich sehe viele Signale, fünf, sieben, elf, es werden immer mehr!“
Entgeistert sah sie in die Richtung, aus der die vermeintlichen Feinde kamen. Noch ehe einer von ihnen den drei Feuerkriegern am anderen Ende des Ganges eine Warnung zukommen lassen konnte, sprangen die ersten Symbionten in den Gang. Einige liefen an den Wänden entlang, einer sogar an der Decke. Dieser erreichte zuerst das Trio, drückte sich gekonnt von der Decke ab, drehte sich im Fall herum und rammte einem der Feuerkrieger seine langen Krallen in den Laib. Die anderen beiden bemerkten erst jetzt, was sich hinter ihnen abspielte und gerieten in Panik, einer warf sein Gewehr weg, jene Waffe, die auch An’zerr trug, und hastete los, der andere hatte weniger Glück, ein an der Wand laufender Symbiont überholte ihn, zwei weitere liefen mit ihm auf gleicher Höhe. Sie sprangen zugleich von den Wänden ab, zerfetzten den hilflosen Tau in einem Feuerwerk aus Blut und Funken.
Avril und An’zerr stellten sich links und rechts an die Wände und eröffneten das Feuer. Der verbliebene Feuerkrieger rannte in der Mitte des Ganges, was es leichter machte, an ihm vorbei auf die anrasende Flut von Körpern zu feuern.
Der Shas’la rannte um sein Leben, hinter ihm brachen immer mehr Symbionten unter dem Feuerhagel der Feuernden zusammen, doch für jeden, der das Zeitliche segnete, schienen zwei neue zwischen den zuckenden Leibern aufzutauchen.
Jetzt begannaen auch Avril und An’zerr sich rückwärts zu bewegen. Das Feuer weiter auf die nahenden Bestien gerichtet, bewegten sie sich Schritt für Schritt den Gang entlang.
Der Feuerhagel verlangsamte das Näherkommen der Symbionten, jedoch würden diese sie bald erreicht haben.
Eine Strähne ihres langen braunen Haares fiel ihr ins Gesicht. Sie strich es beiseite, hakte es hinter ihrem Ohr ein, um gleich darauf die Reinigung ihres Sturmgewehres wieder aufzunehmen.
An’zerr kniete neben dem jungen Feuerkrieger und schiente dessen gesplittertes Bein mit einer der Innenstreben der zerstörten Schilddrohne.
Das schreien der Tyraniden war schon seit einer halben Stunde verstummt, doch hörte man ab und zu ein einsames Kratzen hinter den Trümmern der Tunnelwände, sicher wartete dort eines der Biester, in seiner von Instinkt gelenkten unendlichen Dummheit darauf hoffend, die entflohene Beute auftauchen zu sehen.
Der Shas’la blickte immer wieder zu Avril herüber, dem Gesicht war die Verwirrung und die Verachtung ihr gegenüber nicht zu übersehen. Es war ihm wohl unbegreiflich, was ein Mensch hier tat und warum ein Mensch das tat, was sie tat. Würde sein Stolz es verkraften, von einem Menschen dem sicheren Verderben entrissen worden zu sein?
Er keuchte immer wieder vor Schmerz, als An’zerr versuchte, die gesplitterten Knochenfragmente an ihr ursprüngliche Position zu rücken.
An’zerr sah kurz auf, fixierte Avril mit seinem Blick. Sie wusste was zu tun war, sein Gedanke zuckte durch ihren Kopf.
Sie erhob sich, das Sturmgewehr leicht an der Armbeuge angelegt ging sie auf die Kreuzung zu, von der sie gekommen waren.
Sie begab sich zu dem Lift, mit dessen Hilfe sie hier herunter kamen.
Was An’zerr erwartet hatte, warum er sie hierher geschickt hatte, traf ein. Der Lift war stillgelegt. Die Energieleitungen in der Tunnelwand waren wohl bei der Explosion der Granate beschädigt worden, jedenfalls reagierte die Konsole am Lift nicht.
Mit der schlechten Nachricht im Gepäck trat Avril den Rücktritt an.
Sie hatte kaum zehn Schritt zurückgelegt, als sie hinter sich etwas hörte. Sie drehte sich um, suchte in der faden Dunkelheit nach einem Anhaltspunkt für das Geräusch.
Sie verdammte ihr Okular, welches zerfetzt am Eingang zu diesem verwunschenen Tunnelkomplex lag, sie verwünschte auch die Bestie, die es zerstört hatte. Sie nahm die Wund an ihrer Nase kaum wahr, hatte doch der Hormagant ihr Nasenbein glatt durchschnitten, jedoch konnte An’zerr es mithilfe der Tautechnologie wieder fügen. Eine Narbe allerdings würde bleiben.
Sie kniff die Augen zusammen, hoffte ihre Augen würden so das Dunkel besser durchdringen können. Da sah sie kurz vor dem Schattenansatz, dort wo es gerade hell genug war, den Boden zu erkennen, ein Staubwolke aufsteigen. Hier musste lange niemand mehr gewesen sein...
Welch absurder Gedanke, sie schob ihn sofort beiseite.
Einige Schritte weiter weg vom Schatten und etwas weiter in den Gang hinein konnte sie dieses Phänomen erneut beobachten. Und noch einmal, und noch einmal, wie Schritte, als käme etwas auf sie zu...
Die Angst überwältigte sie fast, jetzt sah sie die wabernden Umrisse dessen, was da auf sie zu kam, wie ein Hormagant, nur größer, und unsichtbar...
Sie rannte los, schrie ängstlich auf, als sie die, eben noch vorsichtig, darauf bedacht keinen Laut zu verursachen, gesetzten Schritte beschleunigen hörte. Ein grauenvolles Kreischen schoss durch den Tunnel.
Im Laufen hielt sie ihr Sturmgewehr mit der Rechten nach hinten, gab wilde Feuerstöße auf den Feind hinter ihr ab. Sie hörte die Kugeln abprallen, Querschläger bohrten sich in die Wände, einer fetzte an ihrem Kopf vorbei und riss ihre Haut an der linken Wange auf. Sie hörte die Bestie immer näher kommen. Sie riss eine Granate von ihrem Gürte, zog den Ring mit den Zähnen heraus und schleuderte sie nach hinten. Eine endlos lange Zeit schien zu verstreichen, ehe sie das Donnern der Metallsplitter härte, die sich in Wände, Decke und Boden bohrten. Als das Pfeifen in ihren Ohren nachließ, stellte sie enttäuscht fest, dass sie immer noch verfolgt wurde.
Hoffentlich würde sie An’zerr noch erreichen...