Aufmerksam wanderte Wardur durch die
unteren Straßen von Zhufbar. Er war aufgeregt, so viel neues,
spannendes zu sehen. Ihm fiel dabei nicht wirklich auf, dass beinahe
jedes fünfte Gebäude eine Schenke war, geschweige denn, dass er
umgeben war von streitlustigen, betrunkenen Zwergen. Jedoch wurde es
ihm augenblicklich gewahr, als ein leerer Bierkrug knapp an seinem
Gesicht vorbei zischte.
„Mensch... du siehst furschtbar
aus...“, sagte der betrunkene Werfer, ungeachtet der Tatsache, dass
seine Nase rot glühte, ihm sämtliche Zähne fehlten und er nur
lückenhaft Haarwuchs hatte, jedoch einen langen Bart, in dem man
seine Mahlzeiten der letzten vier Tage ablesen konnte.
„Es is' immer das selbe mit eusch!
Aber lass' ma' gut sein. Isch geb' dir e'nen aus!“, rief der Zwerg,
packte ihn am Gewand und schleppte ihn in die Kneipe, die den sehr
charmanten Namen „Zur kotzenden Ziege“ trug.
In der Schenke selbst, war Wardur nicht
im geringsten überrascht. Es sah genauso aus, wie er es sich
vorgestellt hatte. Heruntergekommene Bänke und Tische, betrunkene
Zwerge, einer hing halb-tot über dem Tresen, der andere hatte es
sich vor der Tür gemütlich gemacht. Eine Art Dunstglocke hatte sich
über den Raum gelegt von den ganzen Pfeifen und der Wirt, war ein
alter, düster drein blickender Zwerg, dem ein Auge fehlte und der
die Zeit damit verbrachte, ein und das selbe Glas beständig zu
polieren.
Zu seiner eigenen Überraschung musste
der Student jedoch gestehen, dass er es irgendwie heimelig fand.
Der Zwerg schuppste den jungen Menschen
in die Bank eines leeren Tisches, der voll gestellt war mit leeren
Flaschen und Krügen und an dem ein weiterer Zwerg vor sich hin
döste.
„Sasch' ma'! Wie heißte eigentlisch?
Also isch bin Tharrad und dat da is' Hogarth.“, fragte der Zwerg
mit mehreren durch Schluckauf bedingten Pausen.
„Wardur... Wardur Angelsen.“,
antwortete der Jüngling zögerlich und zuckte erschrocken zusammen,
als der Zwerg ihm grölend auf die Schulter schlug.
„WIRT! Bring uns noch'n Bier, klar?“,
rief er laut und bei diesen Wort regte sich nun auch wieder der
andere Zwerg.
„Ick' könnt' auck nock'n paar
vertrag'n. Aber... wer is'n dat?!“, fragte Hogarth aus seinen
verquollenen Augen.
„Das is'... wie war nosch'ma dein
Name?“, fragte Tharrad und kratzte sich am Kopf.
„Wardur. Ich bin in Zhufbar auf der
Durchreise. Ich begleite meinen Meister auf einer Expedition in ein
Kloster im Gebirge.“
„Ah... so einer bischte alscho. So'n
belesenes Bürschchen. Dann brauschst'e aber unbedingt 'n Bier!“,
grölte Tharrad und sah sich nach dem Wirt um.
Jetzt schien auch in Hogarth wieder der
Lebensgeist erwacht zu sein:
„Und... wie gefällt'n dir unsre
schöne St-sta... Stadt.“, fragte der Zwerg gefolgt von einem
triefen Rülpsen.
Bevor er aber antworten konnte, tauchte
auch schon der Wirt auf, wofür Wardur insgeheim dankbar war, da er
Angst hatte, etwas falsches zu sagen.
„Da schaut's a' Mal her! I' hätt'
g'schworen, dass du mia nimmer aufstehen tust! Was wollt's denn?“,
fragte der Zwerg und erregte mit seinem Dialekt sofort Wardurs
Aufmerksamkeit.
Es war offensichtlich, dass der Zwerg
völlig nüchtern war, jedoch verstand er noch weniger, als bei den
anderen Zwergen.
„A ge'! Jetz' kämmat's! I' hab' a'
noch a' was besseres zu tun, als mia die gonze Zeit mit eucha'da rum
zu schlag'n!“
„Ganz ruhig! Alscho... für den
Bursch'n hier a' ordentlisches Bier und eins von deinen
Fleisch-Batz'n da. Und für uns beide kannst'e uns noch so'n Fass
aufmaschen. Das kriegen'wa sischer leer.“
„Genau! Und für mick nock so'n
Supp'!“
„Kriegt'a! I' werd mi' auch b'eilen,
dass'a ned so leiden tut's!“, nahm der Schenken-Besitzer die
Bestellung entgegen.
„Leiden?“, fragte der Student
verwundert.
„Klaaaaaar! So'n Kater kriegschte nur
mit nem eschten zergwischen Bier wesch!“, erklärte Tharrad.
„Na so'n Zufoll! Ich hätt' jetz nich
erwortet, euch hier zu treffe'!“, rief ein Zwerg, der gerade die
Schenke betreten hatte.
„Snorri, altes Haus! Hätt' ick auck
nick erwartet!“, rief Hogarth und stand auf, um den neuen Zwerg zu
umarmen.
Wardur war beeindruckt. Sämtliche
Anwesenden hier unterhielten sich in seiner Mutter-Sprache und er
verstand fast kein einziges Wort. Um diesen Gedanken zu besiegeln,
kam auch schon der Wirt mit dem Bier. Es sollte auch der letzte
Gedanke beziehungsweise die letzter Erinnerung an die Nacht sein, die
Wardur am nächsten Morgen haben würde. Zusammen mit dem schlimmsten
Kater aller Zeiten. Und dabei wusste er nicht einmal, ob er über das
Vergessen hätte froh sein sollen oder nicht.