Schon früh erkannte Enrol, wie ihn seine Eltern nannten, dass er keiner der Ihren war. Schon im zarten Alter von 10 Jahren war er fast einen Fuß größer als seine Eltern, als alle anderen Zwerge, die ihm tief unten in der Festung begegneten. Glücklicherweise sind Zwerge für ihre hervorragend Baukunst bekannt, und demonstrieren diese ein auf das andere mal: Die Gänge waren hoch genug, sodass sich Enrol nicht ducken brauchte, und die großen Festhallen der Zwerge waren sowieso viel zu hoch, als dass ein Zwerg, oder ein Mensch jemals seine Decke berühren konnte.
Sein Alter zählte nun schon stolze 18 Sonnenumläufe, und anders als die anderen Zwerge, mit denen er zu tun hatte, war er nicht sehr dem Schmieden zugeneigt, und auch handwerklich war er nicht allzusehr begabt, nur im Kämpfen konnte er es seinen Freunden gleichtun, und stand ihnen in nichts nach, wenn sie mal wieder ein bisschen übten, tief unten in den Rüstkammern. Extra für ihn fertigte man eine Rüstung an, die bequem an seiner haut lag, nicht zu eng, und von einem Material, dass sowohl leicht wie auch robust war. Auch ein Axt schmiedeten sie ihm, verziert mit Zwergenrunen aus längst vergangene Zeiten, glänzende Zeiten, die einstmals auf das Zwergenreich schienen, aber noch heute kein bisschen an Wirksamkeit verloren hatten.
Eben zu dieser Zeit wuchs in ihm der Wunsch, die Außenwelt, die Alte Welt zu erkunden, um mehr über sich selbst zu erfahren, denn, auch wenn es niemand aussprach, wussten doch alle, dass Enrol keiner der ihren war, kein Zwerg, sondern ein Mensch. Und auch Enrol bemerkte dies.
Zwar ließ er sich nie etwas anmerken, doch insgeheim durchsuchte er in jeder freien Minute die alte Zwergenbibliothek über seine Herkunft. Eines Abends, als er wieder vergebens suchte, kam der alte Zwerg, sein Ziehvater, in die Bibliothek. Ohne bemerkt zu werden, setze er sich neben seinen Sohn.
„Hier wirst du nichts über deine Herkunft erfahren!“
Durch den Klang der Worte hochgeschreckt, antwortet Enrol:
„So sagt mir doch, woher stamme ich? Wieso bin ich bei euch?“
„Mein Sohn, auch wenn du nicht meines Blutes bist, so lass mich dir sagen, dass ich dich immer wie meinen eigenen Sohn sah. Meine Zeit ist gekommen, ich werde bald einziehen in die große, goldene Zwergenhalle, wo meine Ahnen auf mich warten.
Und ich möchte dir noch sagen, woher du stammst. Eines Abends, vor genau 18 Jahren, fielen große Horden Orks über unser Land herein, über dass Land der Menschen und über unsere Festung. Sie plünderten und mordeten. Auch deine Eltern haben sie ermordet. Wir kamen zu spät, noch heute tut es mir Leid, dass ich nicht mehr für sie tun konnte.
In dieser Nacht entsandte der Zwergenkönig seine Truppen. Zum erstenmal seit Jahren kämpften wir wieder wie in alten Zeiten, Rücken an Rücken, Mensch und Zwerg.
Der Kampf dauerte mehrere Tage, und am Ende der Zeit waren nichtmehr viele am Leben, weder Mensch, noch Ork oder Zwerg. Es gab zahllose Tote, darunter auch deine Eltern. Sie starben, als die fliehenden Orks sich zurückzogen und durch euer Dorf, Stillwasser, wanderten. Die Dorfbewohner wurden ermordet, deine Mutter ergab sich deinetwegen in den Tod, ihr lebloser Körper umschloss dich, als wir im Dorf ankamen.“
Enrol hörte angespannt zu, und wenn auch er gerade den Tod seiner Eltern erfuhr, regten sich in ihm keine Gefühle, etwas fremdartiges umschloss seinen Geist. Seine Eltern. Seine Eltern, dass sind der Zwerg, der neben ihm sitzt, und seine Mutter, die bei der Geburt seines Bruders das Leben verlor. Nicht diese Menschen.
„Auch wenn dies traurig für dich sein mag, es warten wichtige Angelegenheiten auf dich“
Er gab ihm ein Stück Pergament, das im Licht der Kerze flackerte.
„Ließ dies, wenn ich nicht mehr bin, wenn ich gestorben bin. Es ist eine Karte. Sie zeigt dir den Weg zu einer uralten Festung, tief in den Ländern der Orks. In dieser Festung lebt ein anderer Zwergenclan. Vor einer Woche erreichte uns eine Botschaft, dass der alte Zwergenkönig in der Schlacht gegen die Horden der Orks fiel. Sein Thronfolger ist Grimbart, dein treuer Freund. Er lebt seit 40 Jahren hier, um die Schmiedeskunst zu studieren. Jetzt ist es an der Zeit, dass er zurückkehrt und den Thron besteigt. Du wirst ihn begleiten! Ich weiß, es ist eine gefahrenvolle Aufgabe, aber ich bin mir sicher, dass du es schaffen wirst.“
„Ich werde sehen, was ich tun kann! Habt Dank für alles!!! Ich werde dich, euch alle, nie vergessen!“
Er umarmte seinen Vater, und merkte, wie der letzte Atemzug den Körper des ergrauten Zwerges verließ. Er hielt den leblosen Körper noch einige Minuten in seinen Händen, dann trug er ihn in die Halle der Ahnen. Zu Fuße seiner Frau legte er den Leichnam, und gab einem Zwerg den Auftrag, ihn gebührend zu bestatten. Dann machte er sich für die Reise bereit. Zu erst ging er zu Grimbart, der seine Sachen zusammenpackte. Bücher, sein Schmiedehammer, reinstes Erz und Proviant lag auf seinem Tisch bereit.
"Morgen früh brechen wir auf!“
Dann packte Enrol seine eigenen Sachen. Die Rüstung holte er aus der Schmiedekammer, und legte sie neben sein Bett. Er wollte sie morgen tragen. Sein Schwert hatte er noch einmal schärfen lassen, und aus der Zwergenküche bekam er etwas zu essen, Zwergenbrot, ein kleines Fass Zwergenbier, und jede Menge Kräuter, gegen Tierbisse, Wundbrand und auch gegen die heiße Sonne, die nun, mitten im Sommer, eine ernstzunehmende Bedrohung für die weiße Haut der Reisenden war.
Dann, am nächsten Morgen, gingen sie los. Mit einem Geleitzug verabschiedete man die Beiden, und ließ sie von dannen ziehn.
so... Fortsetzung folgt, wenn ich mal wieder dazu komme, zu schreiben!
Viel Spaß beim Lesen!