So, da mir zurzeit die Muße für eine Fantasy-Geschichte fehlt und ich eh etwas ich-Erzählergeschichten und beschreiben üben wollte, hab ich mir selbst mal eine Schreibaufgabe gestellt. Im Grunde genommen ist es zwar eine Schreibübung, aber vielleicht findet sie ja der ein oder andere von euch interessant.
Das Café
Ich sitze in diesem Café wie jede Woche. Tagein, tagaus immer dieselbe Leier. Nichts ändert sich. Dabei mag ich Kaffee nicht einmal. Wieso ist das wohl so? Mit Sicherheit haben sich schon viele Gedanken darüber gemacht ohne zu einer Antwort zu kommen, doch ich meine die Antwort gefunden zu haben. Der Mensch mag keine Veränderungen. Er hält fest an seinen alten Vorstellungen, seinen Erlebnissen, an allem, was ihm eingetrichtert wurde. Ich mag keinen Kaffe und esse äußerst selten Kuchen und trotzdem sitze ich seit mittlerweile fünf Jahren jeden Samstag im Café mit einem Kaffee vor mir, an dem ich an manchen Tagen nicht einmal nippe. Ich sitze hier und beobachte die Menschen. Mittlerweile genügen mir wenige Sekunden um sie komplett zu analysieren.
Ich richte meinen Blick auf die Tür hoffend, dass ich dies schon bald beweisen kann. Mit einer bedächtigen Bewegung führe ich meine Tasse zum Mund und verziehe ihn. Ja, Kaffee ist wirklich nicht mein Getränk. In eben diesem Moment tritt eine blonde Frau ein. Sie wirkt wie Mitte zwanzig, doch ich beobachte Leute schon zulange um mich täuschen zu lassen. Plastische Chirurgie und diverse Produkte aus der Drogerie stufen ihr Alter herunter, sodass es nur noch aus nächster Nähe zu erkennen ist. Sie trägt einen Minirock und ein tief ausgeschnittenes Oberteil, beides in rosa. Ein weiterer krampfhafter Versuch jung zu wirken. Ja, das ist noch so ein Problem der Menschen. Jung sein. Altern ist schlecht und unattraktiv, längst ist die Zeit vorbei, in der man mit Würde alt werden konnte. Während ich noch dem Klang ihrer Stöckelschuhe lausche, betritt ein schwarzhaariger Mann durch die blauen herabhängenden Vorhänge, die sich an der Tür befinden, das Lokal. Ich erkenne an seinen Bewegungen, dass er ihr die Tür aufgehalten haben muss; Vermutlich ihr Freund. Er ist groß und muskulös, nicht durch Sport, sondern durch Anabolika wie ich schnell feststelle. Sein Haar ist nach hinten gegelt und er trägt ein Markenjacket über einem engen T-Shirt, das wohl seinen Anabolika-Körper betonen soll. Eine Goldkette hängt um seinen Hals. Ich tippe, dass der Mann aus Rumänien kommt. Seine Freundin scheint deutsch zu sein. Sie durchqueren den Raum und nehmen an einem Tisch in der linken, hinteren Ecke Platz.
Ich wende mich wieder meinem Kaffee zu und nehme einen Schluck. Dann greife ich in meine Tasche und hole eine Schachtel Zigaretten hervor, die ich auf die schon recht zerkratze Marmortischplatte vor mir lege. Es sind Gauloises, denn wenn ich rauche, dann richtig. Bedächtig hole ich ein Feuerzeug aus der anderen Tasche. Es ist ein silbernes zum aufklappen. Ich ziehe eine Zigarette aus der Packung und zünde sie an. Blauer Dunst erfüllt die Luft um mich herum. Ich nehme einen Zug und bemerke sofort die beruhigende Wirkung; Nicht dass ich das noch nötig hätte, denn seit ich hier an meinem Stammtisch im Café sitze, bin ich beruhigt wie lange nicht mehr. Dieses Café gehört zu meinem Leben wie meine Arme, meine Beine und meine Augen; Es gehört zu mir. Ich liebe es so wie es ist. Wenn man es betritt schaut einen direkt die quadratische Holztheke in der Mitte an. Wie eine braune Insel steht sie mitten in dem Meer aus weiß-schwarzen Marmortischen. An der hinteren Wand hängen Bilder verschiedener Persönlichkeiten, die mir nicht bekannt sind, in ihrer Mitte steht eine uralte Standuhr. Um jeden Tisch stehen exakt vier bequeme schwarze Ledersessel, an der Theke sechzehn Hocker mit schwarzem Lederüberzug, vier davon an jeder Seite. So, sieht es nun seit fünf Jahren aus, seit dem Tag, an dem ich es zum ersten Mal betreten habe und nie hat es seinen Charme verloren.
Mein Blick schweift wieder zur Tür, denn in eben diesem Moment tritt ein wahrhaftiges Monster ein, das die Idylle zerstört. Die Frau, es scheint sich zumindest um eine zu handeln, wiegt locker drei Zentner. Ihr Bauch hat das Ausmaß eines jungen Elefantenbullen, ihr Gesicht ähnelt dem eines Walrosses und das schlimmste, sie kommt auf mich zu. Als sie vor mir steht, lässt sie ein missgestaltetes Geblubber ertönen, welches ich als „Ist der Platz noch frei?“ identifiziere. Mühsam bemüht es so aussehen zu lassen, als ob ich mich nicht gleich übergeben müsste, antworte ich kurz: „Nein!“ Er weiteres Mal gluckert sie los. Meine Ohren auf das extremste spitzend, verstehe ich sie. „Ach so, sie sind mit Begleitung hier?“ „Nein!“ Kurz und knapp antworten, kurz und knapp antworten, in Gedanken wiederhole ich es wie ein Mantra. „Wieso ist der Platz dann nicht frei?“ Da war sie, die Frage, die ich schon die ganze Zeit gefürchtet hatte. Jetzt also schnell und direkt. „Weil das ein Platz ist und keine Blauwal-Liegebank!“ So es ist raus. Keine Ahnung wie sie reagieren wird, hauptsache sie verschwindet endlich. Ich zwinge mich den Kopf zu heben und sie anzuschauen, doch anstatt endlich zu verschwinden, starrt sie mich nur verblüfft an. Noch so eine Angewohnheit der Menschen; Entweder sie heulen wegen jedes Kinkerlitzchens rum oder sie verstehen einen noch nicht einmal, wenn man es ihnen mir aller möglichen Brutalität ins Gesicht sagt. Sie zuckt kurz mit dem Mundwinkel, dreht dann um und stampft zu einem Tisch weiter hinten. Gut, aus den Augen aus dem Sinn, sagt man doch so schön. Ja, man mag mich gemein nennen, doch ich bevorzuge den Begriff „ehrlich“. Ich versuche die Menschen zu schonen, doch wenn sie mir allzu hartnäckig auf die Pelle rücken, sorge ich auch dafür, dass sie dies unterlassen. Ich bin ein Einzelgänger, ich war ein Einzelgänger und ich werde immer ein Einzelgänger sein. Das war schon in meiner Kindheit so und so werde ich es halten.
Ein lautes Dong erfüllt den Raum, ein Uhr, Zeit nach Hause zu gehen, die zwei Stunden Idylle, die ich jeden Samstag von elf bis ein Uhr genieße, sind um. Ich hebe meinen Arm, um den Kellner heranzuwinken, doch auch dieser kennt meine Gewohnheiten. Er steht bereits mit der Rechnung neben mir. Ich bezahle, gebe ein gutes Trinkgeld und hieve mich aus dem Sessel. Traurig gehe ich zu Tür. Ein letzter sehnsüchtiger Blick und dann schreite ich durch die Vorhänge. Bis nächste Woche, mein Café.