Ich bin zwar der Meinung, dass ich zumindest eines der folgenden Kapitel hier schon mal veröffentlicht habe, aber scheinbar ist das doch nicht der Fall
Nun also mal ein Werk, an dem ich schon seit langer Zeit sitze und das ich endlich mal weiterführen sollte (Ideen und Notizen sind zur Genüge vorhanden, aber irgendwie wird meine Motivation immer wieder auf andere Dinge gelenkt *g*).
Es handelt sich dabei (wie eigentlich bei fast jeder meiner Satiren) um banale Situationen, die ich teilweise tatsächlich erlebt habe, wenn auch in abgeschwächter Form. Vielleicht findet sich der eine oder andere regelmäßige Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel hier wieder
Busfahrten
Mobiler Terror
Dem geneigten Leser mag folgende Situation einige unangenehme Erinnerungen ins Gedächtnis rufen. Welch Schmerz und Pein die fortschreitende Technik dem Menschen zufügt, sollte gemeinhin bekannt sein. Ob es nun die sockenfressende Waschmaschine ist oder der PC, welchem keine meiner Handlungen so recht passen möchte („Sie haben das Programm ordnungsgemäß installiert. Vermeiden Sie diesen Fehler in Zukunft!“). Dass auch kleine Dinge eine große Wirkung haben können, lässt sich am besten anhand von Mobiltelefonen erläutern. Besonders dann, wenn am absolut falschen Ort (dem Bus) zur absolut falschen Zeit (eigentlich immer) das absolut falsche Ereignis (folgend) eintritt.
Ich sitze im Bus und beobachte (wie immer) die anderen Mitfahrer, als mir schlagartig bewusst wird, dass ich am Abend zuvor nicht so exzessiv mit meinen Handyklingeltönen hätte rumspielen sollen oder zumindest einen erträglichen Sound hätte einstellen können.
Aber es ist zu spät. Die komplette Fahrgemeinschaft des feierabendgefüllten Busses darf andächtig der von meiner Tasche ausgehenden Biene-Maja-Titelmelodie lauschen.
Man sollte annehmen, dass die Menschen in ihrem hektischen Alltagsleben gleichgültig gegenüber allen Peinlichkeiten anderer geworden sind. Aber nein, in diesem Moment bin ich mir der Aufmerksamkeit von grob geschätzt einhundertfünfzigmillionen Männern und Frauen sicher. In ihren Gesichtern erkenne ich die komplette Bandbreite menschlicher Emotionen; angefangen bei Belustigung über Mitleid bis hin zu Ekel und Abscheu. Die Anzahl der hochschnellenden Augenbrauen würde, in 1-Cent-Stücken gezählt, sicherlich ausreichend sein für ein gemütliches kleines 40-Zimmer-Häuslein samt Grundstück in der Größe eines mittleren Staates.
Einer gewissen Vorahnung folgend, sträube ich mich davor, das Handy aus der Tasche zu holen. Vielleicht vermuten die Leute ja jemand anderen hinter dieser tonmäßigen Geschmacksverirrung. Ein kurzer Rundumblick belehrt mich allerdings eines Besseren: Ich bin es, der angestarrt wird. Ausnahmslos ich. Zu eindeutig ist die Quelle des Terrors. Leugnen hat keinen Sinn. In einem letzten Versuch, eine gewisse Restwürde zu behalten (oder wenigstens vorzutäuschen), nehme ich lässig das Handy in die Hand.
Ein Blick auf das Display allerdings hätte selbst Hannibal Lecter zittrig werden lassen. Das Grauen ist perfekt. Der Schrecken unfassbar. Der „worst case“ ist eingetroffen...
„Mama, was willst du?!“
...
„Ja, das hab ich!“
...
„Ja, ich weiß!“
(inzwischen können sich die Blicke der anderen Mitfahrer beim besten Willen nicht mehr von mir lösen)
...
„Mama, es ist gerade SEHR ungünstig!“
...
„Ja, wirklich!“
...
„Nein, ich habe kein Problem damit, dass du anrufst. Nur nicht jetzt!“
...
„Ach, das stimmt doch gar nicht!“
(mittlerweile hat der Busfahrer bereits 3 oder 4 roten Ampeln überfahren, weil mein Gespräch scheinbar wichtiger ist als der Straßenverkehr)
...
„Können wir das Gespräch jetzt BITTE beenden?“
...
„VERDAMMT, WEIL ES WIRKLICH SEHR UNGÜNSTIG IST IM MOMENT!!!“
...
„Ja, es tut mir Leid, dass ich laut geworden bin.“
(langsam habe ich das Gefühl, dass die ganze Stadt sich um einen Platz im Bus bemüht, nur um meinem Gespräch zu lauschen)
...
„Ich ruf dich nachher an!“
...
„Doch, ich denke daran.“
...
„Ja, versprochen!“
...
„Ja, bye“
...
<klick>
Okay, das wäre geschafft. Auch wenn ich nach wie vor angestarrt werde wie Tom Hanks auf Ecstasy, so habe ich dennoch die Gewissheit, dass das Schlimmste nun vorbei ist.
So lässig, wie es die vergangenen Minuten zulassen, nehme ich meine Ich-bin-cool-Sitzposition ein. Langsam wenden sich die anderen Menschen ebenfalls wieder der Fensteraussicht zu und hängen ihren alltäglichen Gedanken nach.. In wenigen Stunden wird sich niemand mehr an dieses Ereignis erinnern. Ich werde vergessen sein; in der Versenkung verschwunden, der Erinnerungen unwürdig...
Plötzlich dringt mir die Miami-Vice-Melodie ins Ohr; erst leise, dann immer lauter werdend. Schadenfreudig lasse ich meinen Blick schweifen, bis ich den hochroten Kopf lokalisiert habe...
Außer Kontrolle
Ein weiteres Mal nehme ich die Herausforderung an, eine längere Wegstrecke mithilfe öffentlicher Verkehrsmittel zu überbrücken.
Ahnungslos sitze ich also mitten im Bus, als mir plötzlich auffällt, dass die Scheiben des vorderen Bereiches zunehmend beschlagener wirken. Während ich gedanklich die Ursachen hierfür zu ergründen versuche (angefangen bei seltsamen Wettererscheinungen und endend mit der Vorstellung von Sonnenschutz-Service der Verkehrsbetriebe), schleicht sich erst leise, dann jedoch lauter werdend, eine Stimme in meinen Kopf, welche angsterweckender ist als jeder Arztbefund in der Notaufnahme...
Schlimmer als jedes Kontoführungsgespräch in der Sparkasse...
Grausamer als jeder neu aufgelegte Schlager...
„Die Fahrkarten bitte!“
Es ist egal, ob man eine gültige Fahrkarte besitzt oder nicht; dieser Satz weckt ein starkes Unbehagen, Zitteranfälle und feuchte Hände. Nun wird mir klar, dass der Beschlag an den Scheiben purer kondensierter Schweiß ist...
Angstschweiß...
Meine innere Stimme der Vernunft versucht beschwichtigend, mir klarzumachen, dass ich lediglich meinen Fahrschein heraus holen muss, um diese Situation souverän zu meistern.
Ich greife also in meine rechte Hosentasche: Nichts...
Gut, dann versuche ich es auf der linken Seite: Auch nichts...
Leicht zittrig greife ich in die Innentasche meiner Jacke, während die grausame Stimme langsam, aber beständig näher kommt: Ebenfalls nichts...
Nun fange ich an, mich etwas zu sorgen. Gedanklich verfolge ich den Weg von der Ankunft an der Haltestelle bis zur aktuellen Situation zurück und überlege dabei, ob ich nicht etwas Wichtiges vergessen habe. Ich stelle fest, dass mein Blick auf die Uhr genauso stattgefunden hat wie die obligatorische Buswartezeitzigarette und das Beobachten der anderen Menschen. Eingestiegen bin ich offensichtlich auch. Aber was war dazwischen?
Habe ich tatsächlich vergessen, mich vor den Automaten zu stellen, einen Knopf zu drücken und einen geringen Teil meiner hart verdienten Finanzen einzuwerfen? Ist dieser an sich simple Vorgang im Alltag des Wartens untergegangen?
Die Antwort ist einfach: Ja!
Vor meinem geistigen Auge spielt sich das bevorstehende Drama detailliert ab:
Kontrolle – Unschuldsblick – Verhaftung – Gefängnisrevolte – Verbrecherlaufbahn
Es fällt mir unter diesen Umständen zunehmend schwerer, meine Ich-bin-cool-Sitzposition beizubehalten. Ich habe das Gefühl, mit meinem schweißnassen Rücken am Sitz zu kleben, während meine zittrigen Hände im Begriff sind, Geschwindigkeits-Weltrekorde zu brechen.
Plötzlich keimt ein schwacher Hoffnungsschimmer in mir auf: Beim nächsten Halt muss ich sowieso raus. Der Wettlauf mit der Zeit beginnt also. Kontrolleur und Haltestelle rücken synchron näher und ich kann nicht sagen, was mich zuerst erreichen wird.
Aus dem Fenster schauend kann ich bereits das rettende H in der Ferne erkennen. Ich hoffe und bete, dass die Ampel weiterhin grün bleibt, während die unheilvolle Stimme näher und näher kommt.
Ich fasse den Beschluss, mich langsam und unauffällig in Richtung Tür zu begeben, um mich später nicht durch hektische Bewegungen verdächtig zu machen.
Bei dem Versuch, während des Aufstehens nicht aufzufallen, habe ich allerdings die Saugkraft durchschwitzter Rücken unterschätzt. Mit einem lauten, schmatzenden Geräusch gelingt es mir, die Verbindung zur Rückenlehne zu lösen. Plötzlich werde ich von einer Zahl Menschen angestarrt, welche der Einwohnermarke einiger Industrieländer Konkurrenz machen kann.
Nichts desto trotz versuche ich, Herr der Situation zu bleiben – mit mäßigem Erfolg, wie es mir scheint.
Während ich in Richtung Tür gehe, bleibt der Bus abrupt stehen...
Rot...
ROT???
ROT!!!
Scheinbar haben sich alle mir übel gesonnenen Mächte in einer einzigen Verkehrsampel manifestiert. Während ich instinktiv nach einem Notausstieg suche, bemerke ich im Augenwinkel das Nahen des Kontrolleurs.
Blick links – Fahrschein okay
Blick rechts – Alles in Ordnung
Nächste Sitzreihe
Blick links – Keine Probleme
Blick rechts – Dito
Und wieder eine Sitzreihe dichter
Blick links – Wunderbar
Blick rechts – Fantast... Moment mal...
Eine Frau mittleren Alters, welche scheinbar mit der Busfahrt-Etikette nicht vertraut ist (vermutlich ist sie ein Outsider und muss dank Werkstattaufenthalt ihres Autos heute unter uns weilen) kramt in ihrer Handtasche Ich sehe, wie ihre Bewegungen zittriger werden, während ihre Augen panisch die endlosen Tiefen ihres Damengepäcks durchforsten.
Und ich rieche ihren Angstschweiß.
Heute hat sie die Bedeutung eines Adrenalinkicks gelernt, wie man ihn mit 300km/h auf der Autobahn nicht erleben kann.
Innerlich spreche ich Danksagungen an alle Autofahrer und die schlampige Abwicklung des TÜV.
Der Bus bewegt sich wieder.
Der Kontrolleur auch.
Der Bus bleibt Sekunden später erneut stehen.
Der Kontrolleur leider nicht.
Durch dieses Wechselbad der Gefühle fange ich an, die Umgebung nur noch verschwommen zu sehen.
Oder liegt es vielleicht doch an den Scheiben?
Erst als sich die Türen öffnen, realisiere ich den Grund des erneuten Haltens:
Ich bin am Ziel.
Nur noch ein Schritt trennt mich von der Freiheit.
Ich fühle mich wie Neil Armstrong am 21. Juli 1969 und frage mich, ob er damals einen Fahrschein hatte.
Plötzlich wird mir klar, dass ich jetzt handeln sollte und mit einem beherzten Schritt verlasse ich den Bus - Sekundenbruchteile, bevor der Kontrolleur mich erreicht.
In diesem Moment erkenne ich den Wert soliden Bodens unter den Füßen und beschließe, nie wieder in einen Bus zu steigen...
Nie wieder...
Zumindest heute nicht mehr...
Während ich, die frische Luft genießend, Zigarette und Feuerzeug hervor hole, setzt sich der Bus wieder in Bewegung.
Die Fahrgäste im hinteren Bereich kann ich durch die Scheiben nicht erkennen...
Völlige Leere
Bereits bei der Ankunft des Busses frage ich mich ernsthaft, ob es physikalisch möglich ist, 1.253.576 Personen in ca.150m³ zu zwängen. Einige zweifelnde Gesichter in meinem Umfeld beschäftigen sich scheinbar ebenfalls mit dieser Aufgabe. Nichts desto trotz versucht die gesamte Haltestellenversammlung ihr Glück und stürmt auf den völlig überfüllten Bus zu, welcher gerade, einer Mutprobe gleichend, die Türen öffnet.
Ich geselle mich in einem Anfall geistiger Umnachtung in die Menge und werde, ohne mich weiter bewegen zu müssen, ins Innere chauffiert. Der eigentlich überflüssige Rundumblick verrät mir, dass die Sitzplätze seit schätzungsweise 358 Haltestellen restlos belegt sind.
Restlos?
Nein!
Keine 5 Meter entfernt lädt ein freier Platz auf geradezu verführerische Weise dazu ein, die Beine von den Strapazen des letzten Einkaufsbummels zu erholen.
Natürlich gebe ich mir nicht die Blöße, diese Chance zu ergreifen und dabei jeden Fahrgast in meinem Weg zu töten. Ein Amoklauf und meine anschließende Ich-bin-cool-Sitzposition passen halt nicht so ganz zusammen.
Also warte ich einen Moment.
Und noch einen Moment.
Und noch einen Moment
Und... Noch einen Moment
Eine ältlich wirkende Dame bewegt sich mittlerweile auf den freien Platz zu. Mein soziales Gewissen siegt über mein diabolisches Innere, daher lehne ich mich stehend an die Scheibe und gönne der Frau ihren Triumph.
Während ich mir noch gedanklich auf die Schulter klopfe, bemerke ich allerdings, dass sie sich nicht setzt. Stattdessen vertraut sie auf ihre offensichtlich zittrigen Beine und bleibt in Griffweite zum Paradies einfach stehen. Gibt es etwas auszusetzen an dem leeren Sitzplatz?
Ich erkenne nichts, also starte ich einen neuen Versuch, mich unauffällig dorthin zu begeben. Doppelt hält ja bekanntlich besser. Genau in diesem Moment stürmt ein kleiner Junge zum Sitz, so dass ich mein Vorhaben erneut abbreche und mich wieder an die Scheibe lehne. Plötzlich ertönt ein lautes „Franz-Peter!“ (mit solch einem Namen wird die Schulzeit für den Kleinen sicherlich...ereignisreich). Das Kind begibt sich in Richtung der penetranten Stimme und verschwindet in der Menge.
Was gibt es an dem Platz denn auszusetzen???
Da aller guten Dinge bekanntlich drei sind, bahne ich mir erneut meinen Weg zu dem ominösen Sitzplatz, als mir im Augenwinkel eine offensichtlich schwangere Frau auffällt, welche scheinbar das selbe Ziel hat wie ich. Nach einem kurzen Zwiegespräch mit mir selbst (Wieso schauen mich die anderen Fahrgäste denn plötzlich so seltsam an?) trete ich mal wieder den Vorstoß in den rückwärtigen Raum an und begebe mich zurück zu meiner geliebten Fensterscheibe. Im Grunde habe ich natürlich schon vorher gewusst, dass die Frau sich nicht setzen wird. Stattdessen steigt sie aus...
WAS IST AN DIESEM VERDAMMTEN SITZPLATZ NICHT IN ORDNUNG???
Vier gewinnt, also wage ich mich erneut in Richtung Sitzplatz. Diesmal nehme ich keine Rücksicht. Drei Fahrgäste mit Gipsverband werden Opfer meiner Entschlossenheit, fünfzehn weitere werden nach dieser Fahrt ebenfalls einen Arzt aufsuchen müssen. Die entsetzten Blicke der Menschen um mich herum interessieren mich in keiner Weise. Ich habe nur noch „meinen“ Sitz im Kopf. Dort angekommen stelle ich fest, dass es, oberflächlich betrachtet, keinerlei Anzeichen für irgendwelche Abnormalitäten gibt. Der Sitz ist so sauber, wie es öffentliche Verkehrsmittel zulassen. Ich entdecke auch nirgends irgendwelche sperrigen Gegenstände, die für das Benutzen hinderlich wären.
Gerade will ich mich setzen, als der nächste Halt angesagt wird. Ich muss aussteigen...
Schlechter Geschmack
Beim Busfahren stellt sich oftmals die Situation ein, dass scheinbar die gesamte Stadt ihr Auto in der Werkstatt hat und, bedingt durch ein plötzlich eintretendes Solidaritätsgefühl, den Bus nutzt.
Einmal mehr muss ich mithilfe von Ellenbogen und Brüllanfällen um meinen mir zustehenden Sitzplatz kämpfen. Leider befindet sich dieser dank schlechter Einstiegskoordination im hinteren Teil – Das Harlem der öffentlichen Verkehrsmittel.
Gestalten, denen ich Sonnenlichttauglichkeit gar nicht zugetraut hätte, tummeln sich auf zerfleischten Sitzpolstern und in biergetränkten Gängen. Im dämmernden Licht der flackernden Beleuchtung verfolgen mich rot glühende Augenpaare und ich könnte schwören, dass hier und dort lange, spitze Eckzähne zwischen blutleeren Lippen hervorblitzen.
Mein verhaltenes Lächeln dringt nicht mal bis zur nächsten Sitzreihe, sondern verblasst umgehend in der von Bosheit getränkten Atmosphäre. Hier holt man sich keine Krankheiten. Nein, hier holt man sich nur den Tod.
Trotz allen Widrigkeiten ergattere ich eine Sitzplatz in der hinteren Reihe, flankiert von Gestalten, deren Herkunft sich kaum klassifizieren lässt. Von hier habe ich einen vollständigen Überblick über diese Rocky Horror Picture Show.
Sofort fallen mir einige Halbstarke in einer nahen Sitzreihe auf. Ich schätze ihr Alter (das biologische wohlgemerkt) auf 16-17 Jahre. Sie stechen deswegen so sehr hervor, weil sie die einzigen Personen in diesem Bereich sind, welche die Fähigkeit des Lachens noch beherrschen, wobei es sich dabei allerdings vielmehr um die Geräusche eines verwundeten Tieres handelt.
Kaum setzt der Bus sich in Bewegung, schon passiert das Unvermeidbare: Sie fangen an, Witze zu reißen. Nun mag man meinen, dass in diesem Umfeld ein paar humorvolle Bemerkungen gar nicht so verkehrt wären. Nur sollte man Witze, welche mit „Was ist der Unterschied...“ anfangen und mit einer frauenfeindlichen Bemerkung enden, nicht zwangsläufig als „Humor“ interpretieren. Nichtsdestotrotz wird jeder noch so schlechte Spruch mit einem Gröhlen belohnt, welches unseren Vorfahren zum Schutz vor wilden Tieren durchaus zum Vorteil gereicht hätte.
Vor jeder einzelnen Haltestelle sende ich Stoßgebete an einen anderen Gott; in der Hoffnung, dass einer davon mich erhören möge und diese Kleinhirnkameraden zum Aussteigen animiert.
Ich hätte häufiger die Kirche besuchen sollen...
Nachdem ich mir fünftausenddreihundertachtundsechzig Haltestellen lang Anekdoten über unproportionale männliche Geschlechtsteile, beglückte Frauen und gelbe Buchstaben im Schnee anhören durfte, fange ich an, mich zurückzulehnen und mir Fragen zu stellen:
Bin ich selbst einmal so gewesen? Gibt es Heilung? Ist DAS unsere Zukunft?
Langsam dämmert es mir, was hier, in den hinteren Teilen dieses und jedes anderen Busses, vor sich geht.
Als ich aus dem Augenwinkel heraus beobachte, wie einer der Halbstarken ungeniert meine Ich-bin-cool-Sitzposition kopiert, spüre ich, dass meine Eckzähne länger werden...