Mit Vorsicht schlich sich Per um das Lager. Doch um die Höhle zu erreichen würde er wohl oder übel an der Felsenwand entlang müssen oder von Zelt zu Zelt schleichen. „Ich muss den Jungen hier lebend raus bringen, koste es was es wolle - diese Bestien werden nicht alle meine Männer verschlingen!“ Dieser und weitere Gedanken gingen dem Hauptmann durch den Kopf während er sich wie ein Tier am Boden durchs Unterholz robbte. Nahe der Felswand wehte der Wind ihm den Geruch von gebratenem Fleisch und frischem Blut entgegen. Der Himmel verfärbte sich bereits zur Morgenröte und Per wusste, dass er keine Chance hätte bei Tageslicht irgendetwas auszurichten. In der Nähe von seinem Versteck erspähte er in Reih und Glied Tiermenschenfelle und Menschenhäute aufgespannt, wie die Wäsche einer alten Fettel. Dies könnte die Lösung sein, er huschte geschwind wie ein Wiesel und schnappte sich eins der Tierfelle. Ein beißender Gestank von Verwesung strömte aus dem Fell. Doch trotz allen Ekels streifte er sich das Fell über und schlich sich mit Bedacht an der Felswand entlang. Für Per Lundin erstreckten sich die wenigen Meter bis zur Höhle in Meilen und bei jedem Schritt verharrte er und lauschte auf ein Anzeichen von Alarm. Im Lager konnte er nur noch wenige aufrechte Tiermenschen entdecken, die meisten lagen schmatzend und rülpsend am Boden und murmelten vor sich hin. Endlich hatte er die Höhle erreicht, es roch nach Schimmel und Brackwasser und seine Haut fing augenblicklich an zu Jucken als ob er sich die Krätze geholt hätte. In den düsteren der Höhle konnte er nur wenig erkennen, doch das fahle, geisterhafte Licht bot ihm immerhin die Gewissheit nicht ins bodenlose zu fallen. Schatten huschten ab und an ihm vorbei, doch fehlte ihnen der Mut oder das Tierfell streckte die Wesen zu sehr ab. Unzählige der Gänge führten in jede erdenkliche Richtung, mehrere male musste er Kehrt machen und einen anderen weg suchen. Mit der Zeit verstand Per die Spuren auf dem von Wasser und Zeit glatt geschliffen Boden die Spuren zu erkennen. Nach etlichen Biegungen und Sackgassen fand Per eine Wand mit seltsamen Malereien, doch erkannte er unvermeidlich die Armeen von Hergig und jeder der Bilder ließ ihn zusammenfahren ab der abscheulichen Grausamkeit der Bestien. Mit Schmerzen erinnerte er sich an den Überfall der Bestien auf Esk. Er selbst nicht mehr als neun Sommer überlebte das Gemetzel in einem sicheren Versteck. Doch die Bilder der Tage danach würde er nie vergessen. Keiner wurde von den Biestern verschont - Männer wie Frauen abgeschlachtet auf jede erdenkliche Art. Vielen Frauen wurden die Kinder geraubt, einigen sogar aus dem Leib geschnitten. Die alten behaupteten, dass die Kinder als Delikatessen bei den Tiermenschen gelten, doch die Bilder hier offenbarten den wahren Nutzen der Kinder. Eine Zeitlinie erstreckte sich an einem Stalagmiten empor, ein schwarzer Baum, seine Wurzel von grünlichen Nebel umschlossen und auf jeden Ast saß ein Wesen. Per erschauerte: Ein Kind verformte sich nach und nach mit jedem Ast mehr und mehr in eine Bestie. „Metamorphose..“, hauchte Per Lundin in die Dunkelheit. Er Packte seinen Hammer und schmetterte ihn mit seiner vollen Kraft gegen den Stalagmiten der in hunderte Bruchteile zerbarst. Voller Wut und Trauer versagten im die Beine und er sank schluchzend in die Knie. Mit zitternden Händen nahm er eins der Bruchstücke auf, das Bildnis des Kindes war noch in Takt und Per Lundin drückte es an seine Brust „Anna, Anna warum nur Anna? Warum?“ flüsterte er leise in die Dunkelheit.
Schmerzen plagten Per nun seit mehreren Stunden, das Jucken auf der Haut wurde von Stunde zu Stunde schlimmer und sein Magen wand sich um seine Innereien. Der Pelz schütze gegen die beissende Kälte, dennoch schauderte es ihn bei jedem Schritt ob dem beklemmenden Gefühl. Ein Geräusch ließ Per aus dem monotonen Trott, den er eingeschlagen hatte, erwachen. Ein Stimmengewirr - hatte er sein Ziel erreicht? Würde er noch rechtzeitig kommen? Die Stimmen wurden lauter, und Per vernahm aus einem Spalt im Felsen nun die Stimmen ganz deutlich. Der Spalt war eng aber Per konnte sich darin bewegen. Flackerndes Kerzenlicht mischte sich mit dem fahlen Licht der Stalagmiten in einem fast kreisrunden Raum sah er Rasmus, blutverschmiert und mit Schnittwunden übersät lag er regungslos auf einem Lager aus Tierfellen. Doch Per konnte sich unmöglich weiter fortbewegen. Die Stimmen kamen aus den Wänden, dutzende Schädel und jeder von ihnen sang sein eigenes Klagelied. Ein Dumpfer schlag rüttelte Rasmus wach „Hier drüben, Rasmus bist du es?“, in Rasmus drehte sich alles, sein Kopf schwer und verwirrt von seiner Umgebung, seine Glieder wie Blei und voller stechender Schmerzen. „Rasmus komm zu dir!“. Nun erkannte Rasmus die Stimme, doch konnte er nichts erkennen, zu sehr schwankte der Raum vor ihm. „Hauptmann seit ihr es?“, ein Kratzen an der Wand ließ Rasmus herumwirbeln „Hier drüben im Spalt!“, flüsterte die Stimme und Rasmus erkannte das Aufblitzen von Metall. Mit schweren Schritten, fast mehr auf vier als auf zwei Gliedern, machte sich Rasmus in die Richtung, Hoffnung keimte in ihm auf, aus dieser Hölle zu entkommen. „Kannst du dich hier durchzwängen?“. Mit Müh und Not schaffte es Rasmus - außer Atem und völlig entkräftet starrte er nun auf das, was vor ihm stand: „Ich werde dich Töten falsche Zunge!“ Per, völlig von dem Wutausbruch von Rasmus überrascht, versuchte sich gegen den Würgegriff zu wehren: „Rasmus warte, Ich bin es wirklich! Schau mir ins Gesicht mein Junge, Rasmus!“. Langsam und zögerlich löste sich der kräftige Griff um Per´s Hals und Rasmus kniete nun völlig entgeistert über seinem Hauptmann. „Verzeiht, ich hab das Fell gesehen und ...“ Per legte die Hand auf Rasmusses Schulter: „Schon gut mein Junge, keine Sorge. Aber nun runter von mir! Lass uns versuchen hier lebendig raus zukommen!“
“Bolgar ! Bolgar du verfluchter Kerish! Wo steckst du Bolgar?“Skella´s Stimme bebte vor Zorn. „Wo ist er Bolgar? Wo ist mein Geliebter?“ Bolgar presste sich aus einer der zahlreichen Felsspalten. „Skella ihr mich rufen“ Skella schnellte wie eine Viper auf Bolgar zu und hielt ihren Dolch an seine Kehle. „Ja Natürlich oder denkst du ich schreie mir gerne für nichts und wieder nichts die Seele aus dem Leib?“ ein Klagelaut entwich Bolgars Kehle und frisches Blut tropfte über das weiße Fell. „Ich habe dir befohlen über meinen Geliebten zu Wachen!“ der Kerish schaute sich im Raum um „Ich nichts sehen Weichhaut“ Skella rammte nun das Messer mit voller Wucht in den Oberarm des Kerish und mit lauten Gebrüll verzog er sein Gesicht „Du dummes Tier, natürlich nicht - er ist geflohen!“ flüsterte Skella mit eiskalter Stimme Bolgar ins Ohr. „Bolgar suche meinen Geliebten, bringe ihn mir lebendig und wage es nicht ohne ihn zurückzukehren! Ich hoffe nur für dich, das schwarze Blut hat bereits seine Wirkung getan, dann musst du ihn nicht mehr finden. Dann wird er den Weg seiner Bestimmung von selber finden. Nimm Aryka und ihre Centigore mit, sie kennt sich im Wald bestens aus. Und nun geh!“ mit einer Drehung riss sie den Dolch aus dem Oberarm und wieder grollte das Wesen voller Schmerz.