Teil 1:
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als eine frostige Boe dem massiven Ork einer scharfen Klinge gleich durch das vernarbte Gesicht schnitt.
Der Schneesturm tobte nun schon seit zwei Tagen und Nächten unerbittlich und sein Gefolge hatte ihm fürchterlichen Tribut gezollt. Trotz der dicken Felle einheimischer Kreaturen, aus denen sie schützende Mäntel und Kapuzen gefertigt hatten, waren in der vergangenen Nacht zahlreiche Orks und Goblins der eisigen Kälte zum Opfer gefallen.
Die Überlebenden kauerten sich unter vereinzelten Vorsprüngen zusammen, die aus der gewaltigen Felsformation herausragten, welche das Heer umgab.
Jede Minute starben weitere Krieger und die restlichen trotzten der Witterung so gut sie konnten, geduldig auf ein Zeichen ihres Bosses wartend.
Urrshak Fleischkloppa hatte seinen Waagh in der Hoffnung in diese unwirtlichen Lande geführt, einer alten Legende auf die Spur zu kommen, welche seit je her an den Lagerfeuern seines Stammes erzählt wurde.
Vor langer Zeit war ein Stamm von Schwarzorks, welcher sich aus der Tyrannei der Chaoszwerge freigekämpft hatte, ziellos in das Ödland hinter dem Trauergebirge geflohen, um eine Zuflucht vor den hartnäckigen Verfolgern zu finden, welche von den tobenden Chaoszwergen entsandt worden waren.
Hobgoblins, die großen Verräter der Orkrebellion, nahmen die Verfolgung auf riesigen Schneewölfen reitend auf , welche im Gegensatz zu den Flüchtlingen mühelos über den tiefen Schnee wetzten und holten die Schwarzorks ein. Doch vermochte es kein Verfolger, sich dem eisernen Willen und dem kalten Stahl der Schwarzorks entgegenzustellen. Die Verräter wurden abgeschlachtet und ihre Wölfe von den Schwarzorks gefangen genommen und gezähmt, oder zu Winterkleidung verarbeitet.
Nach zahlreichen Tagen der Wanderung gelangte der Stamm schließlich in ein abgeschottetes Tal, welches durch den umliegenden Gebirgszug von den eisigen Stürmen der Region größtenteils verschont blieb. In jenem Tal errichteten die Schwarzorks eine gewaltige Festung aus kargem Stein, den sie dem Berg selbst abrangen: "Festung Zwergenfluch".
Ihren Namen verdankte diese letzte Bastion der Schwarzorks dem Trotz, mit dem sich ihre Erbauer und der starre Fels ihren Peinigern widersetzten.
Die Chaoszwerge dürsteten nach Rache für den Verrat ihrer Schöpfungen und sandten zahlreiche Belagerungsstreitmächte aus, um die rebellischen Schwarzorks endgültig zu vernichten. Armee um Armee prallte jedoch an den Wällen von Festung Zwergenfluch ab und kein Kriegsgerät der Zwergenmaschinisten vermochte die Wälle zu durchbrechen. Die Verteidiger schienen ihre Kraft aus einer den Chaoszwergen unbekannte Quelle zu entnehmen, anders konnten sich die Tyrannen ihr wiederholtes Scheitern nicht erklären.
Die Orks sprechen heutzutage von Gork oder gar Mork, wenn sie über die Quelle dieser Macht spekulieren. Tatsächlich jedoch weiß bis heute noch niemand genau, wer oder was seine schützende Hand über die gepeinigten Schwarzorks hielt. Aus Zorn und Verzweiflung entsandten die Chaoszwerge zehn ihrer fähigsten Magi, um das unsichtbare Bollwerk von Festung Zwergenfluch mit ihrer verderbten Magie zu durchbrechen. Unterstützt von fettleibigen Oger-Söldnern umliegender Stämme tobte der letzte Angriff auf Festung Zwergenfluch.
Ein gewaltiges Ritual wurde vor den Toren Zwergenfluchs initiiert, bei dem sich die Chaos Magi in unheilige Rage versetzten, um ihre vereinte Macht auf den Bann der Festung zu entfesseln. Der Berg bebte unter dem gewaltigen Druck, als die Magien beider Parteien aufeinander prallten und um die Vorherrschaft rangen. Ein tosender Eissturm entlud sich im Tal über die Angreifer und raffte etliche dahin. Die Luft schien statisch und knisterte voller Energie, als die Chaos Magi mit letzter Kraft schließlich die Oberhand gewannen und die Wälle Zwergenfluchs zum Bröckeln brachten.
Die Oger stürmten in den Festungshof, in dem die Verteidiger bereits auf sie warteten. Ihre Macht war gebrochen, doch wollten sie ihr Leben so teuer wie möglich verkaufen. Ork für Ork wurde von den Ogerkriegern in Stücke gerissen und verschlungen, während sich die wenigen Verbliebenen ins Innere der Festung zurückzogen. Ein Bote wurde zur Hauptstadt entsandt, um von den jüngsten Erfolgen zu berichten.
Die Magi schritten siegessicher über den mit Trümmern übersäten Festungshof in die Eingeweide von Zwergenfluch, wo sie das Ende der Schwarzorks persönlich besiegeln wollten. Doch als sie die Schwelle übertraten, erbebte der Berg aus den Tiefsten seiner Wurzeln und ein gewaltiger Riss zeichnete sich an der massiven Felswand ab, in die die Festung eingehauen war. Riesige Felsbrocken stürzten auf die Festung herab und tosende Lawinen begruben die Szenerie unter einem erbarmungslosem Teppich weißen Verderbens.
Die Chaoszwerge schimpften jenen Ort seither als verfluch und vernichteten sämtliche Aufzeichnungen über diesen Krieg aus ihren Archiven.
Der Schwarzorkstamm fand sein Ende unter dem Fels, der ihn einst beschützt hatte, und nahm das Geheimnis um die Quelle seiner Macht mit in sein Felsiges Grab.
Hier stand er nun, Urshak Fleischkloppa, und blickte durch den dichten Niederschlag auf die vermeintlichen Überreste von Festung Zwergenfluch hinab. Viele mutige und dumme Abenteurer hatten über Jahrhunderte versucht, das Geheimnis der Festung zu ergründen, doch scheiterten sie allesamt an der Eisigen Kälte, die wie ein Relikt des einstigen Bannes von Festung Zwergenfluch über das Tal wachte.
Vielleicht würde er bereuen, dass er seinen Waaagh hierher geführt hatte. Womöglich bereute er es schon jetzt, als er sich zu den jämmerlichen Überresten seines einst so mächtigen Heeres umwandte und es mit einer energischen Geste dazu veranlasste, tiefer in das verdammte Tal vorzudringen.