Das kalte Herz von Mousillon

  • Die schiere Lust hat mich überkommen, als ich in meinem alten Bretonenarmeebuch blätterte, der Affäre um den falschen Gral einen eigenen, frischen Akzent zu verpassen. Und herausgekommen ist dieser Ansatz zu einer 4-teiligen Kurzgeschichte. Kritik (noch dazu konstruktive) ist ausdrücklich erwünscht.
    Die Platzhalter werden sich dann die Wochen füllen.
    ;)


    I. Die Rückkehr


    Schneidend peitschte der Nachtwind gegen seinen Helm.
    Mit eisigen Fingern umklammerte Gerald die raue Reling auf dem Wetterdeck.
    Die Gischt spritzte über das Boot. Wieder und wieder hatte er seinen Oktanten hervorgeholt,
    bis sie endlich auftauchte, diese fleckige alte Dirne, welcher all sein Streben galt.
    Der bretonische Korsar pflügte durch die meterhohen Wellen. Dröhnend entlud sich die geballte Energie des Meeres an der Brandung.
    Und doch lag der geisterhafte Klang von Musik und Gelächter in der Luft, wehte herüber, lullte die wackeren Seeleute in düstere Schleier.
    Immer zu Winteranfang konnte man diesem toten Amoklauf lauschen.
    Es war ein Nachhall der grenzenlosen Dekadenz früherer Herrscher dieses Landes.
    Die Stadt war tot. Wie ein vergoldeter Pokal dessen Lack abblätterte,
    schälten sich die einst weißen Gemäuer und offenbarten dem Betrachter ihr verrottetes Fleisch.
    Brüchige Lehmziegel und morsches Holz quollen gleich eitrigen Geschwülsten durch den ergrauten Putz.


    Kein Licht, kaum Schiffe, der Hafen war verwaist. Verlassen kauerte er in der Scham der einstigen Metropole.
    Krampfhaft zappelte er nurmehr - oder sollte man sagen: noch? – im Würgegriff übel riechender Seepflanzen,
    welche von ihm Besitz ergriffen hatten. Langsam aber sicher kroch er seinem Tod entgegen.


    Im grellen Mondlicht huschten lange Schatten über die Docks. „Vermaledeite Ratten.“
    Man hatte mit den Skaven rechnen müssen und er hatte mit ihnen gerechnet.
    Gerald taumelte über das schwankende Schiff. „Kanonen laden und fertig machen zum Landen.“


    Hektisches Gewusel entstand und kurz darauf schritt sein erster Offizier, ein blasser und schlaksiger Mann auf ihn zu.
    „Kanonen geladen.“
    „Zielt auf die Schatten.“
    „Jawohl mein Herr.“
    „Dann nehmen wir Kurs auf die Flussmündung. Wir gehen am nördlichen Kai von Bord.“
    Stumm nickend wandte sich der bretonische Edelmann ab.
    Was war es doch für ein Glücksfall gewesen, dass ihnen diese Bande einfältiger Taugenichtse das Boot nahezu freiwillig überlassen hatte.
    Bretonische Schiffe waren für solch schnelle Überfälle perfekt geeignet.
    Sie waren wendig und verfügten über eine Bewaffnung die es Geralds Mannen ermöglichte, das Ungeziefer,
    welches sich hier eingenistet hatte, in seine Löcher zu bannen.


    ‚Ach du mein Mousillon, wie lang ist‘s nun her, seit ich deine welken Blüten das letzte Mal roch?
    Wie schmerzt es doch mein kaltes Herz, dich leiden zu sehen.
    Nicht mehr lange und du, meine holde Braut, wirst dich wieder in deinen kostbarsten Gewändern schmücken dürfen, ‘ schwelgte Gerald.


    Der Korsar ächzte unheilvoll. Nur noch wenige hundert Meter bis zum Ufer. Der Steuermann drehte bei.
    Geralds Sehnen spannten sich. Wie ein Leuchtturm ragte seine gepanzerte Faust in den aufgewühlten Nachthimmel.
    Gerade als die Schatten sich zwischen den eingefallenen Kontoren mehrten, fuhr der Arm nach unten.
    Krachend spuckten die schweren Bronzerohre Tod und Verderben. Leuchtende Brandgeschosse zerrissen die brüchigen Fassaden der Hafenanlagen.
    Salve um Salve erschütterte die klirrend kalte Wintersnacht.
    Kreischend hechteten Rattenmenschen in die tosende See und schon bald brannte das ganze südliche Hafenviertel lichterloh.
    Beißender Gestank von versengtem Haar wehte vom Ufer her.


    Der Hauch eines grimmigen Lächelns huschte über Geralds Gesicht, doch blieb es aller Welt verborgen.
    „Fertig machen zum Landen!“ brüllte er.
    Mit zielsicherer Leichtigkeit strebte das Schiff durch die qualmenden Rußwolken auf das Ufer zu.
    Nur noch wenige Meter. Ein kurzer Kampf gegen die Strömung der Grismerie, dann rief er:
    „Segel einholen und Enterbrücken runterlassen.“


    Ketten rasselten und dumpf donnerte die Holzplanke auf die alten Steinquader.
    Taue wurden an den rostigen Pollern festgezurrt. Polternd stürmten schwer gepanzerte Ritter über die Brücke an Land.
    Er hatte es geschafft. Er, der von allen nur belächelt worden war.
    Er, Gerald, den sie gehänselt hatten wegen seinen schmächtigen Schultern und seiner anrüchigen Herkunft.
    Bespuckt hatten sie ihn, Narreteien schimpften sie seine ehrgeizigen Pläne. Doch er würde es ihnen zeigen.
    Allen würde er es zeigen. Noch in tausend Jahren sollten die Barden seine ruhmreichen Taten besingen.
    Gerald zog sein Schwert. „Für Mousillon!“
    „Für Mousillon, “ riefen seine Mannen und ihre schwarzen Rüstungen schimmerten matt im fahlen Mondlicht.


    II. Der steinige Weg


    Jahrelang hatte Gerald sich auf diesen Tag vorbereitet. Wochen und Monate hatte er in stickigen Archiven gekauert,
    alte Pläne und Karten studiert. Wie viele Stunden hatte er wohl zugebracht im Sattel seines treuen Kleppers,
    auf der Suche nach willigen Mitstreitern? Und dann die Scherereien mit dem korrupten imperialen Pöbel,
    als er die Sprengladungen aus Nuln importieren musste.
    Vielleicht hätte er sie zur Strafe nicht gleich bei lebendigem Leibe häuten sollen,
    dann wäre ihm die überstürzte Flucht womöglich erspart geblieben.
    So stand er nun da, mit seinen fünf lumpigen Tonnen Schwarzpulver. Doch es musste einfach klappen.


    Er war nicht der Thor zu glauben Mousillon beherrschen zu können – noch nicht.
    Vielmehr strebte er nach Ruhm und nach den sagenumwobenen Artefakten im Inneren des versiegelten Palastes.
    Wenn es nötig sei, so würde er sie gar dem widerauferstandenen Maldred aus seinen knöchernen Klauen entreißen.
    Zwei Dutzend Ritter, zumeist junge Heißsporne aus dem Umland von Mousillon, hatten sich Gerald angeschlossen.
    Dreißig Bauern waren zwangsrekrutiert und fünf Knappen für teures Geld bei Graf Burden angeheuert worden.
    ‚Formidable Späher, mein alter Freund. Die kann ich nicht so einfach entbehren und noch unendlich schwieriger ersetzen.
    Unter 500 Talern ist da nichts zu machen. ‘
    „Dreckiger, fetter Schuft, “ dachte sich Gerald und dann hatte er sie doch erworben.


    Gerade rollte eine Gruppe Bauern die Fässer an Land. Es durfte nichts dem Zufall überlassen werden.
    Sollten sich die Legenden bewahrheiten und tatsächlich alle Ausgänge mit Steinquadern verbarrikadiert worden sein,
    so musste man sich den Weg eben freisprengen.
    Untugendhaft, aber praktisch.
    „Chlodec!“
    Sofort stand er vor ihm, sein treuer Offizier und Freund.
    „Chlodec, “ sagte Gerald etwas gedämpft, „nimm die Späher mit und erkunde die Straße bis zum alten Markt.“
    „Gerne, euer Hochwohlgeboren.“


    Sie mussten sich beeilen. Zwar hatten die Ratten einen gehörigen Schrecken bekommen,
    als ihre Brüder von den Kanonen zerfetzt worden waren, doch schlimmere Übel lauerten noch in den Gassen.
    Schatten, deren Aufmerksamkeit man besser nicht erregte.
    Die Ritter hatten bereits die Seitengassen gesichert.
    Als die Sprengtonnen endlich auf kleine Handkarren verladen waren rief Gerald:
    „Sammeln. Fünfzehn Bauern vorne, Fünferreihen, fünfzehn hinten. Ritter von Bretonia,
    ihr bildet den Cordon um die Ladung. Gilles und Grilles ihr kommt mit mir.“
    Dann stob er an die Spitze der kleinen Kolonne und auf einen Wink hin begann der Trommler sein blechernes Lied.
    Im Takt hallten die dumpfen Schritte durch die modrige Luft.
    Ein Gestank wie toter Fisch verpestete ihre Lungen. Gelbes Moos und Schimmelpilze wucherten an den einst lieblichen Fassaden.
    Feucht und doch ganz eisig kalt kroch die Nacht unter ihre Rüstungen.
    Und immerzu die schauderhaften Klänge des tobenden Balls, der doch nicht toben konnte.


    Achtsam zuckten seine Augen hinter den Sehschlitzen seines Vollhelms.
    Neben Gerald gingen die Zwillinge. Gilles und Grilles waren vielleicht seine bedeutendste Errungenschaft gewesen.
    Sie waren außerordentlich geschickte Kämpfer, zäh und unzertrennbar.
    Ihnen wohnte diese unzähmbare Wildheit derer von Mousillon inne. Die Schilder trugen sie auf dem Rücken,
    um mit zwei Streitkolben auf den Gegner einzudreschen.


    Gerald kannte den Weg auswendig. Wie mit einem Brandeisen hatte er ihn sich in sein Gehirn gepresst.
    Von den Docks aus musste man einer schmalen Gasse bis zum Untermarkt folgen, danach führte die Grande Avenue direkt zum Schlossberg.


    Gerade hatten sie die erste Engstelle passiert, als ein ziemlich aufgewühlter Bauer von hinten aufgerückt kam.
    „M..Herr, “ nuschelte er mit seinem zahnlosen Gebiss, „da sin‘ so Gesichter in d’n Fenster drin‘. Die schaun uns so an.“
    ‚Du erbärmlicher Trottel, ‘ dachte Gerald und wusste nicht, ob er Abscheu oder Mitleid haben sollte.
    „Sind die verfluchten Bewohner von Mousillon. Beobachten uns schon die ganze Zeit. Die werden uns nicht behelligen.“
    „Wollte nua…“
    „Schon gut. Zurück auf deinen Posten.“


    Vielleicht war es doch ein Fehler, den bäurischen Aberglauben zu befeuern und sie jedweder Bildung fernzuhalten.
    Nun musste man also das Fallobst der Gesellschaft, welches man selbst herangezüchtet hatte, so gut es eben ging verwerten.
    Gerald war jedoch auch etwas aufgefallen. Der Gestank hatte sich verändert. Es roch mehr nach Kot und Harn – ein schlechtes Zeichen.
    „Haltet Augen und Ohren offen, “ zischte er den Zwillingen zu.
    Und in ihm erwachte etwas. Groß und viehisch regte sich sein zweites Selbst. Seine Sinne schärften sich.
    Lange konnte es nicht mehr dauern und er würde seine erste Schlacht in den greisen Mauern Mousillons schlagen.

  • Schon eine ganze Weile überlagerte unheimliches Stöhnen die musischen Klänge.
    Die Luft schmeckte salzig und verwest. Der Weg war leicht ansteigend. Gepflastert.
    Klackend hallten die Stiefel in den schmalen Gassen. Die Knechte hatten alle Mühe mit den Wägelchen.
    Tröge glänzten die alten Steine. Unrat wohin man auch sah. Geralds Finger klammerten sich um sein Schwert.
    Er spürte die feindliche Präsenz. Sie bogen um eine Kurve und da waren sie.
    Hunderte ausdruckslose Gesichter. Herabhängende Glieder. Leere Augenhöhlen.
    „Da wandelnden Toten, “ keuchte ein Bauer schreckerfüllt.


    Gerald zögerte keinen Augenblick. Geschwindigkeit war Trumpf. „Für die Herrin!“ Und er sprintete los.
    Die Enge kam ihnen zugute. Mit Berserkerwut hackte er sich durch die wankenden Gestalten. Ducken. Stechen.
    Ein Schlag gegen sein Knie. Keule. Schild hoch. Neben ihm mähten Gilles und Grilles unaufhaltsam durch die Menge.
    Kreisende Streitkolben über ihren Köpfen.
    Plötzlich ein Schrei: „Herr, da Wägel’chn.“
    Entsetzt schreckte Gerald auf aus seinem Wahn. Riesige Ratten hatten sich auf die ungeschützten Knechte gestürzt. „Nein!“ brüllte er.


    Kurz jaulte er vor Schmerz. Ein Zombie hatte ihn in den Arm gebissen.
    Grob riss er sich frei, zertrümmerte den Schädel seines Widersachers und drängte sich durch die Masse aus klebrigen Leibern.
    „Die Wägen! Die Fässer!“
    Einige der Ritter hatten es bemerkt und schlugen sich nun ebenfalls zu den Wägen durch.


    Wut ermächtigte sich seiner. Er ergriff die erste Ratte am Kopf und riss ihr den Unterkiefer heraus.
    Sie war fast so groß wie Gerald, doch er packte sie am Schwanz und schwang sie wie eine Axt.
    Er drosch wahllos in die Menge aus haarigen Leibern. Blut spritzte auf seine Rüstung.
    Im Augenwinkel bemerkte er, wie ein Fass zu Boden fiel und barst. „Ah“ er fletschte die Zähne.
    Eine Staubwolke umhüllte das Gemetzel. Blind vor Rage warf er den blutenden Fleischsack von sich,
    sprang die nächste Ratte an, stach ihr die Augen aus, ergötzte sich an ihrem jämmerlichen Quieken. Balsam für seine Seele.
    Sie sollten Büßen. Verrecken. Seine Klinge zuckte, seine Klinge schlug, seine Klinge brach selbst dann noch Schädel,
    als alles Leben aus ihnen gewichen war. Gleich einem Jungen Gott hatte er gemetzelt. Etwas angewidert beäugten ihn seine Ritter.
    „Was ist?“ keuchte er „Was ist? Habt ihr Mitleid? Mitleid mit diesen schwächlichen Biestern?
    Sie töten eure Kinder im Schlaf, sie bringen euch die Pest und ihr habt Mitleid?“
    Außer sich vor Zorn packte er einen Bauern beim Kragen und hob ihn in die Luft.
    „Bin ich grausam?“ Röcheln und Wimmern. „Sag‘s, oder ich brech dir dein Genick!“
    Kreidebleich strampelte der Jüngling, die Augen weit Aufgerissen in seiner unendlichen Angst.
    Doch mehr als ein Gurgeln brachte er nicht hervor.


    Sanft legte sich ein Arm auf Geralds Schulter.
    „Es reicht.“ Kurz verharrte er noch. Gerald atmete schwer. Schließlich ließ er den Jungen fallen.
    Der Japste. Schweißperlen rannen ihm über das sommersprossige Gesicht.
    Gerald drehte sich um. Vor ihm stand Chlodec, den Helm am Gürtel. Seine blonden Locken waren total zerzaust.
    „Danke, “ stammelte Gerald. „Ladet die restlichen Fässer wieder auf. Um die Verwundeten kümmern wir uns, wenn wir wieder kommen.“
    Seine Stimme klang stumpf.


    „Ihr habt gehört was er gesagt hat. Alles was laufen kann kommt mit, der Rest wartet hier. Bernard und Hugo ihr bewacht die Verwundeten.“
    Chlodec genoss einen fabelhaften Ruf unter den Männern und so folgten sie seinen Anweisungen.
    Fast ein Dutzend Bauern und drei Ritter waren gemeuchelt, dazu alle Knechte.
    Trotz klaffenden Wunden und gebrochenen Gliedern bestanden sämtliche Verwundeten darauf weiterzukämpfen.


    „Das war dumm von dir.“
    „Ich weiß, “ brummte Gerald. „ Was ist mit den Spähern?“
    „Haben den Platz erreicht, warten dort.“


    Wieder erklang das rhythmische Trommeln.


    „Die Brunnen leuchten.“
    „Warpstein.“
    „Wir sollten vorsichtiger sein.“
    „Hm.“ Seine Wut war verflogen und Gerald stierte mit glasigen Augen auf den verwüsteten Platz,
    welcher sich vor seinen Augen in dieses Meer aus Schutt und Moder ergoss.
    „Reizend.“
    „Sehr. Warte ab bis wir zu den Marktständen kommen.“


    Schimmelnde, zertretene Äpfel übersäten das Kopfsteinpflaster. Einigen Bauern wurde es übel und sie übergaben sich.
    Grün gelbe, dampfende Flüssigkeiten schlängelten sich durch ihr Steinbett.
    Die Späher erwarteten sie bereits.


    „Gibt es was Neues?“ fragte Chlodec.
    „In den Seitenstraßen wimmelt es nur so vor Ratten. Wir werden den Palast nicht widerstandslos erreichen.“
    Chlodec seufzte vielsagend. „Nun gut, sie wollen es nicht anders.“


    Gerald ordnete seinen Haufen neu. Die Späher flankierten den Cordon, welchem die verbliebenen elf Bauern folgten,
    die nicht gefallen waren, oder die Handkarren ziehen mussten.
    „Ein trauriges Häuflein, “ dachte Gerald.
    Rostende Gaslaternen und überquellende provisorische Jauchegruben zogen an ihnen vorüber.
    Pockenübersäte Fratzen gierten hinter morschen Fensterläden hervor.
    Manchmal verrieten ihre Mienen aber auch schlicht und einfach Resignation. Es gab keine andere Welt für sie.
    Das war ihre Welt, ihre quälende Wirklichkeit und niemand konnte ihr entkommen.
    Der Ring aus Türmen und Burgen – genannt Cordon Sanitaire – hatte sich als wetterfester Damm erwiesen. Unüberwindbar.


    Nur noch ein, zwei Straßenbiegungen und sie würden die Mauern des Palastes bewundern können.
    Doch plötzlich geschah es …


    Mit höllischem Krachen stießen grüne Blitze auf sie nieder.
    Zwei Bauern an den Karren sackten in sich zusammen – der Herrin sei Dank verkeilte die Tonne und fiel somit nicht zu Boden.
    „Haltet stand, wir sind umzingelt!“
    Von allen Seiten fielen Ratten über sie her. Gerald zerhackte einer Klanratte die geifernde Fresse.
    Fieberhaft suchte er nach den Heckenschützen.
    Wenn er sie nicht ausmachen konnte, würden die Jezzails seine Männer zu Brei schießen.
    Gerade noch rechtzeitig sah er die grünliche Klinge aufblitzen. Ein übermenschlicher Reflex.
    Sein Schwertes kreischte, als er den Stoß des Assassinen blockte. Kurz starrten sie sich in die Augen.
    Dann folgte ein Gewitter aus Schlägen, Finten und Riposten. Ducken, Seitenschritt. Sein Kampfgeist war erwacht.
    Das Wesen in ihm regierte sein Handeln. Blitzschnell duckte er sich unter dem Schwertarm seines Gegners hindurch,
    hieb nach seinem Rücken. Block. Schildeinsatz. Kurz taumelte der Assassine. Doch Gerald nutzte diesen kleinen Fehler gnadenlos aus.
    Er roch die Angst seines Feindes. Seine Sinne tauchten ein in den pelzigen Körper, drangen durch seine Poren,
    fraßen sich in das kleine Rattenherz. Mit eisernem Griff packte er den verlausten Attentäter am Arm, schleuderte ihn zu Boden,
    dass seine Rippen brachen. Und in seinem Rausch labte er sich an dem flehenden Quieken, den vor Entsetzen starrenden Augen,
    bevor sein kaltes Herz seine Hand an die Gurgel seines Gegenübers führte. Ein letztes Röcheln, dann erschlaffte das Knäuel aus Fell und Stoff.


    Gerald blickte in die Runde. Viele waren gefallen, doch Gilles und Grilles hielten den Haufen zusammen.
    Der salzige Geschmack von Blut lag in der Luft. „Die Jezzails. Da seid ihr ja, ihr madigen Brüder.“
    Aus den zersplitterten Glasscheiben eines Erkers des Eckhauses gegenüber ragten ihre langen Gewehrläufe.
    Gerald pflügte durch die wabernde Masse. Flink wie ein Wiesel erklomm er einen alten Sturzkarren,
    sprang über die Köpfe einiger Sturmratten hinweg, geradewegs ins Halbdunkel des Hausflurs.
    Hinter ihm tobte die Schlacht. Der derbe Lärm wummerte in seinen Ohren. Leichtfüßig erklomm er eine schmale,
    steinerne Wendeltreppe. Vor ihm lag ein dunkler Korridor. Löchrige Läufer dämpften den Schall seiner Schritte,
    welcher zweifellos auch so im Getöse untergegangen wäre.
    Eine Welle heißen Warpsteindampfes umgarnte ihn. Gewaltsam trat er eine Tür ein.
    Ratten. Noch bevor die Schützen ihre Waffen ziehen konnten, badeten sie in ihrem Blut.
    Fahles Licht fiel durch die staubigen Scheiben. Gerald blickte hinaus.
    Die Skavenflut ebbte ab. Etwa ein Dutzend Ritter schlug die letzten Biester in die Flucht.
    „Für Mousillon!“ schrie Gerald.
    „Für Mousillon, “ hallte es aus Aller Kehlen zu ihm herauf. Voll Stolz schwoll seine Brust.
    Er hatte es geschafft. Er ganz allein.


    Keine fünf Minuten später fuhr er mit seinen blutverschmierten Handschuhen über die massiven Steinquader,
    mit welchen man den Palasteingang versiegelt hatte.
    „Stellt die Fässer auf.“
    Nun sollte sich beweisen, ob der imperiale Firlefanz sein Geld wert gewesen war.
    Aufregung ergriff Gerald und trug ihn auf güldenen Schwingen hinfort. Erst langsam begriff er sein Glück.
    Dies waren die Mauern nach deren Eingeweiden er so lange getrachtet hatte. All sein Streben galt diesem einen Moment.
    Die wenigen Bauern welche wider Erwarten noch am Leben waren,
    postierten die Schwarzpulverfässer und legten eine Spur bis hinter eine hüfthohe, steinerne Gartenmauer,
    welche in ausreichendem Abstand zum großen Tor lag.
    Fast apathisch ließ er das Zündholz fallen. Mit rasendem Tempo fraß sich die knisternde Flamme vorwärts.
    Gerald kauerte sich zu den Anderen hinter die Mauer. Ohrenbetäubender Krach zerriss die Stille.
    Eine Reihe von massiven Explosionen, dann kehrte wieder Stille ein.
    Tinnitusartiges Pfeifen marterte Geralds Ohr. Der aufgewirbelte Staub raubte die Sicht und erschwerte das Atmen.
    Mühsam kämpfte sich Gerald vorwärts. Langsam lichteten sich die Nebel.
    Gerald trat über die Schwelle des Palasttores und viel auf die Knie.
    Ein gellender Schmerzensschrei durchtrennte die Nacht. Gerald starrte auf einen versiegelten Innenhof.
    Nicht nur das Äußere – nein, alle Tore und Türen waren verrammelt worden.
    Sein Traum schien geplatzt.

  • Freut mich zu sehen das du wiedemal einen kreativen erguß hast :D
    Die geschichte liest sich echt gut, du hättest autor für Fernsehserien werden sollen... die höhren auch immer auf wenn´s grad spannend wird...
    eine frage hätte ich dann doch : Bretonen sind Schwarzpulverwaffen gegenüber doch sehr negativ eingestellt, trifft das auf ihre schiffe nicht zu
    oder hat das etwas mit der Person von Gerald zu tun ?
    -
    ich freu mich auf jedenfall auf die fortsetzung ! :]

    Ein Elf sie alle zu finden ins dunkel zu treiben und ewig zu binden :)



    9000 Pkt Dunkelelfen
    3000 Pkt Skaven
    2000 Pkt Dark Eldar
    4000 Pkt CSM

  • Bin auch schon gespannt wie's weiter geht. Gefällt mir gut deine Geschichte. Ausserdem mochte ich Mousillon schon immer.


    Mnementh, bei Man O War ist die bretonische Flotte mit Kanonen bewaffnet. Dies widerspricht zwar dem aktuellen (und jedem mir bekannten vorhergehenden) Warhammer Fantasy-Regelbuch ist aber bei Man O War seit ich mich erinnern kann so. Da Cibout beim Schiff von einem Korsaren spricht und auch dessen Eigenschaften ziemlich genau so beschreibt, wie sie in diesem Alternativen Spielsistem vorkommen, gehe ich mal davon aus, dass er seine Informationen von dort "ausgeliehen" hat :D .

    Bretonen: 4'500 Punkte
    Orks: 2'500 Punkte
    Krieger des Chaos: 2'500 Punkte
    ---
    Eldar: 750 Punkte

  • Ja da gibt es tatsächlich einen fluffmäßigen Widerspruch. Die bretonische Flotte verfügt über sehr schnelle und wendige, mit Kanonen bewaffnete Schiffe
    und ist interessanterweise deutlich moderner als die Imperiale, welche mit einer Mischung aus Ruder- und Segelschiff rumkreucht.
    Grzknack hat recht, eine meiner Quellen war tatsächlich Man O War, bzw. Lexicanum.
    Eine weitere interessante Quelle war The Round Table of Bretonnia.


    Die Tage wird dann auch mal ein weiterer Teil folgen ;)


    Gruß

  • Abend. Teil 2 ist nun komplett.
    Der Anfang des neuen Teils ist im Post 2 GRÜN markiert.
    Viel Spaß!


    Edit: @ Mnementh: Man muss davon ausgehen, dass es sich bei Gerald um einen (nahezu) 'Gelehrten' handelt, was Mousillon und
    die dort anzutreffenden Gegner angeht, da er seinen Überfall sehr gut vorbereitet hat.
    Der praktische Grund ist, dass ich schwerfälligen Umschreibungen ausweichen wollte.
    Vielleicht überarbeite ich die ein oder andere Konstruktion, mal schauen. :)

  • Auch der neue Teil liest sich wieder sehr gut ! Allerdings frage ich mich ob tatsächlich jemand die Namen der Skaven waffen kennt, oder weiß das es sich bei den großen schwarzfelligen Ratten um Strumratten handelt. Hier wäre Meiner meinung nach eine umschreibung evtl. besser gewesen

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  • Hm, Text liest sich etwas holbrig. Ich sehe es einmal etwas kritischer, da du ja im Kompendium darum gebeten hast:


    1. Du beendest nach fast jedem Satz, Nebensatz die Zeile und fängst in der nächsten an. Dies zerstört die wahre Struktur der Geschichte. 2. Auch einige Wörter stören mich, da sie den Lesefluss stören. (z.B. Vermaledeite Ratten.)
    3. Deine Geschichte baut nicht spannend genug auf, die wirkt irgendwie leblos während sie auf dem Schiff noch spielt. Auch das anlegen am Ufer und herraus rollen der Fässer ist langweilig geschrieben und war auch der Punkt an dem ich deine Geschichte abbrach zu lesen. (Sie fesselt einen einfach nicht.



    PS. Das oben genannte Wort gibt es zwar, aber wird heutzutage kaum noch benutzt. Selbst wenn einem das Wort bekannt ist, wirkt es durch die Schreibart noch etwas grotesker, irgendwie falsch, unpassend.
    Ich würde dazu raten solche Wörter in warhammertexten wegzulassen. Da gerade hier viele junge Menschen herrum laufen und auch deine Geschichte lesen. Und dieses Wort, das wahrscheinlich von einem Lateinischen Wort abstammt, denn meisten Lesern fremd ist, da sie in der alten Deutschensprache nicht alzu bewandert sind. (Das Wort mag bei euch bekannter sein, aber bei uns im Münsterland wird es viele fragende Gesichter auf sich ziehen.)


    Beteudet das Wort in etwa beschmäen, also in diesem Fall verfluchte, oder nervige Skaven? (Ich weis das dies ein Hochgeborener in diesem Fall spricht, aber auch er sollte als Kapitän nicht unbedingt auf solche Worte nur zurück greifen.




    mfg.
    glorin

  • Zitat

    1. Du beendest nach fast jedem Satz, Nebensatz die Zeile und fängst in der nächsten an. Dies zerstört die wahre Struktur der Geschichte. 2. Auch einige Wörter stören mich, da sie den Lesefluss stören. (z.B. Vermaledeite Ratten.)


    Ja stimmt, die Gliederung ist an manchen stellen alles andere als perfekt. Vielleicht geh ich da nochmal drüber.
    Der Mist ist, dass es in Word immer so schön passt und dann im Board so gar nicht mehr. Dann muss man wieder
    überall drüber .... :D (Faulheit ist mein zweiter Vorname *g*)



    Zitat

    Auch einige Wörter stören mich, da sie den Lesefluss stören. (z.B. Vermaledeite Ratten.)


    Das wiederum kann ich leider gar nicht nachvollziehen, da ich es toll finde, wenn jemand nicht den sprachlichen
    Einheitsbrei ausschüttet, sondern mal etwas 'würzigere' Wörter verwendet. Solange Fremdwörter nicht in übermäßiger
    Zahl vorkommen, stören sie meiner Meinung nach auch den Lesefluss nicht in dramatischer Weise.


    Zitat

    Das oben genannte Wort gibt es zwar, aber wird heutzutage kaum noch benutzt. Selbst wenn einem das Wort bekannt ist, wirkt es durch die Schreibart noch etwas grotesker, irgendwie falsch, unpassend.


    Tut mir leid, aber da es sich hier um eine mittelalterlich anmutende Gesellschaft handelt, finde ich solche Wörter äußerst treffend
    und alles andere als fehl am Platz. :P


    Zitat

    Deine Geschichte baut nicht spannend genug auf, die wirkt irgendwie leblos während sie auf dem Schiff noch spielt. Auch das anlegen am Ufer und herraus rollen der Fässer ist langweilig geschrieben und war auch der Punkt an dem ich deine Geschichte abbrach zu lesen.


    Du hast leider in gewisser Weise recht. Das kommt daher, dass ich die Figur des Protagonisten bewusst offen halten wollte, dazu musste ich aber Gefühle
    und alles andere spannungsgenerierende zurückschrauben. Im nachhinein eine saudumme Idee... ja mei.
    Andererseits muss ich dir auch widersprechen, weil ich es auch seltsam finde, über etwas zu urteilen, das man nicht fertig gelesen hat und
    das auf eine gewisse Länge konzipiert ist.


    Gute Kritik ist immer gern gesehen und dass man nicht bei allem einer Meinung sein kann, ist auch klar.


    P.S.: vermaledeit (Wiki)

  • Hm, danke für den Wikilink sehe ich mir morgen man an... ^^


    Zitat

    Das wiederum kann ich leider gar nicht nachvollziehen, da ich es toll finde, wenn jemand nicht den sprachlichen


    Einheitsbrei ausschüttet, sondern mal etwas 'würzigere' Wörter verwendet. Solange Fremdwörter nicht in übermäßiger


    Zahl vorkommen, stören sie meiner Meinung nach auch den Lesefluss nicht in dramatischer Weise.

    So habe ich auch mal gedacht. Ich will dir nicht unterstellen das du das Wort nicht kennst. Aber es kennen eine Menge Leute nicht und es gibt auch einige Autoren die in Leixon nach Fremdwörter suchen. Da meistens der Satzbau dann auch noch falsch wird, rate ich von so etwas normaler weiße ab. Egal ob der Autor sich nur besser darstellen will, oder es einbaut ohne es davor wirklich zu merken. (Aber egal wenn alle gleich schreiben würden wäre es auch langweilig. Hat rici ja gerade eben erst gesagt... :tongue: (Anderer Threat)




    Zitat

    Tut mir leid, aber da es sich hier um eine mittelalterlich anmutende
    Gesellschaft handelt, finde ich solche Wörter äußerst treffend


    und alles andere als fehl am Platz. :P

    Lol, was soll ich da noch sagen? Denke du weist was ich meinte, oder? Wenn nein wiederhole ich es gerne noch mal. (Scheiße da hast du mich aber echt erwischt, :] )



    Zitat

    Andererseits muss ich dir auch widersprechen, weil ich es auch seltsam
    finde, über etwas zu urteilen, das man nicht fertig gelesen hat und


    das auf eine gewisse Länge konzipiert ist.

    Ja und hier habe ich ein Fehler gemacht. Irren ist menschlich... ^^ (Von wem stammt das noch mal?) Egal. Lese morgen die Geschichte noch einmal ganz durch. 8) (OK? ^^)

  • Wow, eine wirklich tolle Story. Liest sich sehr gut und ist auch zu einem, wie ich finde, recht interessanten Thema.




    Immer weiter so.

    Scarlet Witch Queen,


    In thy name, my steel I raise!


    Scarlet Witch Queen


    Thy name ever do I praise!


    In thy name, my steel I raise!

  • Coole Geschichte ! :]
    Wann kommt der nächste Teil ?????

    Dir ist langweilig ? Du willst Party ?
    Schicke eine SMS mit dem Bestellwort "FEUER" an die:
    112
    und innerhalb von 5 Minuten stehen 20 Männer
    mit lustigen Partyhüten, Sirenen und Partywagen
    mit lustigen blauen Blitzern vor deinem Haus !!!
    Oder schreib eine SMS mit "ARSCHLOCH" an die
    110
    und der grün-weisse-Partybus kommt persönlich vorbei...
    Also denk dran wenn du mal ne Party schmeißen willst!

  • Die Geschichte liest sich mMn echt super. Danke für diesen literarischen Erguß, ich hoffe die Nächsten folgen bald. :)
    Ein kleiner Kritikpunkt meinerseits, oder Hinweis was sich mMn nicht so schön lesen lässt, ist das: "Block. Schildeinsatz"... Einfach diese abgehakten Wortsätze. Kann ja dein Stil sein aber mir persönlich missfällt das ein wenig beim lesen. ;) Ansonsten sehr schön geschrieben.


    Und wie Mnmenth schon meinte, Jezzail oder Klanratte, solltest du vielleicht umschreiben als sie beim Namen zu nennen. Ich meine hier im Forum weiss jeder was gemeint ist :) aber ... voher weiss das denn der gute Gerald wie das Zeug heisst. Stört mich jetzt zwar ni wirklich aber wollte es doch mal erwähnt haben. :xD:

  • kann schon sein, dass ers weiss in 2. Gotrek und Felix-Band steht was von nem Buch, in dem einer sehr viel über die Skaven erfahren hat, also über Soldaten, Klans etc. wenn er viel gelesen hat und irgendwo das buch gefunden hat.

  • So, gibt mal wieder was Neues. Hab eine (größtenteils) neue Einleitung, bzw. ersten Teil, geschrieben.
    Wäre schön, wenn ich etwas Feedback bekomme, welchen ihr besser findet.
    Vielen Dank schonmal...



    „Wo Schatten wuchern, ist auch das Licht nicht fern.“
    „Jules Ferramont, Requiem der Hingabe.“
    Es war weder Keuchen noch Sprechen und sonderbarer Weise bewegten sich die Lippen kein Bisschen,
    als die kargen Worte - von heißerer Stimme geformt – über das Deck krochen. Kleine Dunstwölkchen,
    schutzlos dem wütenden Treiben ausgeliefert.


    Ächzend hob und senkte sich das schlanke Achterdeck, über dessen Reling sich drei Gestalten beugten.
    Vom Wetter gegerbte Hände umklammerten das matt schimmernde Metall.
    „Der Herrin sei gedankt, perfektes Wetter.“
    „Auch das muss sich erst noch heraus stellen.“
    In turmhohen Fontänen schäumte die Gischt über Bord, tränkte Röcke und Stiefel, Hüte und Hosen.
    Zwischen Back- und Steuerbord schwappte das Wasser knöcheltief hin und her.
    Klirrend flatterten die Lateinersegel im peitschenden Wind, die Heckflagge blähte sich
    und für einen Augenblick blitzte im fahlen Mondlicht eine umkränzte, silberne Schwertlilie auf.
    Gleich einer Pflugscharte grub sich der hölzerne Bug durch die Wogen, brach Welle um Welle,
    stöhnte laut auf, knarrte und ächzte. Zwei Seemänner lehnten sich ins Steuerruder,
    um das kleine Abenteuer nicht schon am Aperitif ersticken zu lassen.


    Gekonnt balancierte Admiral de Pain eine schwere Keramikpfeife zwischen seinen wulstigen Lippen,
    das aschgraue Gesicht in tiefe Falten gezogen.
    Regen tropfte von der Falz seines durchweichten Dreieckshuts, doch verschlang das klirren der Takelage jedes Geräusch,
    ja sog es geradezu in sich auf wie ein gewaltiges, nimmersattes Gespinst der dunklen Götter.
    Und doch lag der geisterhafte Klang von Musik und Gelächter in der Luft, wehte herüber,
    lullte die wackeren Seeleute in düstere Schleier.
    Immer zu Winteranfang konnte man diesem toten Amoklauf lauschen.
    Es war ein Nachhall der grenzenlosen Dekadenz früherer Herrscher dieses Landes.


    Schwarz und geduckt kauerte das Ufer am Horizont. Flache Hügel, verfallene Docks, morsche Häuser,
    Ruinen, verfaulte Haine. Man könnte die Liste ins Unendliche fortsetzen,
    ohne den wahren Charakter Mousillons jemals in seiner makaberen Pracht erfassen zu können.
    Wieder und wieder hatte Gerald seinen Oktanten hervorgeholt, bis sie endlich aufgetaucht war,
    diese fleckige alte Dirne, welcher all sein Streben galt. Die Stadt war tot. Wie ein vergoldeter Pokal dessen Lack abblätterte,
    schälten sich die einst weißen Gemäuer und offenbarten dem Betrachter ihr verrottetes Fleisch.
    Brüchige Lehmziegel und morsches Holz quollen gleich eitrigen Geschwülsten durch den ergrauten Putz.


    Kein Licht, kaum Schiffe, der Hafen war verwaist. Verlassen schlummerte er in der Scham der einstigen Metropole.
    Krampfhaft zappelte er nurmehr - oder sollte man sagen: noch? – im Würgegriff übel riechender Seepflanzen,
    welche von ihm Besitz ergriffen hatten. Langsam aber sicher kroch er seinem Tod entgegen.


    Gerald, von kräftiger Statur und mittlerer Größe, spähte in die Ferne. Ohne den Kopf zu drehen sagte er:
    „Rütteln Sie mir die Kanoniere aus den Federn. Geschütze besetzen und Gefechtsbereitschaft herstellen.“
    Der junge Offizier zu seiner Rechten deutete eine Verbeugung an und als er sich eben entfernen wollte, fügte Gerald hinzu:
    „Montfarce, schaffen Sie mir auch die Landungsmannschaften an Bord und zwar zügigst.“
    „Jawoll euer Durchlaucht.“
    Im Laufschritt und mit wehenden Rockschößen verschwand Jules de Montfarce unter Deck.
    „Und Sie,“ Gerald wendete sich dem alten Admiral zu, „und Sie sehen zu, dass wir schleunigst die Flussmündung erreichen.“
    Ein Brummen genügte dem Grafen als Zustimmung.


    Der Admiral wankte in Richtung Steuer, knurrte knappe Befehle,
    fuhr sich mit dem Ärmelaufschlag über das Gesicht und zog ein Fernglas unter seinem Mantel hervor.
    „Direkt in die Mündung?“
    „Direkt rein.“
    „Vorher noch ein bisschen feuerwerken?“
    Gerald nickte, schlurfte mit seinen müden Beinen über die Planken „Richtig. Ein kleines Feuerwerk...“


    Langsam erwachte das Schiff aus seinem Tiefschlaf.
    Fußgetrampel, Befehle und das Klirren von Metall schwollen zu einem dichten Geräuschbrei an.
    Erste Stiefel glitten über die nassen Planken, Kanonen wurden gestopft.
    „Bewegt euch, ihr Fettsäcke!“
    Mit eisigen Fingern umklammerte Gerald die raue Brüstung auf dem Wetterdeck.
    Die bretonische Karavelle kämpfte sich weiter gen Ufer. Dröhnend entlud sich die geballte Energie des Meeres an der Brandung.


    Über ihnen quollen grauschwarze Wolken, tünchten alles Leben in Dunkelheit, strichen mit kräftigem Pinselstrich Erde
    und Meer grau in grau. Eine Wolke folgte der nächsten, wand sich in eine andere,
    bis sich der gordische Knoten in einem apokalyptischen Erguss entlud, um Mensch, Tier und Bestie gleichermaßen zu ertränken.


    Plötzlich brach die feste Wolkendecke auf und im klaren Mondlicht waren sie zu erkennen,
    die unzähligen Schatten, die neuen Herren von Mousillon. Man hatte mit den Skaven rechnen müssen
    und Gerald hatte mit ihnen gerechnet. „Vermaledeite Brut,“ schnaubte er verächtlich.


    Auf sein Zeichen drehte der bretonische Segler bei. Zwischen den baufälligen Kais lagen dunkle Zweimaster mit schwarzen,
    zerfetzten Segeln und unheiliger Besatzung. Wie von Geisterhand schleppten knöcherne
    Sklaven die verruchte Ware aus den Bäuchen der Schiffe.
    Bretonische Karavellen waren für schnelle Überfälle, wie Gerald ihn plante, perfekt geeignet.
    Sie waren wendig und verfügten über eine Bewaffnung die es Geralds Mannen ermöglichte,
    das Ungeziefer, welches sich hier eingenistet hatte, in seine Löcher zu bannen.


    Die Karavelle ächzte unheilvoll. Nur noch wenige hundert Meter bis zum Ufer. Geralds Sehnen spannten sich.
    Wie ein Leuchtturm ragte seine gepanzerte Faust in den aufgewühlten Nachthimmel.
    Gerade als die Schatten sich zwischen den eingefallenen Kontoren mehrten, fuhr der Arm nach unten.
    Krachend spuckten die schweren Bronzerohre Tod und Verderben. Sie zuckten zurück,
    Dampf und Dunst umhüllten die Geschütze und rusig-schwefliger Gestank setzte sich in aller Nasen fest.
    Leuchtende Brandgeschosse zerrissen die brüchigen Fassaden der Hafenanlagen.
    Salve um Salve erschütterte die klirrend kalte Wintersnacht. Kreischend hechteten Rattenmenschen in die tosende See
    und schon bald brannte das ganze südliche Hafenviertel lichterloh. Bis an den Zenit war der Widerschein der unzähligen Brandherde zu sehen.
    Ein anmutiges Schauspiel gerechten Zorns. Auch einige der Todessegler sanken ausgebrannt auf den Grund des alles umschließenden Meeres.
    Beißender Gestank von versengtem Haar und verbrannten Knochen wehte vom Ufer her.


    „Der Hauch des Sieges umweht mein Haupt.“ Unwillkürlich musste er lachen. Er, Gerald,
    der erfahrene Haudegen und Sieger mannigfacher Schlachten freute sich über diese kleine Gunst der Herrin
    wie ein rotwangiger Knabe am Straßenrand, dem man einen goldenen Apfel hinwirft.


    „Kurs Ost-Süd-Ost und fertig machen zum Landen!“ brüllte er.
    Mit zielsicherer Leichtigkeit strebte das Schiff durch die qualmenden Rußwolken auf das Ufer zu.
    Nur noch wenige Meter. Ein kurzer Kampf gegen die Strömung der Grismerie, dann rief er:
    „Segel einholen und Enterbrücken runterlassen.“


    Ketten rasselten und dumpf donnerte die Holzplanke auf die alten Steinquader.
    Taue wurden an den rostigen Pollern festgezurrt. Polternd stürmten schwer gepanzerte Ritter über die Brücke an Land.


    „Die Herrin scheint uns gewogen Montfarce.“
    „Die Herrin war Ihnen noch immer gewogen, eure Hoheit.“


    Gerald schloss sein Visier. Heute war ein guter Tag, das spürte er.

  • Es tut mir leid, aber die alte gefällt mir besser.
    Zwar ist auch das wieder sehr gut geschrieben, aber die alte war atmosphärisch düster, geheimnisvolelr und interressanter.
    Hier verstrickst du dich zusehr in Aufzählungen, es wird langatmig.
    Nach der Hälfte habe ich mich dabei ertappt wie ich das ganze nur noch grob überflogen habe, das ist bei der alten Einleitung nicht passiert.


    Gruß