Hallo.
Ich hab eine Weile überlegt, ob ich was schreibe, mache es jetzt aber doch.
Heiner hat ja gefragt, ob es schonmal ein Turnier mit Uhr gab: ja, die ETC dieses Jahr zum ersten mal.
Es gibt schon seit längerer Zeit das Problem, dass einige Spieler ihre Spiele nicht fertig bekommen. Über die Jahre wurde also die Rundenzeit immer weiter nach oben gesetzt. Mittlerweile sind wir bei 4,5 Stunden pro Spiel (für die Pairings hat man nochmal extra Zeit, das ist also wirklich Spielzeit). Dennoch werden oft einige Spieler nicht fertig. Wenn man ehrlich ist, dann sind das meistens die gleichen Spieler. Die Erhöhung der Spielzeit sorgte hier eher dafür, dass sich noch mehr Zeit gelassen wird, das noch mehr gemessen wird, das noch mehr "simuliert" wird - die langsam Spieler also einfach noch langsamer wurden.
Es hat sich also in die diesjährigen Regeln eine Schachuhr eingeschlichen. Auf diese konnte man bestehen, beide Spieler haben dann die Hälfte der Zeit (minus 10 Minuten für allgemeine Organisation usw.) bekommen. Sollte die Uhr für einen der Spieler auslaufen, durfte er keine freiwilligen Aktionen mehr durchführen und der andere Spieler konnte seine Zeit einfach fertig runterspielen.
Die Idee klingt ganz nett und fair, endete aber in einer absoluten Katastrophe. Die meisten Spieler hatten schlichtweg keinen Bock auf eine Schachuhr und haben sich nicht ausführlich damit beschäftigt.
Ein einzelner Spieler hat in jedem seiner Spiele auf eine Schachuhr bestanden. Das endete immer (!) nicht in fertig gespielten Spielen. Meistens war es so, dass in Runde 3 oder 4 die Zeit seines Gegners um war (oft durch Vergessen auf die Uhr zu drücken oder längere Regeldiskussionen, die auf die Zeit des Gegner liefen).
Nachdem die Zeit des Gegners dann rum war, wurde der Spieler richtig schnell, spielte seine verbliebenen Züge in Rekordzeit runter und da der Gegner ja auch nichts machen konnte, kam es zu völlig unrealistischen Spielsituationen (neben den Gegner reiten, der Gegner darf nichts machen, nächste Runde in die Flanke angreifen). Übrigens ist die Zeit von dem, der anfängt, immer früher um als die Zeit von dem, der den zweiten Zug hat - hier auch ein ziemlich großes Problem.
In keinem Spiel sorgte die Schachuhr dafür, dass beide Spieler auf die Zeit achten und fertig werden.
In keinem Spiel war die Atmosphäre trotz Schachuhr entspannt.
In jedem einzelnen Spiel war die Schachuhr ein unfairer Vorteil für denjenigen, der mehr darauf geachtet hat.
Auf dem Captainsmeeting wurde dann am Samstagabend die Schachuhr für den Sonntag abgeschafft, außer wenn beide Spieler sie gerne benutzen möchten.
a)
Nicht zuende gespielte Spiele können ein Problem sein.
Das Problem einfach auf den Schiri zu schieben geht immer schief. Das liegt oft daran, dass den Spielern etwa 10 Minuten vor Schluss auffällt, dass sie in Runde 3 sind und nicht fertig werden. Dann ist es für den Schiri schlichtweg unmöglich, etwas zu tun. Man kann höchstens noch dafür sorgen, dass die Spieler die gleiche Rundenanzahl haben, aber eine "faire" Lösung kann man in dieser Zeit nie treffen.
Besonders frustrierend ist das, wenn einer der Spieler deutlich langsamer ist als der andere Spieler. Das kann man dann 10 Minuten vor Schluss gegenüber dem Schiri aber meistens auch nicht wirklich belegen, außer durch subjektive Wahrnehmung. Daher kommt wahrscheinlich oft der Wunsch nach einem Mechanismus, mit dem man das belegen kann.
b)
Eine Schachuhr braucht Übung. Eine Schachuhr bringt eine neue, unangenehme Ebene ins Spiel. Wenn man ein Spiel durch die Schachuhr gewinnen kann, werden das einige Spieler auch machen. Das liegt natürlich nicht nur an der Uhr, sondern vor allem daran, was passiert, wenn die Uhr abläuft.
Wenn zwei Spieler gegenseitig versuchen, sich "auszutimen", dann gehen die Spiele auch nicht schneller vorbei, sondern dauern oft die maximal mögliche Zeit.
c)
Das, was die Schachuhr auf der ETC im Endeffekt getan hat, ist nicht das, was ihr wollt, dass die Schachuhr tut. Ihr wollt eigentlich eine Möglichkeit, wie man am Ende weiß, wer wie lange gebraucht hat. Ihr geht dabei eigentlich auch davon aus, dass beide Spieler ihr Spiel in der Zeit zuende spielen wollen. Ihr wollt nicht unbedingt, dass jemand einfach gewinnt, weil der andere keine Zeit mehr hat. Ihr wollt auch nicht eine neue Spielebene einführen, besonders nicht für ein Turnier, das zum Großteil aus Gelegenheitsspielern besteht.
Lösung:
Es gibt keine Patentlösung. Haben wir nicht mal auf der ETC geschafft.
Folgende Idee: die Spieler schreiben Beginn und Ende ihrer Runde auf. Zur Not auch ungefähr.
Ja, ich weiß - manche Armeen haben mehr Einheiten. Egal.
Ja, ich weiß - man muss während des gegnerischen Zuges Sachen machen. Egal.
Wenn am Ende des Spiels beide Spieler damit einverstanden sind, dass sie nur bis Runde 4 gekommen sind, gut.
Wenn bei dem Vergleich der Rundenzeiten auffällt, dass ein Spieler etwa 30 Minuten mehr gebraucht hat, kann man ruhig mal zum Judge gehen. Der hat dann eine Entscheidungsgrundlage und kann ein bisschen was machen. Und das wird im Normalfall nicht einfach sein, dass einer der Spieler plötzlich 20:0 gewinnt. Hat er nämlich meistens auch einfach nicht verdient.
Cheers