Der Prälat Petbert schaute grimmig drein. Dass er obendrein mit seiner rechten Hand auch noch seinen großen schwarzen Schnäuzer zwirbelte, unterstrich die mäßige Laune des Prälaten nur noch und ließ sie auch jeden Außenstehenden schnell erahnen. Sie waren überrascht worden. Naja, zumindest lief es nicht nach Plan ab. Überall dieses Gewusel. Diese verdammten Kundschafter hatten wohl mal wieder ihre Arbeit nicht richtig gemacht. Weit über die Felder hinaus, östlich der alten Ruine, die in glücklicheren Tagen wohl mal eine große Mühle oder ähnliches gewesen war, konnte er den Feind ausmachen. Ab und zu, je nachdem wie stark der Wind blies, konnte man Trommelgeräusche vernehmen, die sich mit den Geräuschen der abscheulichen Kreaturen vermischte, den diese kleinen Mistviecher mit sich gebracht hatten.
Petbert drehte sich wieder seinen eigenen Reihen zu und was er weiterhin sah, gefiel ihm überhaupt nicht. Unordnung. Überall, Unordnung. Die Soldaten wuselten wie kleine Ameisen durcheinander, ohne auch nur annähernd eine Schlachtlinie geschweige denn sauber voneinander getrennte Regimenter zu bilden. „Naja, so ganz unerwartet ist das wohl nicht.“, dachte er sich, als ihm einmal mehr bewusst wurde, dass er die meiste Zeit nicht in die Gesichter kampferprobter Veteranen sah, sondern in die weichen Augen erwachsener Kinder, die einen Winter und Kampf zu wenig gesehen hatten. „Nehmt Haltung an! Jeder in seine Reihe! Oder muss ich euch den Hinter versohlen, da es eure Eltern wohl nicht häufig genug getan haben!“, schnauzte er sein eigenes Regiment, das mit Hellebarden ausgestattet war, an. Langsam kam etwas Ordnung in das Gewusel und er konnte zumindest erahnen, wo der Trupp anfing und wo er aufhörte. Aber das reichte ihm nicht. Ordnung sah anders aus.
Er begann die Reihe hinunter zu schreiten, um auch die Aufstellung der angrenzenden Regimenter zu inspizieren. „Doch! Ich habe einen Riesen gesehen, ganz bestimmt.“, hörte er zu seiner Rechten, einen Soldaten mit grauen Augen und schwarzen Haaren sagen. „Was habt ihr da gesagt, Soldat?“, blaffte er den Soldaten an. Dieser schien bis zu diesem Moment lebhaft damit beschäftigt gewesen zu sein, seine Kameraden von seiner Entdeckung berichten zu wollen, und hatte gerade mit seiner Erläuterung fortfahren wollen, als er sich mitten im Satz verschluckte, da ihm gewahr wurde, dass ihn der Prälat angesprochen hatte. „Mhm … äh, Sir.“, stammelte der Bursche. „Haben sie auch noch fliegende feuerspeiende Drachen und schöne dreiäugige Frauen mit großen Brüsten auf Kamelen gesehen?“ Das Gestammel des Soldaten starb endgültig ab und sein Blick wanderte zu Boden. Petbert wollte gerade einsetzen, ihm eine Standpauke über Moral und Kampfgeist sowie dummer Fantastereien zu halten, da unterbrach ihn Harlen: „Lassen Sie den Jungen doch. Vielleicht hat er gar nicht mal so viel Unrecht mit dem, was da auf uns zukommt. Es wäre nicht das erste Mal, dass die kleinen Grünhäute von größeren Viechern begleitet werden.“ Harlen war der alte Sergeant des Regimentes und hatte im Gegensatz zu den meisten Mitstreitern, die er führen musste, reichlich Erfahrung im Krieg gesammelt. Harlen war groß, knochig und vom sanftmütigen Geist eines alten Greises – obgleich er nicht viel mehr als 30 Winter gesehen haben dürfte – umgeben, der sich jedoch im Kampf urplötzlich in das Fauchen eines jungen Löwen verwandeln konnte. Petbert war nach der ersten Schlacht zu dem Schluss gekommen, dass er den Mann mochte, was ihn ein wenig verwunderte, da er eigentlich niemand so recht mochte. „Ihr mögt zwar Recht haben, aber wenn das rum geht, dann nässen sich die kleinen Hosenscheißer schon ein, bevor die Schlacht losgeht.“, sagte er und zwang sich zu einem kurzen Lächeln, dass jedoch bei Petbert immer mehr wie eine gezwungene Grimasse aussah als das Zeichen von Freude oder Anerkennung. Schnell verschwand diese Gefühlregung von seinem Gesicht wieder, als er sich dem törichten Soldaten zuwandte: „Also Schnauze halten, ordentlich in die Reihe stellen und die Waffe gut festhalten, Soldat, damit sie es dem Abschaum später ordentlich besorgen können.“ „Jawohl, Sir. Sofort, Sir.“ Petbert wusste, dass es letztendlich kein größeres Gift für einen Soldaten gab als eine schlechte Moral. In jeder Schlacht, in der er gekämpft hatte, hatte diese Erkenntnis sich immer wieder als richtig behauptet.
Im nächsten Moment sah er wie der Befehlshaber auf seinem Pferd seine Reihe ansteuerte. Nochmals schrie er seine Truppen an, die geordnete Haltung anzunehmen. Petberts Miene verfinsterte sich. Er konnte den ach so großen Friedrich von Wienersbach nicht leiden. Für ihn war er ein Nichts, das Glück hatte durch die ruhmvollen Strahlen seines Bruders beschienen zu werden. Und selbst Otto von Wienersbach war kein besonders brillanter Befehlshaber gewesen. Tollkühn und ruhmvoll, ehrgeizig, das schon. Aber seiner Meinung nach zeugte es noch nicht mal von mäßigen strategischen Fähigkeiten, in einen größtenteils unerkundeten und von Goblins verseuchten Wald zu marschieren, dort in einen Hinterhalt zu geraten und sein Leben zu verlieren, inklusive dem Leben einer halben Armee. Der Umstand diese Tragödie, wie es die Dichter nennen, überlebt zu haben, machte Petberts Meinung nach, noch niemanden zu einem geeigneten Befehlshaber. Es würde wieder an ihm und den restlichen Offizieren liegen die Scheiße von der Straße zu kehren.
„Prälat.“, sagte der junge Anführer von seinem hohen Ross herunter zu Petbert. „Ich glaube, die Leute könnten eine euer Ansprachen gebrauchen.“ „Da habt ihr wohl Recht.“ Petbert ging ein paar voraus, während er den kleinen so unbedeutend scheinenden Anhänger, der um seine Brust hing, ergriff. Egal, wo er war, ER war immer bei ihm. Ein warmes Gefühl schwappte in seine Fingern über und dann weiter in seine ganze Hand. Er drehte sich um und schaute das gesamte Heer an. Die Grashalme wiegten sich im Wind. Die Wärme war nun in seinem ganzen Körper. Mit seinem Willen lenkte er die Wärme auf sein Sprachzentrum. Dann erhob er seine magisch-verstärkte Stimme, sodass jeder ihn hören konnte: „Einst war es dunkel ….