Vor ein paar Wochen war ich auf der Suche nach einem kooperativen Tabletop Spiel, um es mit meinem elfjährigen Sohn spielen zu können. Er hatte in letzter Zeit etwas das Interesse verloren mit mir kompetitive Tabletops zu spielen (vielleicht hätte ich ihn mal gewinnen lassen sollen).
Dadurch bin ich auf Sellswords & Spellslingers von Ganesha Games aufmerksam geworden. Das Spiel kann man als digitalen Download für knapp 8 $ erwerben.
Das besondere an Sellswords & Spellslingers ist wie gesagt, dass es ein offenes System im Fantasy Setting und kooperativ oder sogar alleine spielbar ist. Die Spieler treten gemeinsam gegen das Spiel an und versuchen dabei ein vorgegebenes Szenario zu bestehen. Es weist Ähnlichkeiten mit einem Dungeoncrawler wie z.B. Warhammer Quest auf, wird aber frei auf einem 36“ x 36“ Tabletop-Schlachtfeld gespielt.
Da es sich um ein generisches und offenes System handelt, kann man im Prinzip jede beliebige Fantasy Miniatur dafür nutzen. Man wählt sich also seine Miniaturen, mit denen man seine Helden darstellen möchte, frei aus und sollte das auch ganz bewusst tun, denn es gilt WYSIWYG. Das bedeutet, dass der Held später zunächst einmal alle Ausrüstung besitzt, die auch an der Miniatur dargestellt ist und mit den entsprechenden Waffen auch umgehen kann.
Charaktererschaffung
Jeder Spieler erschafft sich zunächst einmal eine Warband, die aus 2-5 Helden bestehen kann. Dazu stehen dem Spieler bei einer neu erschaffenen Warband 60 Erfahrungspunkte zur Verfügung. Für die Punkte stattet man seine Helden mit Fähigkeiten aus, die je nach Mächtigkeit unterschiedlich viele Punkte kosten. Jeder Held darf auch eine Negativfähigkeit besitzen, für die man keine Punkte bezahlen muss, sondern ausgegebene Punkte wieder gutgeschrieben bekommt. Für jeden Held müssen mindestens 5 Punkte und dürfen maximal 40 Punkte ausgegeben werden. Man könnte also z.B. einen Held mit 40 Punkten und vier Helden mit je 5 Punkten erschaffen, um das Punktebudget aufzubrauchen oder nur zwei Helden mit je 30 Punkten. Jede beliebige Kombination ist erlaubt, solange man 2-5 Helden erschafft und für die Helden jeweils 5-40 Punkte ausgibt.
Hier ein Beispiel, wie man einen klassischen Feuerballschleudernden Zauberer erschaffen könnte:
Wizard (33 XP): Weak (-8 XP), Spellcaster (20 XP), Magic Mastery 1 (10 XP), Fireball (5 XP), Free Disengage (6 XP)
Die Negativfähigkeit Weak gibt dem Held -4 auf Stärke, was aber für einen Zauberer kaum eine Rolle spielt, da man sich auf andere Fähigkeiten als Stärke verlässt, wodurch aber 8 Punkte wieder gutgeschrieben werden. Am teuersten ist die Fähigkeit überhaupt Zaubersprüche wirken zu können (Spellcaster), was sich mit 20 Punkten niederschlägt. Magic Mastery gibt dann einen Bonus auf Zauberwürfe, so dass sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Zauber auch gelingt. Ein neu erschaffener Held darf nur einen Zauber kennen, was in diesem Fall Fireball ist, ein mächtiger Angriffszauber, der mehrere Gegner gleichzeitig ausschalten kann. Zuletzt sorgt die Fähigkeit Free Disengage dafür, dass der Held sich problemlos aus jedem Nahkampf lösen kann, ohne dass er Gelegenheitangriffe seiner Gegner befürchten muss. Wie man ja weiß, Zauberer und Nahkampf, das geht meistens schief.
Es gibt natürlich äquivalente Fähigkeiten, die man für andere Helden kaufen kann, um z.B. einen Nahkämpfer, Fernkämpfer, Heiler oder Schurken zu erschaffen. Man könnte sich auch überlegen, was z.B. einen Mensch von einem Zwerg oder Elf unterscheidet und dafür bestimmte Fähigkeiten verwenden, um das darzustellen. Ein Zwerg könnte z.B. besonders langsam sein, während ein Elf besonders schnell ist, dafür aber weniger Konstitution besitzt.
Spielmechaniken
Wenn jeder Spieler eine Warband erschaffen hat, steht dem ersten Spiel nichts mehr im Wege. Man baut das Spielfeld entsprechend der Beschreibung im gewählten Szenario auf und würfelt dann aus, wo die Monster platziert werden. In der Regel werden dazu zweimal 2W6 gewürfelt, wobei die Ergebnisse jeweils multipliziert werden. Der erste Wurf ist z.B. 4 und 5 (multipliziert zu 20), der zweite Wurf ergibt eine 2 und 6 (multipliziert also 12). Das oder die Monster würden dann z.B. 20 Zoll nach rechts und 12 Zoll nach oben von einer vorher bestimmten Spielfeldecke platziert.
Die Spieler sind dann abwechselnd an der Reihe, d.h. ein Spieler aktiviert alle seine Helden, bevor der andere Spieler an die Reihe kommt. Für eine Aktivierung würfelt man wahlweise mit einem, zwei oder drei W20 Würfeln. Für jedes Ergebnis von 8+ steht dem aktivierten Held eine Aktion zu. Ein Ergebnis von unter 8 bedeutet nicht nur, dass der Held keine Aktion generiert hat, sondern es wird eine Karte von einem Ereigniskartenstapel gezogen. Eine gewürfelte 20 entspricht wahlweise entweder zwei Aktionen oder man kann dadurch einen misslungenen Aktivierungswurf negieren. Ein wichtiger Grundsatz in dem Spiel ist, dass es keine Gegner- oder Monsterphase oder ähnliches gibt, wie in den meisten vergleichbaren Spielen. Es sind stattdessen immer nur die Spieler bzw. deren Helden am Zug. Die Monster agieren potenziell immer genau dann, wenn eine Ereigniskarte gezogen wurde (je nachdem was die Karte besagt). Jede Aktion, auch die der Gegner wird stets aus Sicht der Helden abgehandelt, die Spielmechanik ist also asymmetrisch.
Beispiele: Egal ob ein Held ein Monster im Nahkampf angreift oder umgekehrt, es wird stets ein Nahkampf gewürfelt. Mit einem W20 Wurf wird entschieden, ob entweder der Held das Monster trifft oder das Monster den Held. Es passiert also immer etwas im Nahkampf. Beim Fernkampf würfeln Helden, ob sie ein Monster treffen oder nicht. Im umgekehrten Fall, wenn ein Monster mit Fernkampfwaffe auf einen Helden schießt, wird nicht gewürfelt, ob das Monster trifft, sondern (da immer alles aus Sicht der Helden ist) würfelt der Held ob er dem Schuss ausweicht oder nicht.
Nach diesem Prinzip wird das Spiel fortgeführt, bis entweder alle Helden von den Monstern besiegt wurden oder sie die Siegesbedingung des Szenarios erreicht haben. Nach einem abgeschlossenen Szenario erhält die Warband eine bestimmte Menge an Erfahrungspunkten, die der Spieler nach eigenem Ermessen auf seine Helden verteilen kann, um damit neue Fähigkeiten kaufen zu können und so die Helden zu verbessern.
Fazit
Ich muss sagen, dass uns das Spiel großen Spaß macht und man bei dem Preis auch absolut nichts falsch machen kann. Wenn man über einen gewissen Grundstock an Fantasy-Miniaturen verfügt, um die Monster darstellen zu können und am besten noch etwas Gelände, dann steht dem Spielspaß nichts mehr im Wege. Da die Spielregeln nicht sehr kompliziert sind, ist die Einstiegshürde ziemlich gering und das Spiel aus meiner Sicht auch für Leute geeignet, die mit Tabletop sonst nichts am Hut haben, aber z.B. gerne mal ein Brettspiel spielen.
Ich spiele das Spiel derzeit mit meinem elfjährigen Sohn und meiner Frau, die sonst eigentlich überhaupt nicht für Tabletop zu begeistern ist! Ich bin froh mit Sellswords und Spellslingers ein familientaugliches Tabletop gefunden zu haben, bei dem man gemütlich eine Runde spielen und gemeinsame Erfolgserlebnisse feiern kann.
Hier habe ich übrigens eine Partie mit dem Tobi von Bier und Brezel Tabletop gespielt: