Liebe Gemeinde,
die Bartkriege sind noch in vollem Gange (siehe Caledor-Armeeprojekt) und schon braut sich ein neuer Sturm am Horizont zusammen. Yvresse ist das größte und bevölkerungsreichste Königreich Ulthuans, doch es sieht sich einer Gefahr gegenüber, welche die Elfen an den Rande ihres Untergangs bringt. Grom der Fettsack hat es geschafft, die Nebel von Yvresse zu überwinden und ist an der Küste Ulthuans gelandet.
Ausgegraben aus den Archiven eines alten Citadel Journals aus dem Jahre 1999 aktualisiere ich die darin beschriebene Kampagne mit passenden Szenarios für ToW. Geplant ist:
- Umfangreiche erzählerische Geschichten aus Sicht von Niblit (dem Standartenträger, der auf Groms Streitwagen mit fährt)
- 4 Szenarios, die in der finalen Schlacht um Tor Yvresse enden.
- Berüchtigte Armee: Yvresse
- Berüchtigte Armee: Goblinhorden
- Besondere Charaktermodelle für Elfen und Goblins
- Die Kampagne soll, ebenso wie die Bartkrieg-Kampagne, einen starken Fokus auf Kerneinheiten und einfache Charaktermodelle legen und somit auch gut für Einsteiger spielbar sein.
Wer sich schonmal in Stimmung bringen will, der findet hier das Intro:
NIBLIT
Die Schreie hallten durch die finsteren Gänge von Athel Tamarha, einer Festung, die einst ein stolzes Bollwerk der Elfen gewesen war. Jetzt waren ihre Mauern von Moos überwuchert, die steinernen Hallen kalt und feucht, und die Dunkelheit kroch wie eine lebendige Kreatur durch die verlassenen Gänge. Der Geruch von Blut und Verzweiflung hing in der Luft, schwer wie der Nebel, der in den Tiefen dieser uralten Ruine nie wich.
In einer der Zellen, beleuchtet von der schwachen Flamme einer Öllampe, lag der Goblin auf einer schiefen Folterbank. Seine abgemagerte Gestalt zuckte bei jedem Atemzug, und sein häßliches Gesicht war mit Schweiß, Blut und Dreck bedeckt. Seine gelblichen Zähne blitzten auf, als er ein irrsinniges Kichern ausstieß, das in der bedrückenden Stille wie ein Dolchstich wirkte.
„Du wirst uns sagen, was wir wissen wollen, Kreatur,“ erklang die Stimme einer Elfin, deren goldener Haarschopf in der Dunkelheit zu glimmen schien. Sie beugte sich über den Goblin, ihre Stimme leise, doch voller unheilvoller Drohung. „Der Name, den du verheimlichst. Sag ihn. Wo ist er?“
Der Goblin brach in ein weiteres Kichern aus, spuckte Blut auf den Boden und stammelte etwas in seiner krächzenden, ungehobelten Sprache. Die Laute waren kaum mehr als ein irrwitziges Gemisch aus Zischen und Gekicher, durchzogen von Worten, die kaum ein Elf verstand. „Stadthalter Eltharion wird eure widerwärtige Rasse jagen und jeden Einzelnen von euch für eure Taten zur Rechenschaft ziehen!“, auchte die Elfin.
„Er spricht von … Schatten und Feuer, Lady Altheria“ sagte Selindor, der älteste unter den Elfen mit zusammengekniffenen Augen. Seine Stimme war ruhig, doch seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Ich kann nicht alles entziffern, aber er… er weiß etwas. Etwas Wichtigeres, als er uns glauben machen will.“
Ein weiterer Elf, Draeven, sein Gesicht von einer langen Narbe entstellt, griff nach einem schweren Werkzeug von einem Tisch in der Ecke. „Vielleicht kann ich seine Zunge etwas lockern,“ murmelte er, während er ein Folterinstrument prüfte, das einem Greifhaken glich. Doch bevor er näher treten konnte, hob Selindor die Hand und stellte sich ihm in den Weg. Seine Stimme war hart, aber eindringlich: „Genug! Der Krieg hat uns schon zu viel genommen. Wenn wir zu weit gehen, machen wir uns nicht besser als die Druchii. So widerwärtig diese Kreatur auch ist, wir dürfen unsere Seelen nicht dem Kriegsgott übermachen.“
„Ich werde nicht zusehen, wie dieses Ding uns verhöhnt,“ zischte Draeven und schlug dem Goblin mit solcher Wucht ins Gesicht, dass dieser von der Folterbank fiel. Der Goblin landete keuchend in einer Ecke, seine dürren Gliedmaßen ungelenk verkrümmt. Doch bevor der Elf nachsetzen konnte, hielten ihn zwei seiner Gefährten zurück.
„Beruhige dich, Draeven!“ sagte Selindor, seine Stimme angespannt, während er den Tobenden zurückzog. „Das bringt uns nicht weiter.“
Der Goblin stammelte wirres Zeug, sein krächzendes Lachen klang nun eher wie ein verzweifeltes Wimmern. Er schien sich an seinen eigenen Wahnsinn zu klammern wie an einen schützenden Mantel.
Altheria trat hervor, ihre Bewegungen so sanft wie der Schein der Lampe. Sie hob eine Hand, und eine subtile Magie erfüllte den Raum, wie ein flüchtiger Duft, der die Sinne schärfte. Ihre Augen blickten tief in die des Goblins, als wollte sie die Geheimnisse seiner Seele hervorzerren. „Das genügt,“ sagte sie leise, doch ihre Worte trugen eine Autorität, die die anderen verstummen ließ. Sie flüsterte eine arcane Formel, und die Luft um sie herum begann zu flimmern. Altheria sah den Goblin sanft an und blickte ihm tief in die Augen. Die sich eben noch windende Kreatur wurde plötzlich ruhig und sah der Elfen ebenfalls verträumt in die Augen. Als Altheria ihm sanft über die Wange streichelte, begann er zu zucken, sein Atem beschleunigte sich, und plötzlich begann er zu sprechen, seine Stimme von der Magie getrieben.
„Grom… der Fettsack,“ keuchte er, seine Augen weit vor Angst und Bewunderung. „Ihr sucht Grom! Der Größte von allen! Der Waaaghboss! Ich… ich war sein Standartenträger! Niblit nennen sie mich! Ja, Niblit! Ich habe die Banner gehalten, als er die Welt in Flammen setzte! Der größte Waaagh!, größer als alles, was ihr euch vorstellen könnt!“
Seine Worte überschlugen sich, sein Ton wurde fast ehrfürchtig, während er von seinem Anführer sprach. „Größer als jeder Ork! Mächtiger als die Götter! Grom wird euch alle zerstören! Die Welt… die Welt gehört ihm! Hah!" Sein wahnhaftes Lächeln wurde breiter, doch die Magie zwang ihn weiter zu sprechen.
„Wisst ihr, wie alles begann?“ Ein schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht, seine Stimme triefte vor Spott und Stolz zugleich. „Grom war noch jung, gerade Boss vom Schartenaxt-Stamm, als er das tat, was keiner vor ihm gewagt hatte. Er fraß Trollfleisch. Rohes Trollfleisch! Jeden hätte es getötet, doch nicht Grom! Es wuchs in seinem Bauch, versuchte sich zu regenerieren, während er es verdaut hat. Ein anderer Gobbo wäre explodiert, aber nicht Grom! Nein, er war schon damals anders. Das Fleisch machte ihn größer, stärker… bis er so riesig war, dass er seine eigenen Beine nicht mehr sehen konnte!“ Der Goblin kicherte manisch. „Aber Grom brauchte keine Beine! Er hatte uns, um für ihn zu laufen!"
Die Elfen schwiegen, lauschten gebannt, während Niblit fortfuhr, getrieben von der Zauberei. „Er wurde der Kriegsherr des Stammes. Jahrelang hat er geplündert, die Wolfslande, die Düsterlande, die Berge! Stämme von überall sind gekommen, um ihn zu sehen, da Gro‘ Un! Sein Waaagh! war so groß, dass kein Mensch, kein Zwerg und auch kein Spitzohr wie ihr ihm entkommen konnte. Seinen Namen habt ihr doch bestimmt schon gehört? Grom, der Schrecken von Ulthuan!"
Niblit kreischte hektisch, was in ein aberwitziges Lachen überging und kurzzeitig machte es den Anschein, als könne er sich von der Bezauberung lösen und wieder er selbst werden, aber Altheria zog das Netz, welches sie um den Geist dieser armeeligen Kreatur gesponnen hatte, wieder enger. Seine fiebrigen Augen glühten förmlich, während die nächsten Worte aus ihm hervorbrachen. „Und dann kam der große Waaagh! durch den Schwarzfeuerpass. Grom führte seine Horde direkt in die Reiche der Zwerge. Festungen fielen, Gräber wurden geschändet, und Grungnis Statue…“ Niblit begann zu lachen, ein ersticktes, hämisches Gackern. „Oh, die haben wir umgehauen! Und wir haben sie in Groms Bild gehauen! Einen fetten Gobbo, hah! Die Zwerge sind fast geplatzt vor Wut!"
Die Elfen sahen sich an, die Spannung im Raum war greifbar. „Und weiter?“ fragte Altheria, ihre Stimme messerscharf.
„Bragarik, der Zwergenkönig, kam mit seiner Armee,“ stammelte Niblit. „Die Schlacht am Eisernen Tor… drei Tage Blut und Tod, aber kein Sieger! Grom hat so viele von ihren Besten abgeschlachtet, dass die Zwerge keine Hoffnung mehr hatten. Sie haben sich in ihre Hallen zurückgezogen und… und um Hilfe gefleht! Ha, Zwerge! Um Hilfe betteln! Und was hat Grom gemacht? Neue Stämme, neue Goblins! Alle wollten mitmachen! Waaagh! Grom wurde immer größer, immer stärker… und niemand konnte ihn aufhalten!“
„Und dann… dann haben die Menschen ihn auch nicht gestoppt!" Niblit kicherte erneut, unfähig, die Kontrolle zu behalten. In Altdorf haben sie sich verkrochen, während Grom weiter zog! Die Menschenstädte brannten, und der große Wald… oh, der gehörte uns! Alles grün! Die Wolfreiter aus den Wolfslanden, die Nachtgoblins aus dem Rotaugenberg… sie alle folgten ihm! So viele, dass die Welt grün wurde, wo immer wir hingingen!"
„Und dann?“, drängte Altheria, ihre Augen funkelten im Schein der Lampe, während sie Niblit fixierte. „Erzähl weiter, Grünhaut!“
Der Goblin japste nach Luft, wie ein Fisch auf dem Trockenen, aber die Magie ließ ihm keine Atempause. Sein Mund öffnete sich widerwillig, und die Worte quollen hervor, wie ein Strom von Wahnsinn und Stolz. „Die Menschen... die waren nichts! Nur ein Haufen Feiglinge! Oh, da war einer... Wilhelm, ein Prinz! Er hat sich uns entgegengestellt, aber was konnte er schon tun? Er hat ein paar von uns zerschlagen, aber Grom... er hat sich nicht einmal darum gekümmert! Die Menschen haben sich in ihre Städte zurückgezogen, wie Mäuse in Löchern, während draußen die Goblins über alles hergefallen sind. Es war herrlich, sage ich euch!“
Er schüttelte den Kopf, als könnte er sich selbst nicht glauben, wie großartig es gewesen war. „Und dann hat Grom... haha, ja, das war was... Grom hat eine neue Prophezeiung gehört. Der alte Schwarzzahn, der Schamane, der hat zu ihm gesagt: ‚Das Land reicht nicht, Grom! Gork und Mork wollen mehr! Sie wollen, dass du das Meer nimmst, dass du neue Länder eroberst!‘ Und wisst ihr, was Grom gemacht hat? Er hat nicht gezögert! Sofort hat er befohlen: ‚Baut mir eine Flotte!‘ Oh, die Schiffe...“
Niblits Augen weiteten sich, als würde er die monströsen Konstruktionen vor sich sehen. „Die Gobbos haben alles benutzt! Bäume, Steine, sogar die Türme von den Menschen! Ganze Türme haben sie auf die Schiffe gestellt, versteht ihr? Es war ein schwimmender Wahnsinn! Die Orks haben gemeckert, ‚Warum kämpfen wir nicht, Grom?‘, aber Grom hat sie mit einem Hieb zur Ruhe gebracht! Niemand widerspricht Grom!“
Die Elfen lauschten gespannt, der Raum war still bis auf Niblits heiseres, fiebriges Flüstern. „Dann, nach Monaten des Bauens, sind wir losgesegelt. Die Menschen haben Schiffe geschickt, aber was konnten die schon machen? Haha! Sie haben versucht, uns aufzuhalten, aber Grom hat ihnen gezeigt, wie man kämpft! Wir haben ihre Flotte zerschlagen, ihre prächtigen Schiffe in Brand gesteckt, und dann... dann kam das Meer! Der Sturm hat uns getroffen, und die Hälfte von uns ist untergegangen! Aber das war egal, denn Grom... Grom war unaufhaltsam!“
Meer! Der Sturm hat uns getroffen, und die Hälfte von uns ist untergegangen! Aber das war egal, denn Grom... Grom war unaufhaltsam!“
Niblits Stimme wurde brüchig, sein keuchender Atem klang wie ein hohler Wind in einer leeren Höhle. Die Magie, die ihn dazu zwang, seine Geschichte weiterzuspinnen, ließ nicht nach. Lady Altherias Augen fixierten ihn, ihre goldenen Locken schimmerten im schwachen Licht wie ein Heiligenschein, doch ihre Miene war grimmig und entschlossen.
„Und dann?“ fragte sie mit kühler Bestimmtheit. „Wohin hat er euch geführt, Niblit? Wohin segelte diese Flotte der Zerstörung?“
Niblit zitterte, sein dünner Körper bebte unter dem Einfluss der elfischen Zauberei. „Er sagte... er sagte, dass wir euch finden würden!“ stieß er hervor. „Die Insel, die ihr so sehr liebt! Ulthuan! Grom wollte sie niederbrennen! Die Spitzohren wie ihr... er wollte sie alle vernichten! Euer Land sollte zu unserem werden! Er nannte es... den grünen Horizont!“
Ein ersticktes Lachen brach aus Niblit hervor, als würde er sich an den Wahnsinn seines Anführers klammern, um die Angst vor den Elfen zu verdrängen. Doch dann erstarb sein Lachen abrupt, als er sich an etwas erinnerte, das seinen kleinen, glühenden Augen einen Schatten des Schreckens verlieh.
„Aber... aber die See war gegen uns!“ rief er, seine Worte nun ein Mix aus Furcht und Ehrfurcht. „Die Wellen... sie waren wie riesige Hände, die unsere Schiffe packten und in den Abgrund zogen. Grom... Grom lachte nur. 'Wir brauchen keine Schiffe, wenn Gork und Mork mit uns sind!' hat er gesagt. Und dann... dann kam der Nebel.“ Selindor trat näher, sein Blick bohrte sich in die zusammengekrümmte Gestalt des Goblins. „Der Nebel von Yvresse?“ fragte er mit schneidender Stimme. „Wie habt ihr es geschafft, ihn zu durchqueren? Dieser Nebel schützt unsere Küsten! Keine sterbliche Hand kann ihn durchdringen."
Niblit zitterte unter dem durchdringenden Blick des Elfen. „Hunderte... tausende von Schiffen...“ stammelte er schließlich. „Sie... sie wurden zerstört! Die Wellen haben sie verschluckt, die Strömung hat sie fortgetragen. Manche... manche sind nie wieder gesehen worden. Alles... alles war Chaos! Aber einige...“ Er kicherte, ein zittriges, unsicheres Geräusch, das die Spannung im Raum noch verstärkte. „Einige haben es geschafft! Durch pures Glück! Oder... oder durch Morks Wille!"
Die Elfen wechselten bedeutungsvolle Blicke, während Niblit weitersprach, die Worte aus ihm hervorgepresst wie ein schmerzhaftes Geständnis. „Es waren immer noch mehr Goblins, als ihr zählen könnt! Als der Nebel sich lichtete, waren wir da... an eurer Küste! Grom hat gesagt, das war der Beweis, dass die Gork und Mork auf unserer Seite sind. Waaagh! Grom würde nicht aufgehalten werden! Nicht von Spitzohren und nicht von eurem Nebel!"
Selindor trat einen Schritt zurück und betrachtete Niblit mit unverhohlener Abscheu. Dann wandte er sich an Draevan und Lady Altheria. „Das reicht,“ sagte er mit kalter Stimme. „Den Rest der Geschichte kennen wir nur allzu gut.“
Die Elfen tauschten düstere Blicke aus, die Last der Erinnerung war wie eine unsichtbare Kette um ihre Hälse. Draevan sprach schließlich mit rauer Stimme: „Tor Yvresse... die Wegsteine, die unsere Inseln schützen, wurden fast zerstört. Hunderte Goblins überrannten uns, noch bevor wir begriffen, was geschah. Sie trafen uns unvorbereitet, wie eine Flut aus Wahnsinn und Zerstörung.“ Lady Altheria schloss die Augen, und ein Schatten der Trauer legte sich über ihr edles Gesicht. „Prinz Eltharion hat uns gerettet,“ sagte sie leise, „doch es gab keine Lieder, keine Feier. Nur die kalte Erkenntnis, dass wir überlebt hatten... auf Kosten so vieler Leben.“
Selindor nickte langsam, die Bitterkeit in seinen Augen spiegelte sich in den Gesichtern der anderen wider. „Der Sieg war nur ein Hauch besser als eine Niederlage, aber Yvresse steht noch.
„Aber vielleicht ist unser Schmerz nicht umsonst. Wir sollten ihn fragen, wo sich Grom jetzt befindet. Nach der Schlacht ist er verschwunden. Niemand hat ihn seitdem gesehen.“
Draevan packte Niblit am Arm und zog ihn grob auf die Beine. „Sprich, Goblin!“ forderte er, während seine Stimme vor Wut bebte. „Wo ist euer fetter Waaaghboss jetzt?“
Niblit verzog das Gesicht, zuerst in Angst, dann in widerwilliger Wut. „Ich sag euch gar nix!“ krächzte er und versuchte, sich aus Draevans Griff zu winden. „Ihr könnt mich nicht zwingen! Nicht mal eure Magie kann—“
Ein leises Murmeln von Lady Altheria ließ die Luft im Raum erzittern, und Niblits Proteste wurden von einem erstickten Keuchen unterbrochen. Die goldhaarige Elfe richtete ihren kühlen Blick auf ihn, ihre Augen funkelten mit der Macht der arkanen Künste.
„Sprich,“ sagte sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Niblit keuchte, sein Körper zitterte unter dem Einfluss der Magie. „Er... er ist nicht tot!“ stieß er hervor. „Grom lebt! Er sammelt neue Armeen, irgendwo jenseits des Meeres, wo ihr Spitzohren ihn nicht finden könnt! Und wenn er zurückkommt, wird er euch alle vernichten! Gork und Mork werden euch zermalmen! Die grüne Flut wird Ulthuan verschlingen!“
Sein krächzendes Lachen erfüllte den Raum, doch es klang schwach, fast verzweifelt. Draevan schnaubte und ließ Niblit auf den Boden fallen. „Er träumt,“ sagte er leise. „Grom hat verloren, und selbst wenn er noch lebt, wird er niemals die Stärke haben, die er einst hatte.“
„Vielleicht,“ erwiderte Lady Altheria nachdenklich. „Aber wir können uns nicht darauf verlassen. Wenn Grom wirklich neue Armeen sammelt, müssen wir vorbereitet sein. Diesmal wird es keine Überraschung geben.“
Die drei Elfen sahen einander an, ihre Gesichter gezeichnet von verborgener Entschlossenheit. Draußen heulte der Wind durch die verfallenen Hallen, und Niblits verzweifeltes Kichern verklang, während die Schatten der Vergangenheit und der Zukunft gleichermaßen auf ihnen lasteten.
Niblit schrie auf, schlug wild um sich, doch Draevan war schneller. Mit einem Griff nach dem Kettenbund zwang er den Goblin zu Boden, während Selindor die Fesseln anlegte. Die Zelle war wieder erfüllt vom Geruch von Angst und verzweifeltem Widerstand.
„Grom wird kommen!“ keuchte Niblit, während er in die Dunkelheit der Ketten zurückfiel. „Er wird euch alle vernichten! Die Welt gehört uns! Waaagh! Grom! Waaagh!–“
Altheria drehte sich wortlos um und schritt zur Tür. Der Schatten der Ereignisse lag schwer auf ihren Schultern. Selindor folgte ihr, sein Gesicht ein Spiegel aus Anspannung und Nachdenklichkeit. Als Altheria die Schwelle erreichte, hielt sie inne und drehte sich kaum merklich um. Ihr goldener Haarschopf schimmerte im schwachen Licht der Fackel.
Mit einem knappen Nicken in Draevans Richtung gab sie ihm ihre stumme Anweisung. Der Narbengesichtige verstand ohne Worte. Seine Lippen verzogen sich zu einem grimmigen Ausdruck, als er das Messer aus seiner Scheide zog.
Die Tür schloss sich hinter Altheria und Selindor mit einem dumpfen Knall und das erstickende Gurgeln Niblits war kaum zu hören.
Die beiden Elfen schritten durch einen langen, finsteren Gang, dessen Steinwände von der Kälte der Tiefe durchzogen waren. Ihre Schritte hallten gedämpft wider, ein leises, unaufhörliches Echo, das wie ein leiser Vorwurf klang.
„Das alles ...“, begann Selindor, doch seine Stimme verlor sich im Korridor.
„Wir wussten, dass der Kampf gegen Grom eine Wunde hinterlassen würde, die nicht heilen kann,“ antwortete Altheria nach einem langen Moment des Schweigens. „Aber ich frage mich, ob wir damals wirklich wussten, wie tief diese Wunde sein würde.“
Selindor verzog das Gesicht. „Yvresse hat überlebt, ja. Doch zu welchem Preis? Unsere Armeen sind zerschlagen, unsere Wälder kahlgeschlagen, und die Bauern in den Dörfern sprechen mehr von Flucht als von Hoffnung.“ „Yvresse wird niemals wieder sicher sein,“ sagte Altheria leise, ihre Stimme fast ein Flüstern. „Nicht nach dem, was wir gesehen haben. Nicht nach dem, was wir verloren haben.“
Selindor hielt inne und sah sie an, seine Augen hart wie Stahl. „Und Grom? Selbst dieser erbärmliche Goblin glaubte noch immer an seine Rückkehr. Was, wenn er Recht hat?“
„Dann wird er Ulthuan brennen sehen wollen,“ entgegnete Altheria und wandte den Blick ab. Ihre Hand glitt über die raue Steinmauer, als würde sie Halt suchen. „Wir müssen bereit sein, Selindor. Egal, wie erschöpft, wie zerschlagen wir sind – wir müssen immer bereit sein.“
Sie schwiegen und setzten ihren Weg fort, während in der Ferne das leise Rauschen der Wellen zu hören war, das sanft an die Klippen von Yvresse schlug. Der Klang war trügerisch friedlich und erinnerte an eine Zeit, die längst vergangen war – eine Zeit, die niemals zurückkehren würde.