Mit Fantasy habe ich leider allgemein nur wenig am Hut und mit Warhammer noch weniger. Keine Zeit bei mir und einigen Leuten. Meine Rollenspielgruppe hat sich lange nicht getroffen und die Arbeit hält mich auf Trab. Da schläft meine Fantasy-Ader gerne immer wieder mal ein. Kommt regelmäßig vor und führt normalerweise irgendwann zu einem heftigen Rückfall.
Heute morgen war nun herrlich mistiges Herbstwetter. Und da hab ich mich auf einmal mit dem Laptop auf dem Balkon wiedergefunden. Zufrieden meine Pfeife rauchend, froh den Regen nur sehen und nicht fühlen zu müssen und endlich mit der Zeit und Muße mal wieder ein wenig meiner diffusen Gedanken nieder zu schreiben. Hier ist es....
Kapitel 14: Eine Lücke zu schließen.
An diesem Abend gab es eine kleine Feier zur Erinnerung an Ivars alten Mentor und, auch wenn die Teilnehmerzahl eher beschaulich war, wurde es ein fröhlicher Abend. Ulf, oder Herr Ulfric vom schwarzen Stein, wie er sich nun nennen ließ, hatte die Festivität nicht zu einem offiziellen Anlass erhoben und so erschienen neben den Zwergen auch nur eine Handvoll Ritter. Jene, die sich dem Toten auf die eine oder andere Weise verbunden fühlten. Angehörige niederer Stände, die dessen liberale Einstellung gemocht hatten, und solche, die mit dem alten Recken in der Schlacht standen.
Ivar störte das nicht weiter. Dass seine ungewöhnliche Geisteshaltung dem Alten viel Ärger bereitet hatte, war ihm ja bekannt. Ihm fehlten nun Jahre an Ereignissen und so unterhielt er sich vornehmlich mit Ulf und fragte den Freund nun seit Stunden aus.
„Herr Ulfric also, ja?“ Iva musste nicht nach oben schauen um Blickkontakt herzustellen. Er saß auf einem großen Bierfass und Ulf auf dem Tisch. Die Förmlichkeiten hatten mit
„zunehmender Stunde doch merklich nachgelassen.
„Vom schwarzen Steine?“
Stein, nicht Steine.“
Der Zwerg zog eine skeptische Augenbraue hoch. „Kaum besser“, meinte er lakonisch. „ Wie kommt’s?“
„Wie kommt’s? Ich kann ja schlecht Großmeister Ulf sein. Welcher Ritterorden würde sich schon von einem Ulf anführen lassen? Ulfric ist lediglich die längere Fassung. Der Adel bevorzugt so etwas.“
„Und der schwarze Stein?“
„Ehrliche Antwort?“
„Sicher.“
„Ist ein Stein.“
„Toll!“
„Finde ich auch…“
„Und was ist an dem besonderes?“
„Nichts, es ist einfach ein Stein. Er liegt als Schwelle hier im Stall der Ordensburg.“
„Du bist nach der Schwelle zum Stall betitelt?“
„Naja, als man mich in den Ritterstand erhob, musste ich mir einen heraldischen Titel ausdenken. Offiziell fand die erste Schlacht, in der ich die Ehre und Verantwortung eines imperialen Streiters meine Hand lenken fühlte, an einem schwarzen Stein statt. Mag auch stimmen. Meine Schlachten habe ich alle hier in Grenznähe geschlagen und es liegen wirklich überall recht dunkle Steine. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, war das erste, was mir zu meinem Weg in den Ritterstand damals einfiel, die ewige Stallarbeit als junger Bursche. Morgens rein und mit der Karre voll Mist wieder raus. Immer über diesen einen Stein. So gesehen war er nicht nur die Schwelle zum Stall, sondern auch meine erste Stufe zum Ritterstand. Ich musste eine Menge Scheiße bezwingen, um hierher zu kommen, und damit meine ich nicht nur die aus dem Stall. Ich kannte mal einen „Herrn Eber vom Eichenhain“, aber Herr Ulfric vom Scheißhaufen erschien mir doch zu gewagt.“
Ivar versuchte zu lachen und gleichzeitig Bier zu trinken, was selten eine gute Idee war.
„Sind alle ritterlichen Titel so gestrickt?“
„Mehr als man glaubt, aber noch lange nicht alle, nein.“
„Und wie bist du nun zum Großmeister geworden? Ich meine, klar, du hast den Bären besiegt, aber ich glaube einfach nicht, dass der Ulf von damals gegen ihn hätte antreten dürfen, Ordensregel hin oder her.“
Ulf nickte: „Stimmt. Der Kampf gegen den Bären ist nur angeblich jedem erlaubt. Tatsächlich ignoriert man häufig einen Teil der Bewerber. Die Ordensführer machen das unter sich aus.“
„Demnach dürfte ich nicht mit dem Herrn vom schwarzen Stein sprechen“ Ivar kicherte kurz. „Trotz allem sitzt er mir hier gegenüber.“
„Das verdanke ich wohl dir mein Freund. Nach unserem Besuch in deiner Heimat bin ich noch mehrfach zu euren Hallen gereist. Eigentlich habe ich nach dir gesucht, aber deine Familie gab mir keine Auskunft. Irgendwann fand ich mich damit ab, wenn ich auch nicht glücklich war. Die Rüstung die man mir fertigte, gab mir unter meinesgleichen eine Menge Ansehen. Die meisten Ritter können sich das nicht leisten, weißt du? Die ersten Plattenpanzer stammen von den Zwergen, aber heutzutage sind fast nur noch Arbeiten von Plattnern zu bekommen. Und die sind schon teuer genug. Echte Zwergenarbeit ist unbezahlbar, wenn man nicht von höchstem Stand ist. Dein Volk ist sich seiner Fähigkeiten sehr wohl bewusst und lässt sie sich in barer Münze verrechnen.“
„Du hast dich nach mir erkundigt?“ Ivar fühlte sich schon wieder schuldig. Das tat er oft, seitdem ihm bewusst geworden war, wie viel Zeit für die Menschen vergangen war. „Und ich bin nie auch nur auf die Idee gekommen, ein Lebenszeichen von mir zu geben.“ Er setzte zu einer längeren Erklärung an. Es wäre die sechste an diesem Abend geworden, doch Ulf unterbrach ihn.
„Schon in Ordnung, ich habe es verstanden. Wirklich Ivar. Ich kann zwar gedanklich einfach nicht fassen wie einem zwanzig Jahre nicht bewusst sein können, aber ich glaube dir. Du bist nicht halb so schnell gealtert wie ich. Da machen deine Erklärungen schon einen gewissen Sinn. Es gibt nichts zu entschuldigen. Jedenfalls nicht noch einmal. Freut mich einfach, dass du am Leben bist und es dir gut geht.“
Ivar murmelte ein paar unverständliche Laute in seinen geflochtenen Bart, gab den Punkt aber nur zu gerne wieder auf. „Also zurück zum Herrn vom schwarzen Stein.“ Er hob seinen Humpen. „Möge er noch lange diesen seltsamen Haufen führen!“ und leerte das Gefäß mit einem Zug.
„Viel mehr gibt es nicht zu sagen. Ich habe bei meinen Besuchen natürlich auch einige andere Zwerge kennengelernt. Und als mir die Rüstung nicht mehr passte, bekam ich eine neue.“
Ivar stutzte: „Warum?“
„Hab ich mich auch gefragt. Der Schmied meinte, er könne nicht auf sich sitzen lassen, dass eine seiner Arbeiten so schlecht sei, dass sie nach ein paar kümmerlichen Jahren schon so schlecht sitze.“
„Unsinn, was kann der Schmied dafür, dass du wächst wie ein Oger?“
„Nichts. Schönen Dank für den blumigen Vergleich übrigens. Ich denke, das war einfach ihre Art mich zu unterstützen. Die Bande zwischen unseren Reichen sind nicht mehr so fest, wie sie es einmal waren. Ein Ordensmeister, der auf gutem Fuß mit den Zwergen steht, könnte ihnen wichtig gewesen sein. Die Rüstung war ihre Art von Zeichen dafür. Und es hat funktioniert, wenn es denn stimmt. Meine Kontakte zu den Dawi haben mir viel Ansehen eingebracht. Wie gesagt, dein Volk lässt sich seine Fähigkeiten gut bezahlen.“ Ulf trank einen Schluck von seinem Bier. „Auch wenn das mit der baren Münze wohl nicht stimmt. Die Rüstung kostet eure Clans nicht viel, aber wenn ihr jemals um Hilfe bitten solltet, wird der schwarze Bär antworten. Zumindest solange ich sein Haupt bin.“
Ivar nickte. Das ganze schien ihm logisch. Es wäre nicht die Art der Zwerge, einen Botschafter zu schicken und neue Verträge zu schließen. Jedenfalls nicht gleich. Das alles mochte noch kommen, aber sein Volk war nicht unbedingt als kontaktfreudig oder wortgewandt zu bezeichnen. Viele Leute hielten die Zwerge deshalb für einfach gestrickt oder gar dumm, aber sie regelten eigentlich nur eine ganze Menge stillschweigend. So war das auch bei den Grenzern. Nur deshalb hatte Ivar ja diese Reise unternehmen können, die ihn hierher geführt hatte.
„Das erklärt wohl den Herrn vom schwarzen Stein, ja. Aber ich hätte eher damit gerechnet Luthbert an dieser Stelle zu finden.“ Ivar hatte den ganzen Abend vermieden, nach dem dritten aus ihrer Truppe zu fragen. Weitere schlechte Nachrichten wollte er eigentlich nicht hören.
„Luthbert?“ Ulf lachte kurz und trocken. „Nein, mit dem kamen die meisten deines Volkes nicht gut aus: Zu bunt, zu laut und zu arrogant.“
Ivar wollte widersprechen, doch auch wenn die Zeit einige Ecken und Kanten des alten Freundes geglättet hatte, musste er sich schnell eingestehen, dass die glattzüngige und ironische Art Luthberts den meisten Zwergen sauer aufstoßen würde.
„Was ist also aus ihm geworden?“
„Ein Ritter natürlich. Ein verdammt guter sogar. Luthbert findest du im Moment deutlich näher im Zentrum des Imperiums als irgendeinen anderen Ritter dieses Ordens. Er führt noch immer eine flinke Klinge. So flink, dass er sich bei Hof einen Ruf als Duellant gemacht hat. Auch wenn dieser Ruf nicht unbedingt ein guter ist.“
„Soll heißen?“
„Er ist ein wenig düster geworden. Sein Rang als zweitgeborener hat ihn selber ja nie gestört, aber ohne den Schutz von Herrn Eilfric und in Gesellschaft des Hochadels musste er immer wieder spüren, dass man ihn allein wegen seines Standes nicht ernst nimmt. Das hat ihm zu schaffen gemacht. So gesehen ist er auch damit beschäftigt, sich seinen Weg durch einen Haufen Scheiße zu bahnen. Er musste nur später damit anfangen und ich glaube es ist ihm nicht unbedingt gut bekommen.“
„Warum? Hat er was angestellt?“
Ulf seufzte: „Streng genommen nicht, nein. Aber er hat sich angewöhnt auf Beleidigungen schnell den Handschuh zu werfen. Und seine Duelle enden nicht immer glimpflich. Drei Adelige sind nach dem Kampf nie mehr aufgestanden. Ein vierter war klug genug seinen Sekundanten antreten zu lassen, aber auch dessen Schicksal war eine recht klare Botschaft. Jedes Mal nach solch einem Vorfall, kommt er her, versteckt sich in der Burg und leckt seine Wunden. Ansonsten sehen wir ihn kaum. Er hat irgendwelche Aufgaben bei Hof, die ihn recht viel Zeit kosten.“
„Er hat Leute umgebracht, weil sie ihn beleidigt haben?“ Ivar stutzte: „Das sieht ihm aber kaum ähnlich.“
„Nein, sieht es nicht. Das ist es ja gerade. Er behauptet, es seien alles Missgeschicke. Das muss er auch. Todesfälle kommen vor, aber Duelle aufs letzte Blut sind streng verboten. Im Normalfall erhält die Familie des Verschiedenen eine Entschädigung und je nach den Umständen muss der Gegner noch eine weitere Strafe erdulden. Aber Luthbert kam in jedem der Fälle recht gut weg und seine Gegner waren zufällig manchen Leuten unbequem. Ich sage es nicht gern offen, aber ich vermute, er ist eine Art Henker bei Hofe. Er räumt dem Imperator oder irgendeinem anderen hohen Tier Widersacher aus dem Weg, wenn sich kein anderer, unauffälliger oder politisch kluger Weg bietet. Stell dir vor du bist Mitglied einer Gruppe angesehener Leute, die offen ihren Unwillen mit einigen Entscheidungen des Imperators kundtut. Du hast Rang und Einfluss. Du fühlst dich sicher vor politischer Verfolgung. Und innerhalb von zwei Jahren sterben drei deiner Freunde unter der Klinge des gleichen Fechters. Ein vierter verliert seinen Waffenmeister, der schuldige Fechter wird jedes Mal frei gesprochen und trägt nicht einmal einen Kratzer von den Kämpfen zurück.“
„Moment, du hast doch gesagt, er käme her und leckt seine Wunden.“
„Nicht solche Wunden. Ich glaube, er tut, was er für richtig hält, aber es gefällt ihm trotz allem nicht. Er sitzt in seiner Kammer, betrinkt sich tagelang und hadert mit dem Schicksal. Ich glaube, er wäre lieber ein angesehener Held als der tanzende Tod.“
„Der was bitte?
„So nennt man ihn mittlerweile. Weißt du noch wie er mit den Wegelagerern damals umgesprungen ist? Er hat sich nicht verändert. Er hat wirklich nie einen Kratzer in diesen Duellen davongetragen. Flink wie ein Wiesel und genauso wild und gerissen. Man sagt, er sei eine der besten Klingen des Reiches. Was die tragischen Unfälle nicht eben glaubwürdiger macht. Aber all sein Geschick brachte ihm kein echtes Ansehen. Für die meisten war er immer der zweitgeborene Sohn aus irgendeiner Provinz. Und jetzt ist er eben noch der tanzende Tod. Man achtet ihn mittlerweile, aber nicht weil man seine Taten schätzt. Der Adel hat einfach Angst, dass hinter einem Duell mit ihm mehr steckt als nur gekränktes Ehrgefühl.“
Das war ja furchtbar. Ulf bemerkte Ivars entsetzten Blick und beeilte sich mit einer Ergänzung.
„Ganz so schlimm ist es auch nicht. Nach seinen Gelagen findet er schnell seine alte Form wieder. Glaub mir. Im Großen und Ganzen ist er noch immer der alte Tunichtgut. Steigt den Frauen nach und amüsiert sich über die ganze Welt. Nur dass man eben manchmal seinen Sarkasmus hinterfragen muss, wenn man ihn so gut kennt wie ich.“
Ulf versuchte noch eine ganze Weile das düstere Bild, das er von ihrem alten Kameraden gemalt hatte, aufzuhellen, aber er konnte nicht verhindern, dass Ivar sehr nachdenklich zu Bett ging.