Kapitel 17 - Aufbruch
Das Lager war wieder in emsige Geschäftigkeit verfallen, um den bevorstehenden Abmarsch vorzubereiten. Ein großer Teil der Herde hatte dem eben auf abrupte Weise beendeten Gewaltexzess beigewohnt und versuchte nun beflissentlich darüber hinwegzuspielen, dass hier zwei angesehene Krieger der vereinten Herden im Staub zu ihren Füßen lagen. Keiner wollte dabei ertappt werden allzu intensiv zu starren. Über all dem stand Gurlak, welcher noch immer tief schnaufend ein- und ausatmete. Niemand wagte es, seine Blicke zu erwidern. Die Ungors, welche er heranrief, näherten sich unterwürfig und mit gesenkten Häuptern. Ihnen fiel die Aufgabe zu, bei den beiden ohnmächtigen Gors zu bleiben, bis diese wieder zu sich kämen. Danach würden sie gemeinsam zur Marschkolonne aufschließen, da Gurlak keinesfalls auf sie warten würde. Die Ungors warfen sich angesichts dieser Anweisung unsichere Blicke zu. Keiner von ihnen wollte sich den Zorn der erwachenden Gors zuziehen. So etwas wie eine Wahl hatten sie in dieser Sache jedoch nicht.
Fhirghaz hatte eine Wahl. Die Wahl, bei seiner eigenen Herde zu bleiben und mit ihnen den Marsch nach Norden anzutreten oder sich den Bestigors anzuschließen, welche sich aus den Häuptlingen und Elite Kriegern der anderen Stämme zusammensetzten. Da er mit Letzteren Seite an Seite in der Schlacht kämpfen würde, konnte es nicht falsch sein, sich mit ihnen vertraut zu machen. Verbrüderte Krieger standen schließlich enger zusammen. Auf der anderen Seite war es nicht ganz ungefährlich seine Herde unbeaufsichtigt zu lassen. Es war stets wichtig die Zügel fest in der Hand zu behalten, denn eine Herde hielt sich nicht von allein zusammen. Sie folgte nur dem, von dessen Fähigkeiten sie überzeugt war. Ein Häuptling musste Angst in den Herzen von Freund und Feind erzeugen können, genauso wie er gerissen genug sein musste um sein Gefolge in die richtige Schlacht zu führen, sie zu lenken und zusammenzuhalten, auf dass sie auch wieder daraus zurückkehre. Hinter jedem Häuptling, der dies nicht vermochte, standen bereits sechs neue Emporkömmlinge, um seinen Platz an der Spitze der Herde einzunehmen. Der erste Fehler konnte schnell der letzte sein.
Wie Ghorhok war auch Fhirghaz zu spät auf der Versammlung erschienen, um am Kampf der Häuptlinge teilzunehmen, und so zum Großhäuptling aufsteigen, zu können. Nach den Strapazen des Weges, aus dem fernen Bretonia, musste er seiner Herde nun wenigstens die Aussicht auf einen erfolgreichen und lohnenden Beutezug bescheren. Das war das Mindeste was er tun konnte, um ihr Wohlwollen und ihre Treue zu behalten. So entschloss er sich also dazu, bei seiner Herde zu bleiben und das was an Bindung da war so gut wie möglich aufrechtzuerhalten. Zumindest so lange, bis sich eine bessere Gelegenheit ergab um den Platz einzunehmen, der ihm seiner Meinung nach zustand. Aber dazu gehörte, neben brutaler Gewalt, Schläue und dem Sinn für das richtige Timing, eben auch Geduld. Eine Tugend, die vielen Häuptlingen fehlte und ihnen somit ein frühzeitiges und meist blutiges Ende bescherte. Fhirghaz zog vor es ihnen nicht gleichzutun.
Kwurhgor war froh Bhorgaz nicht mehr in den Reihen seiner Herde zu haben. Nicht nur hatte er ein gefräßiges Maul weniger zu stopfen, auch war die Stimmung unter den Gors viel entspannter geworden. Zumindest für den Augenblick. Das Schlangenauge hielt sich jetzt fast ausschließlich in Gurlaks Nähe auf. Es war eindeutig, dass er die Nähe zur Macht suchte. Aller Wahrscheinlichkeit nach ging es ihm nur darum, nicht um den Gor hinter dem Titel. Denn im Zweifelsfall würde er sich wohl genauso kurzentschlossen an einen neuen Großhäuptling hängen, wie er es bereits bei Gurlak getan hatte. Die neuerliche Distanz zu diesem Kriecher fühlte sich für Kwurhgor richtig und befreiend an. Er konnte es kaum erwarten sich endlich wieder dem zuzuwenden, weshalb er hier her gekommen war. Mordwerk, Raub und reiche Beute. Mit etwas Glück würden sie noch über ein oder zwei Siedlungen der Menschen stolpern, bevor sie endgültig das Herz des Drakenwaldes betreten würden. Aber dessen war er sich fast sicher. Immerhin hatte Gurlak Verantwortung dafür, viele hungrige Mäuler zu stopfen. Und auch die Mordlust seiner Gefolgschaft wollte hin und wieder befriedigt werden, bevor es in die große Schlacht ging, zu deren Zweck sie sich zusammengefunden und auf dem Weg begeben hatten.