Oder auch:
Ein Gehörnter wird auf die Hörner genommen...!
Seid gegrüßt...
Mir ist vor einigen Tagen etwas widerfahren, was ich noch nicht so vielen Menschen erzählt habe, und da mein Mitteilungsbedürfnis noch in mir klopft, will ich es hier mal verewigen:
Mein Vater hat sich über die Jahrzehnte in der Uckermark ein Stück Land aufgebaut, wo er sich ein paar Tiere hält, wie Hühner, Enten, Pferde und eben auch ca. 65 Rinder!
Das sind in erster Linie schottische Highland-, französische Charolais- und Aubrac-Rinder, aber auch eine wilde Mischung dieser Tiere, die offenbar bei der Wahl ihrer Geschlechtspartner_innen nicht allzu wählerisch sind (Du hast Hörner, Dich nehme ich)...!
Früher waren da auch mal ein paar Bisons dabei, die man aus den Cowboy-Filmen kennt...Die gibt´s in der reinen Form inzwischen leider nicht mehr, aber noch zahlreiche Kreuzungen ("Mutanten-Wesen", das Chaos regiert überall), die nicht mehr so hochgewachsen wie die eigentlichen Bisons sind, aber dafür wendiger und entschieden aggressiver unterwegs sind...!
Nicht ohne Grund steht ein (für meinen Geschmack zu kleines) Schild mit der Aufschrift "Bullenweide - Lebensgefahr" am Rande der Koppel!
Eigentlich ist mein Vater zu beneiden, denn er hat sich etwas geschaffen und etwas realisiert, was viele wohl in ihrem gesamten Leben nie verwirklichen werden:
Er lebt seinen Traum...Allerdings zu einem hohen Preis, denn dieser Traum fordert alle Kraft; doch das Ergebnis lohnt sicht und gibt viel zurück!
Diese Rinder müssen jedenfalls ein- bis zweimal jährlich vom Amtstierarzt mittels Blutuntersuchung auf Viren und ähnliches untersucht werden, sonst gibt´s fette Strafe...Dazu müssen die lieben Tiere zunächst von einer großen Koppel in eine anliegende kleine Koppel getrieben werden, um sie dann anschließend durch einen schmaleren Gang zu schleusen, an dessen Ende ein "Headgate" (eine Vorrichtung aus Texas, um Rinder am Hals zu fixieren) steht, wo jedes Tier einzeln für die Untersuchung (der Tierarzt zieht das Blut mit einer Spritze aus dem Schwanz des Tieres) "festgehalten" wird, um dann wieder auf die Weide entlassen zu werden...Klingt einfach, ist es aber überhaupt nicht!
Die blöden Viecher haben nämlich gar keinen Bock darauf und werden teilweise aggressiv...Dabei bräuchten sie die Spritze gar nicht zu fürchten, den Piekser merken die kaum, aber das Treiben, der enge Gang und das Headgate sind der pure Streß für die und entsprechend geladen sind die lieben Tiere drauf!
Man kann sich kaum vorstellen, was da für Kräfte walten und wenn man es nicht mit eigenen Augen sieht, glaubt man das eh nicht...Wenn diese lebendige Muskelmasse ihre Kraft aus dem Nacken herausholt und sich gegen das Gatter stemmt, wird einfach mal Metall verbogen, Stangen brechen und es gibt auch immer mal wieder Verletzte!
Nachdem wir es jedenfalls geschafft hatten, alle Rinder von der großen auf die kleine Koppel zu treiben (diesmal mit Hilfe von fünf berittenen Treibern_innen, was tatsächlich immens hilfreich war), hatten wir bereits einige Viecher durch das Headgate geschleußt und wir waren gerade weiter dabei, die folgenden Tiere gruppenweise durch die Gänge zu geleiten, als drei Halbstarke sich irgendwie durch das Gatter zwangen und plötzlich im selben Gang wie mein Vater und ich standen...Etwas schwer für mich gerade, das Ganze für Euch gut nachvollziehbar zu beschreiben; aber dort sollten sie jedenfalls eigentlich nicht sein!
Na gut, nur ein paar Halbstarke, fast noch Kälbchen, die können wir erstmal vernachlässigen, wir haben uns um die Ausgewachsenen zu kümmern...Doch Einer der Halbstarken sah das offenbar anders und entwarf einen genialen Plan, um sich Aufmerksamkeit zu sichern:
Das Viech rannte los (die Distanz von ca. acht Metern reichte aus, um das Rind auf volle Geschwindigkeit zu bringen) auf mich und meinen Vater zu und sprang galant wie eine Gazelle zwischen uns hindurch auf das andere Gatter hinter uns zu, um es zu überwinden...Dies gelang ihm jedoch nicht und es viel zurück und flitzte etwas entrüstet zurück zu den anderen beiden Halbstarken!
Grund für diese Aktion waren drei Treiber auf der anderen Seite vom Gang (wie gesagt, blöde zu beschreiben gerade), die die ausgewachsenen Rinder zum Headgate treiben wollten und auf gleicher Höhe mit den Halbstarken standen...Dadurch wurden die Halbstarken quasi umzingelt und der einzige Weg aus dieser Sackgasse war den Gang runter an meinem Vater und mir vorbei; unter der Voraussetzung, der gewagt hohe Sprung zum Überwinden des Gatters hinter uns glückt, aber so viel Berechnung darf einem Rind nun doch nicht zugemutet werden!
Mir war klar, daß die Halbstarken unter hohem Streß standen, und ich brüllte den drei Treibern zu, sie sollen erstmal von dort verschwinden, damit sich die Lage beruhigt und wir uns weiterhin um das ausgewachsene bockende Rind direkt vorm Headgate kümmen konnten, was mit seinen scharfen spitzen Hörnern gefährlich um sich schlug...Aber nein, meine lieben Kollegen wollten ja nicht reagieren (hört doch einfach mal auf mich, warum hört denn nie jemand auf mich, das Leben wäre so viel einfacher und schöner) und der gestresste Halbstarke senkte erneut den Kopf!
Der kleine Bulle hatte noch keine ausgewachsenen Hörner und war natürlich auch sonst nicht so kräftig wie die ausgewachsenen Viecher, weshalb er (wenn ich mich nicht gerade in seine Richtung vorbeuge und ihm meinen Kopf hinhalte) mich sicher nicht tödlich verletzen könnte, aber auf ein paar gebrochene Rippen oder andere Knochen und eventuell auch innere wie äußere Blutungen bin ich jetzt auch nicht so scharf gewesen...Daher passierte in dem Sekundenbruchteil folgendes:
Ich rief noch etwas wie "Achtung" zu meinem Vater, ließ meinen "Zauberstab" (meinen so von mir genannten Treiberstock, mit dem ich aber den kleinen Bullen nie hätte aufhalten können) fallen und drehte mich seitlich zum Gatter, um mich kletternd auf die andere Seite in Sicherheit zu bringen!
Man kann mir vorwerfen, daß ich mich nicht heldenhaft vor meinen Vater gestellt habe, aber zum Einen hielt der Halbstarke mehr auf mich als auf meinen Vater zu, und zum Anderen war da die Angst und der Selbsterhaltungstrieb offenbar einfach stärker als jeder ethisch-moralische Gedanke...Ich weiß dann auch gar nicht, wo genau mich das Vieh eigentlich erwischt hat, denn mir tat sofort der ganze Körper überall weh und ich flog über das Gatter und knallte auf der anderen Seite auf den steinigen Boden!
Ich vermute, er hat mich am Schienbein erwischt, denn ich war bereits etwa 1,5 Meter am Gatter emporgeklettert, als er mich auf seine niedlichen Hörner nahm, und so konnte er mich auch wunderbar über das Gatter hebeln...Mein Kumpel, der aus ein paar Metern das Ganze beobachtet hatte, meinte jedenfalls, er habe noch nie jemanden so schnell von der einen auf die andere Seite des Gatters gelangen gesehen!
Glück war, daß ich meine Hände noch schnell schützend vor mein Gesicht hielt, denn sonst hätte ich so dermaßen den Stein-Boden geküsst, daß ich sicher danach eine schiefe Nase hätte...Ich konnte aber leicht benommen und am ganzen Körper zitternd und Schmerz verspührend aufstehen und schimpfte etwas wie "Keinen Bock mehr, macht Euren Scheiß alleine...!" und stapfte zum Hof, wo ich erstmal meine Wunden leckte und eine Frust-Banane futterte!
Nach einer halben Stunde etwa aber ging ich wieder zurück und wir ackerten noch bis in die Nacht hinein...Mein Kumpel gab mir dann den Spitznamen im Titel, den ich mir nach seiner Aussage wohl redlich verdient habe!
Zum Einen ist "Flying Fox" ja etwas Sportliches, was mit Schwung und Geschwindigkeit zu tun hat (einfach mal in die Suchmaschine eingeben), zum Anderen sagt man mir nach (ich bin da anderer Meinung), daß ich rötliches Haar hätte und angeblich "Peter Fox" ähnlich sähe...Aber den Spitznamen fand ich an dem Tag schon ziemlich cool und er half mir, die insgesamt nicht so angenehme Situation zu verarbeiten!
Tja, das war die Geschichte...
Hoffe, es war interessant zu lesen!