Nicht dass das von vornherein in den falschen Hals kommt: Ich liebe Warhammer Fantasy Battles!
Seit ich 2011 meinen (lebenszeitlich sehr späten) Einstieg gefunden habe, ist Warhammer das (DAS!) Hobby für mich.
Ich liebe den Hintergrund, ich liebe die Spielmechanik, ich liebe die Figuren und die Spielercommunity (naja, letzteres sagen wir mal: meistens).
Warum ich WHFB trotzdem eigentlich für eine Fehlkonstruktion halte, sei im folgenden erörtert:
Der Maßstab passt nicht zu dem Versprechen!
Ich liebe Feld-Schlachten.
Ich denke da an Fiction wie den Spartacus-Fim, Braveheart, Gladiator, all die Sandalen-Filme (Goten, 300).
Ich denke auch an histroische Schlachten: Von Kadesh, wo Streitwagen Legionen aufeinanderprallen, über die Varus-Schlacht im Teuteburger Wald und die Entscheidung von Englangs Schicksal 1066 bei Stamford Bridge und danach Hastings. Ich denke an Crecy, Azincourt, Tannenberg und Napoleons Schliche (Marengo, Austerlitz, Leipzig) seine Niederlage bei Waterloo. Ich denke an Bull Run bis Ghettysburg. Und dann zurück zum Punischen Krieg; Hannibal am trasimenischen See und bei Cannae. Selbst die Neuzeit enthält spannendes: Istwandla, Rorke's Drift. Den Angriff der Leichten Brigade auf der Krim.
Und, und, und. (Den gesamten asiatischen Raum hab ich in der Aufzählung übergangen, da ich mich da kaum auskenne.)
So etwas möchte ich gern spielen. Und das kann Warhammer mMn eher nicht liefern.
Denn die interessanten Schlachten bestehen oftmals aus mehreren Tausend Kämpfern bis zu einer halben Million (Völkerschlacht bei Leipzig). Die Schlachten gliedern sich meist in verschiedene Phasen. Man stellt verschiedene Treffen auf. Bildet Reserven. Man plant verschiedene Phasen. Zum Beispiel:
1.) Abtasten und aufklären
2.) Zermürbung durch Beschuss, Feuergefecht
3.) Angriffe/Scheinangriffe, die den Gegner zu Fehlern verleiten sollen, ihn "aus der Reserve" locken sollen.
4.) Handgemenge
5.) Endkampf und Aufräumen
Man stellt sich nur da zum Kampf, wo man sich (vermeintlich) vom Gelände Vorteile erhofft (Hannibal, Wellington...) oder wenn es keine anderen Ausweg gibt (Thermopylen, Hastings...). Oder wenn man sich durch andere Faktoren überlegen fühlt (Azincourt
Warum kann Warhammer diesen Anspruch grundsätzlich gar nicht erfüllen?
a) Keine (bzw. wenig) Überraschungen
grundsätzlicher Grund:
Die oftmals mangelnde Aufklärung lässt sich in einem Tabletop-Spiel schlecht darstellen.
Man kann z.B. kein Reservekorps verstecken, der Gegner sieht es ja (Ausnahme: frei erzählerisches Spiel)
Dass es im TT-Bereich auch anders geht, weigt z.B. Flames of War (III. Edition), wo es ein spannendes Hinterhalt Management gibt (inklusive Regeln dafür, Hinterhalte durch Aufklärung zu vermeiden).
Ursache in der Warhammer Spielmechanik (=Regeln)
Es gibt keine befriedigende Mechanik für Hinterhalte, Reserven.
Man weiß den "Kampfwert" von Einheiten immer im Voraus. Kampfergebnisse lassen sich sehr leicht vorhersagen, Überraschungen sind selten.
Vorgetäuschte Angriffe oder Rückzüge funktionieren kaum.
b) Gliederung in differenzierte taktische Phasen fehlt weitgehend
grundsätzlicher Grund:
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Ursache in der Warhammer Spielmechanik (=Regeln):
Sechs Runden sind zu wenig, um erstmal in Ruhe abzutasten, dann mit Beschuss zu zermürben, bevor es ins Handgemenge geht.
Die meisten Armeen (ausgenommen Defensivarmeen wie z.B. Zwerge) müssen sich höllisch beeilen, ihre Einheiten in den Nahkampf zu bekommen, denn 80-90% aller Schlachten werden dort entschieden.
c) der Maßstab ist zu klein bzw. die Figuren zu groß
25mm bis 30mm Modelle eignen sich nicht, um mit zumutbarem Material-, Raum- und Zeitaufwand Schlachten von epischer Größe zu spielen.
Wer einmal das Diorama vom "Picton's Charge", einen sehr kleinen Teil der Schlacht von Ghettysburg im Maßstab 1:72 (was ca. 20mm Figuren entspricht) gesehen hat, kann nachvollziehen, was ich meine.
Es gibt viele Gegenbeispiele, dass Spiele in kleinerem Maßstab epischer sein können (Warmaster, BattleLore...)
Gründe für den Maßstab:
- 25/28 ist der klassiche Figurenmaßstab für Fantasy-Miniaturen.
- die Gusstechnik hätte zum Beginn von Warhammer nicht für detailreiche Minis ausgereicht, wenn Maßstab kleiner gewählt worden wäre.
- Citadel will Farben verkaufen, bei (viel!) kleineren Figuren würde (noch) viel(-e) Armeen (mehr) unbemalt bleiben.
Insgesamt hält Warhammer für mich persönlich da viele Versprechen nicht ein. Die Schlachten sind selten von epischer Größe sondern bei humanen Punktzahlen (1000 bis 4000 Punkte je Seite) trotzdem eher Scharmützel. Andere Spiele bringen mir persönlich mehr das gefühl, ein Feldherr zu sein und nicht ein Hauptmann oder Lieutenant (Battles of Westeros finde ich zum Beispiel wesentlich "schlachtiger"). Leider hatte ich nie das Glück, Warmaster ausprobieren zu können. Ich kann mir aber vorstellen, dass dieser Maßstab besser an den Anspruch heran kommt, Schlachten und nicht Geplänkel dazustellen.
Warhammer 40.000
Es liegt nahe, auf das Nachbarsystem zu schauen: Ich finde die Relation zwischen Verheißung und Erfüllung bei Warhammer 40.000 wesentlich ausbalancierter. Ich finde die Größe der Einheiten glaubhafter (5-10 Space Marines sind ein Zug, 40 bis 100 eine Kompanie...). Auch, modernere und beweglichere Kampftaktik (lockere Formation, Bewegung in jede Richtung...) als Grundlage zu nehmen, halte ich für klug und passend zum Setting.
Eine Lanze für Age of Sigmar
Age of Sigmar hat mein persönlich Hobby-Leben stark beeinträchtigt. Dass ich trotzdem mal dafür eine Lanze breche, mag da erstaunen.
Muss aber sein.
Abgesehen davon, dass ich persönlich ja genau das möchte: Schlachtreihen, Legionen.
Und abgesehen davon, dass ich den Hintergrund von AoS für fahrlässigen Bullshit halte und mir ein Größteil der "neuen Figuren" nicht gefällt und ich die Motivation der Fraktionen nicht glaubhaft finde, muss ich eines zugestehen: Bei AoS gibt es die oben erläuterte Diskrepanz zwischen Anspruch und Spiel(-mechnik) nicht. Denn hier treffen kleinere Grüppchen Kämpfer aufeinander, die sich mehr oder weniger cahotisch miteinander prügeln. Die Spielmechnik passt hier mMn besser zu (dem taktisch anderen) Anspruch und Miniaturen-Maßstab sowie Spielfeldgröße und Zeitaufwand.
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Wer so weit durchgehalten hat, meinen Sermon zu lesen und dem jetzt vielleicht Galle oder Hut hochgeht: Ich stelle hier meine persönliche Meinung dar, die viel mit meiner persönlichen Spielerfahrung im Freizeit- und Turnierbereich zu tun hat. Ich wollte hier auch gern etwas provokant sein, denn ich hab Lust auf feurigen aber sachkundigen Austausch mit Euch über den Jahreswechsel.
Ich bin gespannt, wie Ihr das seht:
Ist Warhammer (eigentlich) eine (die tollste, schönste, beste) Fehlkonstruktion?
Erfüllt das Spiel für euch seine Verheißung?
Ist es Euch episch genug?
Sind das echte "Schlachten" oder nur"Geplänkel"?
Wer hat Warmaster gespielt und kann darüber berichten, wie sich das anfühlt?
Wer spielt BattleLore Spiele wie Schlachten von Westeros?
Schönen dritten Advent!